Page - 17 - in Zeitwesen - Autobiographik österreichischer Künstlerinnen und Künstler im Spannungsfeld von Politik und Gesellschaft 1900–1945
Image of the Page - 17 -
Text of the Page - 17 -
17Einleitung
|
Legenden vom Künstler auch tatsächlich zutreffend sind, vorrangig geht es darum,
sie als bestimmende Identitätsnarrative zu erkennen.
Inspiriert von Forschungsarbeiten, die sich auf theoretischer Ebene und/oder
praktischer Anwendung einer speziellen Quellenkritik für auto/biographische
Quellen widmen,12 war es mir weiters ein zentrales Forschungsanliegen, den Quel-
len selbst in dieser Arbeit besondere Aufmerksamkeit zu widmen. Trotz des gestie-
genen Bewusstseins für Methoden- und Theoriefragen in der Auto/Biographie- und
KünstlerInnenforschung ist die theoretische Auseinandersetzung mit dem Quellen-
material immer noch vernachlässigt. Diskussionen oder gar Definitionen dessen,
was als „autobiographische Quelle“ im Konkreten verstanden wird, sind selbst in
einschlägigen Publikationen selten anzutreffen. Angesichts der Bedeutung, die der
Quellenkritik in der vorliegenden Arbeit entgegengebracht wird, wird die Thematik
im folgenden Abschnitt noch eigens dargestellt.
Quellen
In der Geschichtswissenschaft werden Auto/Biographien, Briefe und Tagebücher
oft unter den Begriffen Ego-Dokumente oder Selbstzeugnisse erfasst, für die vorlie-
gende Studie präferiere ich den Begriff der auto/biographischen Quelle. Ähnlich wie
beim Ego-Dokument lässt sich auch für diese Bezeichnung nur schwer eine verbind-
liche Definition vorlegen. Es wird an späterer Stelle dieser Studie noch ausführlich
auf die Problematik eingegangen, hier möchte ich nur einige allgemeine Überle-
gungen dazu ausführen. Ausgehend vom Begriff lässt sich eine auto/biographische
Quelle sowohl hinsichtlich ihres Inhalts wie auch der Autorschaft definieren. Das
heißt, „auto-bio-graphisch“ kann zunächst als „auto-graphisch“ im Sinne von
selbstverfasst verstanden werden. „Auto-graphische“ Quellen müssen nicht zwin-
gend eine bewusste Lebensreflexion darstellen, sie sind allein durch die Autorschaft
klassifiziert. Nach einer solchen Definition liegen meiner Forschungsarbeit „auto-
graphische“ Quellen zugrunde, von denen ein Teil auch im engeren Sinne „auto-
bio-graphisch“ ist, d.h. zudem eine Form biographischer Reflexion aufweist. Wenn
ich in Anlehnung an Liz Stanley den Begriff auto/biographisch verwende, möchte
12 Vgl. u.a. Monika Bernold/Johanna Gehmacher, Auto/Biographie und Frauenfrage. Tagebücher,
Briefwechsel, Politische Schriften von Mathilde Hanzel-Hübner (1884–1970), Wien 2003; Volker
Depkat, Nicht die Materialien sind das Problem, sondern die Fragen, die man stellt. Zum Quellen-
wert von Autobiographien für die historische Forschung, in: Thomas Rathmann/Nikolaus Weg-
mann (Hg.), „Quelle“. Zwischen Ursprung und Konstrukt. Ein Leitbegriff in der Diskussion, Berlin
2004, 102–117.
Open-Access-Publikation im Sinne der Lizenz CC BY 4.0
Zeitwesen
Autobiographik österreichischer Künstlerinnen und Künstler im Spannungsfeld von Politik und Gesellschaft 1900–1945
- Title
- Zeitwesen
- Subtitle
- Autobiographik österreichischer Künstlerinnen und Künstler im Spannungsfeld von Politik und Gesellschaft 1900–1945
- Author
- Birgit Kirchmayr
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-23310-7
- Size
- 17.3 x 24.5 cm
- Pages
- 468
- Category
- Kunst und Kultur
Table of contents
- Einleitung 11
- Fragestellung und Ausgangsthesen 11
- Theoretische Bezugsrahmen 14
- Quellen 17
- „Zeitwesen“ oder: die ProtagonistInnen 20
- 1 Auto/Biographieforschung – KünstlerInnenforschung 33
- 2 KünstlerInnen über sich 79
- 2.1 Alfred Kubin – ein autobiographical life 80
- 2.2 Oskar Kokoschka – der biographische „Jongleur“ 105
- 2.3 Aloys Wach – Selbstbespiegelungen eines Suchenden 136
- 2.4 Erika Giovanna Klien – Autobiographische Fragmente 150
- 2.5 Margret Bilger – Autobiographisches wider Willen 164
- 2.6 Erstes Resümee oder: Wie KünstlerInnen über sich schreiben und dabei „biographische Formeln“ verwenden 175
- 3 KünstlerInnen und gesellschaftliche Diskurse 179
- 3.1 Der Geschlechterdiskurs des frühen 20. Jahrhunderts 180
- 3.1.1 Alfred Kubin und die Misogynie der Moderne 185
- 3.1.2 „Mörder, Hoffnung der Frauen“: Oskar Kokoschka und die (modernen) Amazonen 206
- 3.1.3 Erika Giovanna Klien – schwierige Emanzipationswege einer „neuen“ Frau 214
- 3.1.4 Zerrissenheit und Identitätssuche – Geschlechterbilder bei Margret Bilger 220
- 3.2 Geschwindigkeit – Fortschrittseuphorie versus Kulturpessimismus 232
- 3.2.1 Alfred Kubins Traumstadt „Perle“ als Versuchsstation der Fortschrittsverweigerung 236
- 3.2.2 „Im Riesengefängnis New York“: Erika Giovanna Klien und ihr Verhältnis zu Stadt, Geschwindigkeit und Technik 245
- 3.2.3 Der Rückzug aufs Land: Alfred Kubin und Margret Bilger 256
- 3.2.4 „Haste nicht und raste nie. Sonst hastet die Neurasthenie“: ein Exkurs zum Nervendiskurs 264
- 3.3 Esoterik – Spirituelle Sinnsuche im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert 271
- 3.4. Zweites Resümee oder: Welche Diskurse der Moderne die KünstlerInnen bewegten 308
- 3.1 Der Geschlechterdiskurs des frühen 20. Jahrhunderts 180
- 4 KünstlerInnen und Politik – Von der Monarchie bis zum Nationalsozialismus 313
- 4.1 Die Legende vom unpolitischen Künstler – Zum Verständnis von Kunst und Politik bis 1945 315
- 4.2 Erster Weltkrieg und das Ende der k. u. k. Monarchie 319
- 4.3 Zwischen den Kriegen: Revolution(en), Republik(en), „Ständestaat“ 349
- 4.3.1 Der „Kunstlump“ – Oskar Kokoschka und die (deutsche) Revolution 353
- 4.3.2 Aloys Wach und die Münchner Räterepublik 360
- 4.3.3 Aus der Distanz: Erika Giovanna Klien und die österreichische Zwischenkriegszeit 368
- 4.3.4 „Weil ich nicht in der Vaterlandspartei bin“: Positionen zum „Ständestaat“ bei Oskar Kokoschka und Alfred Kubin 373
- 4.4 Nationalsozialismus 382
- 4.4.1 „… diese stummen Geister der Auflehnung“: Alfred Kubin und der Nationalsozialismus 385
- 4.4.2 Oskar Kokoschka: Selbstbildnis eines „entarteten“ Künstlers 397
- 4.4.3 „22° Waage“: Aloys Wach und der Nationalsozialismus 404
- 4.4.4 „… hätte ich aber die conträren Gesinnungen“: Margret Bilger und der Nationalsozialismus 409
- 4.5 Drittes Resümee oder: Wie politisch waren die „unpolitischen“ KünstlerInnen? 422
- Dank 426
- Abkürzungsverzeichnis 428
- Tabellen- und Abbildungsverzeichnis 429
- Quellen- und Literaturverzeichnis 431
- Archive und Sammlungen 431
- Zeitungen/Zeitschriften/Jahrbücher 432
- Literatur und gedruckte Quellen 432
- Personenregister 463