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Kommunen im Klimawandel | 39
bevor der Klimawandel in den 1980er Jahren zu einem gesamtgesellschaftlichen
Problem wurde, definierte man Umweltfragen als kommunales Aufgabenfeld, weil
die Ursachen zunehmender Luftverschmutzung, die die urbane Lebensqualität stark
einschränken, hier zu finden seien. Bereits während der UN-Konferenz 1972 „Über
die Umwelt des Menschen“ in Stockholm und anschließend auf der ersten Habitat-
Konferenz (1976) wurden Städte als strategische Orte positioniert, an denen die kom-
plexen Beziehungen zwischen ökonomischer Organisation, ökologischen Konse-
quenzen und sozialer Organisation optimal gesteuert werden könnten (Hodson und
Marvin 2014b).
Die Notwendigkeit, Umweltprobleme auf lokaler Ebene anzugehen, wurde 1987
verbindlich im bereits erwähnten Brundtland-Report festgehalten, der ein spezifi-
sches Kapitel zu Umweltproblemen in Städten enthält. Dort wird argumentiert, dass
der Großteil der Weltbevölkerung in Zukunft in Städten leben wird und Städte des-
halb zentral seien auf dem Weg zu nachhaltiger Entwicklung (Brundtland 1987: 235-
258). Angestoßen durch die Welt-Umweltkonferenz 1992 in Rio de Janeiro, Brasi-
lien, entwickelte sich das Motto „Global denken – lokal handeln!“ zum Leitbild der
Umweltbewegung, da die Agenda 21 – das Aktionsprogramm für nachhaltige Ent-
wicklung – den Kommunen als kleinster politischer Organisationseinheit eine beson-
dere Rolle bei deren Umsetzung zuwies. Bis heute ist dies eine dominante Begrün-
dung dafür, warum Kommunen als Motoren und Arenen des Wandels hin zu einer
klimafreundlichen Gesellschaft aufzufassen seien (Vereinte Nationen 1992; siehe
auch Abschnitt #Die Stadt als Ursache, Betroffene und Lösung für das Klimaprob-
lem).
In diesem Zusammenhang wurde auch in der neu entstandenen Klimapolitik die
Annahme immer populärer, nicht Nationalstaaten, sondern Städte seien die geeig-
netsten Politikarenen, um erfolgreichen Klimaschutz zu betreiben. Schon seit der ers-
ten jährlichen Konferenz der Vertragsstaaten (Conference of the Parties [COP]) 1995
in Berlin, dem zentralen Prozess der internationalen Klimapolitik, sind lokale Regie-
rungen auch in die nationalstaatlichen Verhandlungen involviert; allerdings nur als
Beobachter im Rahmen der zugelassenen NGO-Delegationen. Doch diese Gruppe
nimmt schon früh eine gewichtige Rolle ein: Bereits seit 1993 finden in unregelmä-
ßigen Abständen gesonderte „Klimakonferenzen“ lokaler Regierungen statt (soge-
nannte Municipal Leaders Summit on Climate Change bzw. World Mayors Summit
on Climate Change).
Auch in Deutschland findet das Thema Klimawandel ab den 1980er Jahren zu-
nehmend Eingang in den medialen und politischen Diskurs.5 Dies führte 1987 zur
5 Beispielhaft dafür steht das Titelbild der Zeitschrift „Spiegel“ von 1986 (Ausgabe 33), die
einem im Wasser versinkenden Kölner Dom zeigt und titelt: „Ozon-Loch, Pol-Schmelzen,
Treibhaus-Effekt: Forscher warnen: Die Klima-Katastrophe“.
Kommunen im Klimawandel
Best Practices als Chance zur grünen Transformation?
- Titel
- Kommunen im Klimawandel
- Untertitel
- Best Practices als Chance zur grünen Transformation?
- Autor
- Nanja Nagorny-Koring
- Verlag
- transcript Verlag
- Ort
- Bielefeld
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-4627-0
- Abmessungen
- 15.4 x 23.0 cm
- Seiten
- 324
- Kategorien
- Naturwissenschaften Umwelt und Klima
Inhaltsverzeichnis
- Danksagung 9
- Das Prinzip der Nachahmung 11
- Forschungslücke und Fragestellung 16
- Aufbau der Arbeit 21
- Kommunen im Klimawandel 25
- Problematisierung: Vom Phänomen zum Problem 27
- Klimawandel als Politikproblem 32
- Klimawandel als kommunales Aufgabenfeld 38
- Klimapolitik als Multi-Level-Governance-Problem 48
- Die Stadt als Ursache, Betroffene und Lösung für das Klimaproblem 54
- Klimawandel als ökonomisches Problem 61
- Klimawandel als Problem kommunaler Praxis 65
- Den guten Praktiken auf der Spur 71
- Begriffsgeschichte und Definition 73
- Kritik und Positionalität 78
- Best Practice-Forschung 82
- Projektdesign 90
- Die Kunst, den Klimawandel zu regieren 115
- Gouvernementalität 116
- Klima-Gouvernementalität 126
- Das Praxisregime „kommunaler Klimaschutz“ 132
- New Public Climate Management 141
- Politische Rationalitäten 142
- Klima\Wandel ist regierbar 145
- Politische Programme 162
- Die Regierungsrationalität des Klimaschutzmanagements (1): Vom Projekt zum Prinzip 172
- Die Regierungsrationalität des Klimaschutzmanagements (2): Das Rad nicht neu erfinden 179
- Implikationen einer besonderen Form des Klimaschutzes 186
- Best Climate Practices 189
- Rationalitäten und Technologien 191
- „Mit Ideen und Beispielen zum Erfolg“!? 194
- „Gebt uns gute Beispiele!“ 215
- Reflexion 227
- „Best Practice ist eine Geschichte“ 235
- Zur Performativität von Best Practices 239
- Zum transformativen Potenzial von Best Practices 249
- Fazit: „Klimaschutz leicht gemacht – von Erfolgsbeispielen lernen“? 260
- Literatur 275
- Anhang 315