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44 | Kommunen im Klimawandel
Hier zeigt sich erneut, wie das Wahrheitsregime im Spiel zwischen Wissen und
Macht kontinuierlich neu verhandelt und ausgestaltet wird. Die Problematisierung
des Klimawandels als kommunale Aufgabe soll aber nicht nur als Top-down-Prozess
verstanden werden. Einige subnationale Akteure versuchen schon seit den 1990er
Jahren, ein Politikproblem, welches bis heute vornehmlich als global verhandelt
wird, neu zu definieren und dadurch an Einfluss zu gewinnen (Bulkeley 2005). Diese
parallele Bottom-up-Bewegung spiegelt sich insbesondere in der Gründung und dem
stetigen Wachstum von TMNs wie dem Klima-Bündnis oder ICLEI wider. Bezogen
auf die Bedeutung von Kommunen als Orte der Problematisierung stellen Andonova
und Mitchell (2010: 260) fest, dass sich eine signifikante Reskalierung in der Klima-
governance erkennen lässt, die subnationale Einheiten wie Provinzen und Kommu-
nen zu zentralen Orten und Akteuren dieses Politikfeldes macht. Diese Reorganisa-
tion bringt dabei die Verschiebungen im Ausmaß, in der Komplexität und in der Ver-
netzung der globalen Umweltprobleme zum Ausdruck. Zusätzlich beeinflusst sie
auch die Art und Weise, wie Menschen diese Probleme verstehen und darauf reagie-
ren; das heißt, die anhaltenden Reorganisationsprozesse haben auch Auswirkungen
auf die Praxis und das Studium der globalen Umwelt- und Klimapolitik.
In einem Zeitraum von dreißig Jahren hat sich so das Thema „kommunaler Kli-
maschutz“ von einem Randthema, das von einigen wenigen Pionieren freiwillig vo-
rangetrieben wurde, zu einem etablierten Teil der formal-globalen Klimagovernance
entwickelt und wird heute international, national und regional explizit gefördert.
Ergebnis ist ein „[…] re-cast multi-level governance system that had key roles for the
‚global‘, a ‚re-emergent city‘ and the national state“ (Hodson und Marvin 2014b: 8).
Die zentralen Momente der Problematisierung wurden bisher anhand von zentra-
len (gesellschafts-)politischen Dokumenten sowie der Entstehung neuer Institutionen
in Bezug auf den Klimawandel herausgearbeitet. Diese Momente der Problematisie-
rung habe ich in drei Phasen zusammengefasst und in die drei wesentlichen Maß-
stabsebenen – die globale bzw. internationale, die nationale (Deutschland) und die
kommunale Ebene – unterteilt. Diese historische Entwicklung bildet Tabelle 1 ab, bei
der es sich um eine Beobachtung zweiter Ordnung handelt, da durch diese die Ent-
stehung von Expertisen und Autoritätsformen selbst zum Gegenstand der Analyse
werden. So lassen sich drei Phasen der Problematisierung erkennen12: In der Initiie-
rungsphase ab 1990 etabliert sich das zunächst nur wissenschaftlich behandelte Phä-
nomen des Klimawandels als Politikproblem sowohl im internationalen Kontext im
Rahmen der UN-Institutionen als auch in Deutschland. Von Beginn an beteiligen sich
12 Sturm und Mattissek (2018) kommen in ihrer Diskursanalyse zur Relevanz klimapoliti-
scher Ziele in der Stadtentwicklung der vergangenen 15 Jahre in Deutschland zu ähnlichen
Ergebnissen.
Kommunen im Klimawandel
Best Practices als Chance zur grünen Transformation?
- Titel
- Kommunen im Klimawandel
- Untertitel
- Best Practices als Chance zur grünen Transformation?
- Autor
- Nanja Nagorny-Koring
- Verlag
- transcript Verlag
- Ort
- Bielefeld
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-4627-0
- Abmessungen
- 15.4 x 23.0 cm
- Seiten
- 324
- Kategorien
- Naturwissenschaften Umwelt und Klima
Inhaltsverzeichnis
- Danksagung 9
- Das Prinzip der Nachahmung 11
- Forschungslücke und Fragestellung 16
- Aufbau der Arbeit 21
- Kommunen im Klimawandel 25
- Problematisierung: Vom Phänomen zum Problem 27
- Klimawandel als Politikproblem 32
- Klimawandel als kommunales Aufgabenfeld 38
- Klimapolitik als Multi-Level-Governance-Problem 48
- Die Stadt als Ursache, Betroffene und Lösung für das Klimaproblem 54
- Klimawandel als ökonomisches Problem 61
- Klimawandel als Problem kommunaler Praxis 65
- Den guten Praktiken auf der Spur 71
- Begriffsgeschichte und Definition 73
- Kritik und Positionalität 78
- Best Practice-Forschung 82
- Projektdesign 90
- Die Kunst, den Klimawandel zu regieren 115
- Gouvernementalität 116
- Klima-Gouvernementalität 126
- Das Praxisregime „kommunaler Klimaschutz“ 132
- New Public Climate Management 141
- Politische Rationalitäten 142
- Klima\Wandel ist regierbar 145
- Politische Programme 162
- Die Regierungsrationalität des Klimaschutzmanagements (1): Vom Projekt zum Prinzip 172
- Die Regierungsrationalität des Klimaschutzmanagements (2): Das Rad nicht neu erfinden 179
- Implikationen einer besonderen Form des Klimaschutzes 186
- Best Climate Practices 189
- Rationalitäten und Technologien 191
- „Mit Ideen und Beispielen zum Erfolg“!? 194
- „Gebt uns gute Beispiele!“ 215
- Reflexion 227
- „Best Practice ist eine Geschichte“ 235
- Zur Performativität von Best Practices 239
- Zum transformativen Potenzial von Best Practices 249
- Fazit: „Klimaschutz leicht gemacht – von Erfolgsbeispielen lernen“? 260
- Literatur 275
- Anhang 315