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Kommunen im Klimawandel | 51
Die Problematisierung von Klimapolitik als MLG-Prozess trug wesentlich dazu bei,
den glokalen13 Problemcharakter des Klimawandels in den Fokus zu rücken. Kom-
munen gelten dabei als Übersetzer des globalen Problems des Klimawandels auf die
lokale Ebene (Abbildung 7). Der subnationalen Ebene kommt eine zentrale Bedeu-
tung zu dadurch, dass sie internationale und nationale Problemformulierungen und
Wissen in spezifisches lokales Verhalten übersetzt. Gerade in der Klimagovernance
findet daher eine Lokalisierung und Regionalisierung globaler Politiken statt. Es wird
zunehmend klar, dass Nationalstaaten aktuell nicht in der Lage sind, ihre internatio-
nalen Klimaschutzzusagen zu erfüllen – solange sie subnationales Handeln nicht ex-
pliziter fördern. THG-Emissionen entspringen spezifischen Orten und oft wird argu-
mentiert, die lokale Ebene sei der geeignete Zuständigkeitsbereich, um notwendige
THG-Reduktionen in die Tat umzusetzen. Doch lokale Regierungen antworten nicht
nur auf vordefinierte Politikziele von Nationalstaaten oder internationaler Regime,
sondern handeln vermehrt eigeninitiativ in diesem Bereich (Betsill und Bulkeley
2006: 141f.).
Auch in der sozialwissenschaftlichen Klimaforschung hat sich daher der MLG-
Ansatz als populäre Analyseperspektive durchgesetzt. Zahlreiche Studien befassen
sich mit den von mir skizzierten Reorganisationsprozessen, wobei häufig ein beson-
derer Fokus auf die Rolle von (Groß-)Städten und Städtenetzwerken (TMNs) in der
Klimapolitik gelegt wird (u.a. Bulkeley und Betsill 2005; Betsill und Bulkeley 2006;
Bulkeley und Kern 2006; Gupta 2007; Schreurs und Tiberghien 2007; Bäckstrand
2008; Andonova et al. 2009; Gustavsson et al. 2009; Kern und Bulkeley 2009; An-
donova und Mitchell 2010; Keskitalo 2010; Bulkeley 2013; Bulkeley et al. 2013;
Bulkeley und Betsill 2013; Castán Broto und Bulkeley 2013; Jörgensen et al. 2015).
Solche Studien, die MLG als Analysekategorie nutzen, beschäftigen sich bspw. mit
der Frage, wie klimapolitische Verantwortung in unterschiedlichen Ländern zwi-
schen den verschiedenen Maßstabsebenen verteilt ist, wie die Interpretation und Im-
plementierung von städtischen Klimapolitiken durch Governance-Prozesse auf ande-
ren Politikebenen geformt wird oder auch damit, wie nichtstaatliche Akteure (Unter-
nehmen, NGOs, Kommunen) zunehmend an Einfluss gewinnen. Dieser Forschungs-
schwerpunkt erklärt sich durch die Fokussierung auf „die wachsende Bedeutung
nicht-hierarchischer Formen der Koordination von Politik und deren Effektivität und
Legitimität“ in der Governance-Forschung (Benz et al. 2007: 16), was sich in zahl-
reichen Studien zu neuen Netzwerkstrukturen in der Klimapolitik niederschlägt.
13 Glokal bzw. Glokalisierung ist eine begriffliche Synthese aus global und lokal bzw. Glo-
balisierung und Lokalisierung und deutet darauf hin, dass globale Phänomene, wie z.B. der
Klimawandel, konkrete lokale Auswirkungen haben und dass es daher zur Lösung globaler
Probleme auch lokaler Interventionen bedarf.
Kommunen im Klimawandel
Best Practices als Chance zur grünen Transformation?
- Titel
- Kommunen im Klimawandel
- Untertitel
- Best Practices als Chance zur grünen Transformation?
- Autor
- Nanja Nagorny-Koring
- Verlag
- transcript Verlag
- Ort
- Bielefeld
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-4627-0
- Abmessungen
- 15.4 x 23.0 cm
- Seiten
- 324
- Kategorien
- Naturwissenschaften Umwelt und Klima
Inhaltsverzeichnis
- Danksagung 9
- Das Prinzip der Nachahmung 11
- Forschungslücke und Fragestellung 16
- Aufbau der Arbeit 21
- Kommunen im Klimawandel 25
- Problematisierung: Vom Phänomen zum Problem 27
- Klimawandel als Politikproblem 32
- Klimawandel als kommunales Aufgabenfeld 38
- Klimapolitik als Multi-Level-Governance-Problem 48
- Die Stadt als Ursache, Betroffene und Lösung für das Klimaproblem 54
- Klimawandel als ökonomisches Problem 61
- Klimawandel als Problem kommunaler Praxis 65
- Den guten Praktiken auf der Spur 71
- Begriffsgeschichte und Definition 73
- Kritik und Positionalität 78
- Best Practice-Forschung 82
- Projektdesign 90
- Die Kunst, den Klimawandel zu regieren 115
- Gouvernementalität 116
- Klima-Gouvernementalität 126
- Das Praxisregime „kommunaler Klimaschutz“ 132
- New Public Climate Management 141
- Politische Rationalitäten 142
- Klima\Wandel ist regierbar 145
- Politische Programme 162
- Die Regierungsrationalität des Klimaschutzmanagements (1): Vom Projekt zum Prinzip 172
- Die Regierungsrationalität des Klimaschutzmanagements (2): Das Rad nicht neu erfinden 179
- Implikationen einer besonderen Form des Klimaschutzes 186
- Best Climate Practices 189
- Rationalitäten und Technologien 191
- „Mit Ideen und Beispielen zum Erfolg“!? 194
- „Gebt uns gute Beispiele!“ 215
- Reflexion 227
- „Best Practice ist eine Geschichte“ 235
- Zur Performativität von Best Practices 239
- Zum transformativen Potenzial von Best Practices 249
- Fazit: „Klimaschutz leicht gemacht – von Erfolgsbeispielen lernen“? 260
- Literatur 275
- Anhang 315