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80 | Kommunen im Klimawandel
4. Ein wesentlicher Kritikpunkt an der Best Practice-Methodik lautet, dass sich
der theoretisch erhoffte Transfer empirisch nur in den seltensten Fällen be-
obachten lasse. Da die Kontextabhängigkeit eine Generalisierung und Ablei-
tung allgemeiner Prinzipien erschwere (siehe Kritikpunkt #1), seien – gemes-
sen an der Anzahl der kommunizierten Praxisbeispiele – nur wenige Best
Practice-Beispiele hochmobil (Overman und Boyd 1994; Szulanski 1996;
Wolman und Page 2002; Bulkeley 2006; Elwyn et al. 2007; Macmillen 2010;
Veselý 2011; Stead 2012, 2013; Webber 2015).
5. Die Identifikation, Dokumentation und Verbreitung von Best Practices wird
als viel zu zeitintensiv und damit auch zu teuer kritisiert. Dies konterkariere
die vermeintliche Effizienzsteigerung, die man sich durch die Nutzung von
Best Practices erhofft. Zudem bestehe in vielen Politikbereichen mittlerweile
ein Überangebot an Best Practice-Beispielen, was die Entscheidungsfindung
durch Überinformation eher erschwere statt erleichtere (Szulanski 1996; Bar-
dach 2003; Snowden 2003; Wolman und Page 2002; Elwyn et al. 2007; Fran-
cis und Holloway 2007; Macmillen und Stead 2014; Stead 2012).
6. Kritisiert wird außerdem, dass die Verbreitung und Nachahmung von Best
Practice-Beispielen statt zu Innovation und Exzellenz zu Angleichung, Stan-
dardisierung und Mittelmäßigkeit führe. Statt politischen und gesellschaftli-
chen Wandel anzuregen, trügen Best Practices eher dazu bei, den aktuellen
Status quo zu reproduzieren (Radaelli 2004; Bulkeley 2006; Francis und Hol-
loway 2007; Vettoretto 2009; Veselý 2011; Moore 2013; Ammons und Ro-
enigk 2014).
7. Einige Kritiker sind zudem der Meinung, dass die Rolle und der Einfluss von
Best Practices auf die politische Steuerung und Entscheidungsfindung allge-
mein stark überschätzt würden, was ihr transformatives Potenzial zusätzlich
zum vorigen Kritikpunkt #6 beschränke (Wolman und Page 2002; Stead 2012,
2013; Vreugdenhil et al. 2012).
Konzeptionelle Kritik
1. Recht fundamental wird die Best Practice-Methodik als atheoretisch, deskrip-
tiv und normativ kritisiert. Sie basiere auf keinem theoretischen Fundament
und sei rein anwendungsorientiert, indem sie meist in umfangreichen Fallstu-
dien bestimmte Maßnahmen und Vorgehensweisen als vorbildlich und nach-
ahmenswert preise und dadurch bestimmte Vorstellungen und Ideale optimier-
ten Managements verbreite (Overman und Boyd 1994; Myers et al. 2004;
Radaelli 2004; Vettoretto 2009; Veselý 2011; Schedler und Proeller 2011).
Kommunen im Klimawandel
Best Practices als Chance zur grünen Transformation?
- Titel
- Kommunen im Klimawandel
- Untertitel
- Best Practices als Chance zur grünen Transformation?
- Autor
- Nanja Nagorny-Koring
- Verlag
- transcript Verlag
- Ort
- Bielefeld
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-4627-0
- Abmessungen
- 15.4 x 23.0 cm
- Seiten
- 324
- Kategorien
- Naturwissenschaften Umwelt und Klima
Inhaltsverzeichnis
- Danksagung 9
- Das Prinzip der Nachahmung 11
- Forschungslücke und Fragestellung 16
- Aufbau der Arbeit 21
- Kommunen im Klimawandel 25
- Problematisierung: Vom Phänomen zum Problem 27
- Klimawandel als Politikproblem 32
- Klimawandel als kommunales Aufgabenfeld 38
- Klimapolitik als Multi-Level-Governance-Problem 48
- Die Stadt als Ursache, Betroffene und Lösung für das Klimaproblem 54
- Klimawandel als ökonomisches Problem 61
- Klimawandel als Problem kommunaler Praxis 65
- Den guten Praktiken auf der Spur 71
- Begriffsgeschichte und Definition 73
- Kritik und Positionalität 78
- Best Practice-Forschung 82
- Projektdesign 90
- Die Kunst, den Klimawandel zu regieren 115
- Gouvernementalität 116
- Klima-Gouvernementalität 126
- Das Praxisregime „kommunaler Klimaschutz“ 132
- New Public Climate Management 141
- Politische Rationalitäten 142
- Klima\Wandel ist regierbar 145
- Politische Programme 162
- Die Regierungsrationalität des Klimaschutzmanagements (1): Vom Projekt zum Prinzip 172
- Die Regierungsrationalität des Klimaschutzmanagements (2): Das Rad nicht neu erfinden 179
- Implikationen einer besonderen Form des Klimaschutzes 186
- Best Climate Practices 189
- Rationalitäten und Technologien 191
- „Mit Ideen und Beispielen zum Erfolg“!? 194
- „Gebt uns gute Beispiele!“ 215
- Reflexion 227
- „Best Practice ist eine Geschichte“ 235
- Zur Performativität von Best Practices 239
- Zum transformativen Potenzial von Best Practices 249
- Fazit: „Klimaschutz leicht gemacht – von Erfolgsbeispielen lernen“? 260
- Literatur 275
- Anhang 315