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„Best Practice ist eine Geschichte“ | 241
heißt der praktischen Aus- und Aufführung von Wirklichkeit, aus performativitäts-
theoretischer Perspektive eine besondere Bedeutung zu. Wird die Rationalität des
Klimaschutzmamagents hierbei als eine Art Skript verstanden, das in der Arena des
Praxisregimes aufgeführt wird, dann dienen Best Practices als einzelne (Text-)Bau-
steine dieses Skripts, die die Inszenierung ermöglichen. Da es mir in meiner Arbeit
weniger um einzelne Best Practices und deren Replizierbarkeit und Wirkmächtigkeit,
sondern um das Konstrukt „Best Practice“ als Regierungstechnologie des Praxisre-
gimes „kommunaler Klimaschutz“ geht, interessiere ich mich stärker dafür, wie Best
Practices dazu beitragen, dass die Rationalität des Klimaschutzmanagements lokal
reproduziert wird. Dazu gilt es herauszufinden, welche Aspekte von Best Practices
performativ werden – Inhalte, Akteure, Verfahrensweisen, Institutionen oder auch
bestimmte Vorannahmen.
Wie ich im Kapitel #„Mit Ideen und Beispielen zum Erfolg“?! gezeigt habe, wer-
den Best Practices durch Prozesse der Selektion, Auslassung und Exklusion perfor-
mativ hervorgebracht und tragen so zur Unterscheidung zwischen vorbildlichen Kli-
maschutzmaßnahmen und scheinbar weniger wirksamen Interventionen bei. Wie
Modelle und Theorien beschreiben daher auch Managementmethoden wie Best Prac-
tices nicht nur soziale Realität, sondern sind auch maßgeblich an deren Hervorbrin-
gung beteiligt (Law 2007): „Thus, knowledge production, maintenance, and use are
not only epistemic issues; they are simultaneously ontological endeavors. They are
acts of making, rather than merely depicting, what is at stake, and, in this sense, they
are performative to the core.“ (Passoth und Rowland 2006: 38)
Der Philosoph John L. Austin, Begründer der Sprechakttheorie, führte den Be-
griff der Performativität ein, um zu verdeutlichen, dass Sprache nicht nur eine reprä-
sentative, sondern auch eine wirklichkeitsschaffende Funktion besitzt (Austin [1950]
2010); das heißt, statt die Wirklichkeit „da draußen“ nur wiederzugeben, konstituiert
Sprache sie gleichermaßen. Heute hat sich Performativität zu einer „kulturtheoreti-
schen Grundperspektive“ weiterentwickelt (Boeckler und Strüver 2011: 664)3, die
sich mit den Effekten sozialen Handelns auseinandersetzt.
3 Austins spezifisches Begriffsverständnis hat in der jüngeren sozial- und kulturwissen-
schaftlichen Rezeption eine starke Ausweitung erfahren. Ausgehend von kritischen Gender
Studies (u.a. Butler 1993; Sedgwick 1994) kommt die Perspektive des Performativen ak-
tuell insbesondere in Studien zur Ökonomisierung und Vermarktlichung (u.a. Berndt und
Boeckler 2007, 2009; Callon 1998; Çalışkan und Callon 2009, 2010; Ouma 2015) sowie
in der Geographie (u.a. Bialasiewicz et al. 2007; Gregson und Rose 2000; Kaiser und
Nikiforova 2008; Nash 2000) zur Anwendung. Doch auch in der Sprachphilosophie, der
Soziologie, der Ethnologie und weiteren sozialwissenschaftlichen Disziplinen findet das
Konzept der Performativität Beachtung. Die politische Dimension von Performativität ist
allerdings ein bisher untererforschtes Gebiet.
Kommunen im Klimawandel
Best Practices als Chance zur grünen Transformation?
- Titel
- Kommunen im Klimawandel
- Untertitel
- Best Practices als Chance zur grünen Transformation?
- Autor
- Nanja Nagorny-Koring
- Verlag
- transcript Verlag
- Ort
- Bielefeld
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-4627-0
- Abmessungen
- 15.4 x 23.0 cm
- Seiten
- 324
- Kategorien
- Naturwissenschaften Umwelt und Klima
Inhaltsverzeichnis
- Danksagung 9
- Das Prinzip der Nachahmung 11
- Forschungslücke und Fragestellung 16
- Aufbau der Arbeit 21
- Kommunen im Klimawandel 25
- Problematisierung: Vom Phänomen zum Problem 27
- Klimawandel als Politikproblem 32
- Klimawandel als kommunales Aufgabenfeld 38
- Klimapolitik als Multi-Level-Governance-Problem 48
- Die Stadt als Ursache, Betroffene und Lösung für das Klimaproblem 54
- Klimawandel als ökonomisches Problem 61
- Klimawandel als Problem kommunaler Praxis 65
- Den guten Praktiken auf der Spur 71
- Begriffsgeschichte und Definition 73
- Kritik und Positionalität 78
- Best Practice-Forschung 82
- Projektdesign 90
- Die Kunst, den Klimawandel zu regieren 115
- Gouvernementalität 116
- Klima-Gouvernementalität 126
- Das Praxisregime „kommunaler Klimaschutz“ 132
- New Public Climate Management 141
- Politische Rationalitäten 142
- Klima\Wandel ist regierbar 145
- Politische Programme 162
- Die Regierungsrationalität des Klimaschutzmanagements (1): Vom Projekt zum Prinzip 172
- Die Regierungsrationalität des Klimaschutzmanagements (2): Das Rad nicht neu erfinden 179
- Implikationen einer besonderen Form des Klimaschutzes 186
- Best Climate Practices 189
- Rationalitäten und Technologien 191
- „Mit Ideen und Beispielen zum Erfolg“!? 194
- „Gebt uns gute Beispiele!“ 215
- Reflexion 227
- „Best Practice ist eine Geschichte“ 235
- Zur Performativität von Best Practices 239
- Zum transformativen Potenzial von Best Practices 249
- Fazit: „Klimaschutz leicht gemacht – von Erfolgsbeispielen lernen“? 260
- Literatur 275
- Anhang 315