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248 | Kommunen im Klimawandel
• Ein Großteil der Best Practices übermittelt die Botschaft, dass sich Klima-
schutz auch ökonomisch rechnet. Dadurch stützen sie argumentativ die Prob-
lematisierung des Klimawandels als ökonomisches Problem sowie die An-
nahme des NPM, das Hauptproblem in der Verwaltung sei mangelnde Effizi-
enz und Effektivität.
Diese Liste ließe sich sicherlich noch weiter fortführen. Was jedoch bereits jetzt er-
sichtlich ist, ist die Tatsache, dass Best Practice-Beispiele anstelle einer objektiven
Beschreibung selektive und machtvolle Interpretationen eines optimalen kommuna-
len Klimaschutzmanagements liefern und signifikant zur Aufführung und Operatio-
nalisierung der Klimaschutzmanagement-Rationalität beitragen. Best Practices sind
daher nicht als neutrale Werkzeuge aufzufassen, mithilfe derer Regierungsakteure
effektiv die Durchführung eines optimalen Klimaschutzmanagements lernen könn-
ten, sondern sie lassen bestimmte Vorannahmen und Logiken performativ werden.
Aus der relativen Autonomie der Regierungstechniken gegenüber den Regierungsra-
tionalitäten innerhalb eines Praxisregimes können sich aber auch Reibungspunkte
und Freiräume ergeben, in denen alternative Regierungsweisen verhandelt oder he-
gemoniale Technologien für alternative Zwecke verwendet werden können. Dies ge-
schieht auch im Fall der Regierungstechnik Best Practice: Anstatt systematische
Nachahmungsprozesse zur Verbesserung bestehender Regierungsweisen anzuregen
– wie es die Rationalität des Klimaschutzmanagements vorsieht –, werden Best Prac-
tices als Regierungstechnologie polit-strategisch dazu eingesetzt, bestimmte Kom-
munen und ihre Maßnahmen sichtbar zu machen und als vorbildhaft darzustellen
(„Währungs-Funktion“); bestimmte Themen auf die politische Agenda zu bringen
bzw. zu etablieren („Agenda-Setting-Funktion“); argumentativ politische oder men-
tale Barrieren zu überwinden, um bestimmtes Regierungshandeln überhaupt zu er-
möglichen („Möglich-Macher-Funktion“); oder scheinbar erfolgreiches Klima-
schutzhandeln zu dokumentieren und zu verbreiten („Ergebnis-Funktion“). Die ur-
sprünglich rational-dominante „Kopie-Funktion“ von Best Practices wird in der all-
täglichen Anwendung von anderen Funktionen überlagert, die ihrerseits die Rationa-
lität des Klimaschutzmanagements sowohl teilweise reproduzieren als auch karikie-
ren – z.B. wenn „das Rad gezielt neu erfunden“ wird, um sein „eigenes“ Produkt zu
kreieren („Währungs-Funktion“). Ein Praxisregime kann somit nicht als fix bezeich-
net werden, sondern es ist im Zusammenspiel von Rationalitäten und Technologien
durch ständigen Wandel gekennzeichnet. Die schriftlichen und mündlichen Darstel-
lungen von Maßnahmen als Best Practices, die der Förderprogrammatik entsprechen,
sind daher keine rein replikativen Ereignisse, sondern beinhalten auch stets Neuerun-
gen (insbesondere durch Rekombinationen), sodass in der Wiederholung von Best
Practice-Geschichten stets auch Potenzial für eine Veränderung dieser Rationalitäten
mitangelegt ist (Gregson und Rose 2000).
Kommunen im Klimawandel
Best Practices als Chance zur grünen Transformation?
- Titel
- Kommunen im Klimawandel
- Untertitel
- Best Practices als Chance zur grünen Transformation?
- Autor
- Nanja Nagorny-Koring
- Verlag
- transcript Verlag
- Ort
- Bielefeld
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-4627-0
- Abmessungen
- 15.4 x 23.0 cm
- Seiten
- 324
- Kategorien
- Naturwissenschaften Umwelt und Klima
Inhaltsverzeichnis
- Danksagung 9
- Das Prinzip der Nachahmung 11
- Forschungslücke und Fragestellung 16
- Aufbau der Arbeit 21
- Kommunen im Klimawandel 25
- Problematisierung: Vom Phänomen zum Problem 27
- Klimawandel als Politikproblem 32
- Klimawandel als kommunales Aufgabenfeld 38
- Klimapolitik als Multi-Level-Governance-Problem 48
- Die Stadt als Ursache, Betroffene und Lösung für das Klimaproblem 54
- Klimawandel als ökonomisches Problem 61
- Klimawandel als Problem kommunaler Praxis 65
- Den guten Praktiken auf der Spur 71
- Begriffsgeschichte und Definition 73
- Kritik und Positionalität 78
- Best Practice-Forschung 82
- Projektdesign 90
- Die Kunst, den Klimawandel zu regieren 115
- Gouvernementalität 116
- Klima-Gouvernementalität 126
- Das Praxisregime „kommunaler Klimaschutz“ 132
- New Public Climate Management 141
- Politische Rationalitäten 142
- Klima\Wandel ist regierbar 145
- Politische Programme 162
- Die Regierungsrationalität des Klimaschutzmanagements (1): Vom Projekt zum Prinzip 172
- Die Regierungsrationalität des Klimaschutzmanagements (2): Das Rad nicht neu erfinden 179
- Implikationen einer besonderen Form des Klimaschutzes 186
- Best Climate Practices 189
- Rationalitäten und Technologien 191
- „Mit Ideen und Beispielen zum Erfolg“!? 194
- „Gebt uns gute Beispiele!“ 215
- Reflexion 227
- „Best Practice ist eine Geschichte“ 235
- Zur Performativität von Best Practices 239
- Zum transformativen Potenzial von Best Practices 249
- Fazit: „Klimaschutz leicht gemacht – von Erfolgsbeispielen lernen“? 260
- Literatur 275
- Anhang 315