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256 | Kommunen im Klimawandel
ersten Blick nach einer einfachen Frage des optimalen Managements und des Wis-
senstransfers aussieht, die politische Diskussionen erstickt, kann schnell zu (bspw.
technischen oder wissenschaftlichen) Veränderungen und Ereignissen führen, die
eine einzelne Maßnahme oder auch ein ganzes Politikfeld wieder repolitisieren kön-
nen (Stephan et al. 2014). Momente der Schließung und der Öffnung des politischen
Diskurses durch Best Practices sind folglich oftmals gleichzeitig zu beobachten. Ei-
nerseits ist es möglich, dass etwa in Folge der Verbreitung guter Praxisbeispiele neue
Akteure – auch außerhalb der kommunalen Verwaltung – für den kommunalen Kli-
maschutz aktiviert und mobilisiert werden (vgl. Kapitel #Best Practices als „Mög-
lich-Macher“) und die politische Debatte dadurch auch in andere Gesellschaftsberei-
che getragen wird. Andererseits kann es genauso passieren, dass einzelne Akteure
wie Umweltaktivisten von der Debatte ausgeschlossen werden, weil sie von den be-
reits zirkulierenden Best Practices marginalisiert werden. Best Practices bringen
durchaus Möglichkeiten der Re-Politisierung mit sich. Progressive Akteure, seien es
besonders engagierte Kommunen und/oder Klimaschutzmanager, kritische For-
schungseinrichtungen, aktivistische NGOs, Stiftungen, Städtenetzwerke, Bürgerini-
tiativen oder ähnliche Akteursgruppen, können durch geschickte Öffentlichkeitsar-
beit mithilfe guter Praxisbeispiele alternative Visionen einer klimafreundlichen Ge-
sellschaft verbreiten helfen und damit tatsächlich systemischen Wandel anregen. Ins-
besondere durch ihre „Agenda-Setting-Funktion“ (vgl. Kapitel #Best Practices zum
polit-strategischen Agenda-Setting) können durch Best Practices zwar neue Themen
Eingang in den politischen Diskurs finden, gleichzeitig kann aber durch die definito-
rische Macht von Best Practices auch der Eintritt alternativer Maßnahmen oder Vor-
gehensweisen in die Sphäre des politisch Möglichen und Denkbaren verhindert wer-
den. In Bezug auf ihre politischen Effekte sind Best Practices daher als höchst ambi-
valent und nicht nur einseitig als depolitisierend einzustufen.
Auch der scheinbar breit akzeptierte Konsens, den Klimawandel bekämpfen zu
müssen, der vermeintlich zu einer Depolitisierung des Politikfeldes beiträgt, funkti-
oniert dabei nur auf einer diskursiven Meta-Ebene. Sobald abstrakte Klimaziele mit
konkreten Maßnahmen unterfüttert werden sollen, regt sich sowohl in der Bundes-
als auch in der Lokalpolitik schnell Widerstand. Auch wenn sich die politischen Ak-
teure meist darin einig sind, „dass Klimawandel menschengemacht ist und dass man
was dagegen machen sollte, heißt das ja noch lange nicht, dass man sagt, man sollte
unbedingt 2 GW Solarspeicher bauen oder einen neuen Staudamm errichten oder […]
bestimmte Straßenführungen abschaffen. […] Klimaschutz stößt immer dann auf
Grenzen, wenn Leute in ihren Befindlichkeiten und Abläufen gestört werden […]:
Warum sollen wir das jetzt auch noch machen? Warum denn jetzt hier? Warum nicht
da?“ (IB-2, 2015: 62). Die kommunalen Klimaschutzmanager erleben diese Politi-
sierung auf Maßnahmenebene tagtäglich, was ihre Arbeit häufig behindert: „Wenn
wir 5 Millionen Euro für eine Straße brauchen, dann ist das kein Thema, aber wenn
Kommunen im Klimawandel
Best Practices als Chance zur grünen Transformation?
- Titel
- Kommunen im Klimawandel
- Untertitel
- Best Practices als Chance zur grünen Transformation?
- Autor
- Nanja Nagorny-Koring
- Verlag
- transcript Verlag
- Ort
- Bielefeld
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-4627-0
- Abmessungen
- 15.4 x 23.0 cm
- Seiten
- 324
- Kategorien
- Naturwissenschaften Umwelt und Klima
Inhaltsverzeichnis
- Danksagung 9
- Das Prinzip der Nachahmung 11
- Forschungslücke und Fragestellung 16
- Aufbau der Arbeit 21
- Kommunen im Klimawandel 25
- Problematisierung: Vom Phänomen zum Problem 27
- Klimawandel als Politikproblem 32
- Klimawandel als kommunales Aufgabenfeld 38
- Klimapolitik als Multi-Level-Governance-Problem 48
- Die Stadt als Ursache, Betroffene und Lösung für das Klimaproblem 54
- Klimawandel als ökonomisches Problem 61
- Klimawandel als Problem kommunaler Praxis 65
- Den guten Praktiken auf der Spur 71
- Begriffsgeschichte und Definition 73
- Kritik und Positionalität 78
- Best Practice-Forschung 82
- Projektdesign 90
- Die Kunst, den Klimawandel zu regieren 115
- Gouvernementalität 116
- Klima-Gouvernementalität 126
- Das Praxisregime „kommunaler Klimaschutz“ 132
- New Public Climate Management 141
- Politische Rationalitäten 142
- Klima\Wandel ist regierbar 145
- Politische Programme 162
- Die Regierungsrationalität des Klimaschutzmanagements (1): Vom Projekt zum Prinzip 172
- Die Regierungsrationalität des Klimaschutzmanagements (2): Das Rad nicht neu erfinden 179
- Implikationen einer besonderen Form des Klimaschutzes 186
- Best Climate Practices 189
- Rationalitäten und Technologien 191
- „Mit Ideen und Beispielen zum Erfolg“!? 194
- „Gebt uns gute Beispiele!“ 215
- Reflexion 227
- „Best Practice ist eine Geschichte“ 235
- Zur Performativität von Best Practices 239
- Zum transformativen Potenzial von Best Practices 249
- Fazit: „Klimaschutz leicht gemacht – von Erfolgsbeispielen lernen“? 260
- Literatur 275
- Anhang 315