Seite - 30 - in Rolf Geyling (1884-1952) - Architekt zwischen Kriegen und Kontinenten
Bild der Seite - 30 -
Text der Seite - 30 -
Revolte und Reife 030
Die Wohnhäuser in der Koppreitergasse zeigen hingegen beispielhaft jene Gestaltungs-
weise, die allgemein als typisch für die Wagner-Schule angesehen wird: Die Fensterpa-
rapete sind mit secessionistischem Blumendekor verziert, und die Wände zwischen den
Fenstern sind durch Putzrillen aufgelockert. Auch das weit vorgezogene Dachgesims
stellt ein typisches Merkmal der Wagner-Schule dar. Ein markantes Dekorfries in der Keh-
le des Dachgesimses sowie die Auflockerung der Dächer mit Dreieckgiebeln bzw. Gau-
pen mit Ovalfenstern verleihen den Gebäuden eine fast schon biedermeierliche Wohn-
lichkeit. (Abb. 16)
Zurückhaltende Eleganz strahlten indessen die fahrKartenschalter aus, die Rolf eben-
falls für die Wiener Verkehrsbetriebe entwarf und zum Teil auch realisierte, die heute al-
lerdings nicht mehr existieren. Zwar finden sich teilweise noch immer die beliebten Putz-
rillen, aber statt einer ornamentalen Verzierung griff Rolf bei diesen Entwürfen die Idee
Adolf Loos’ auf, Dekor durch kostbare Materialien zu ersetzen. Er wählte weiß geäder-
ten, schwarzen Marmor zur Nobilitierung dieser kleinen Gebäude, womit sie im Stadt-
bild weithin sichtbare Elemente großstädtischer Eleganz verkörperten. (Abb. 17)
Bei einem Entwurf für eine haltestelle der wiener VerKehrsBetrieBe griff Rolf hinge-
gen bei den Fenstern wieder das Motiv der ornamentalen Umrahmungen auf. Bemer-
kenswert ist die secessionistische Abstraktion des Laubes bei der Darstellung der Bäu-
me im Hintergrund. (Abb. 18)
Die wartehalle station handelsKai in Wien für die k. k. priv. Kaiser Ferdinands-Nord-
bahn entwarf Rolf hingegen in schlichter Modernität. Kennzeichnend dafür ist, dass der
junge Architekt auf dekorative Elemente nunmehr gänzlich verzichtet, aber eine variati-
16 Beamtenwohnhaus
Koppreitergasse, nach
der Fertigstellung
Rolf Geyling (1884-1952)
Architekt zwischen Kriegen und Kontinenten
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Rolf Geyling (1884-1952)
- Untertitel
- Architekt zwischen Kriegen und Kontinenten
- Autor
- Inge Scheidl
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79585-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 292
- Schlagwörter
- Architektur, Historismus, Jugendstil, Neue Sachlichkeit, Erster Weltkrieg, Ostfront, Kriegsgefangenschaft, Sibirien, China, Tianjin
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- Revolte und Reife 8
- Eine Künstlerfamilie 9
- Zwischen Abenteuer und Architektur 15
- Mädy 35
- Mobilisierung und Krieg 41
- Der Weg an die Ostfront 41
- Die Schlacht von Lemberg 48
- »Durch Landesbewohner verraten« 59
- Die Sanoffensive 62
- Schlacht bei Krakau 65
- Kriegsalltag in der k. u. k. Armee 67
- Die »Angriffshast« der Infanterie 68
- Warten auf Befehle 70
- Bewegungskrieg in Nässe und Schlamm 74
- Schlacht bei Limanowa-Lapanow 78
- Die Schlacht von Tarnow-Gorlice 81
- Kriegsgefangenschaft 91
- Berichte zwischen Verklärung und Traumabewältigung 91
- »Kriegsordnung« und Kriegsgefangenenrealität 94
- Die Jahre in Sibirien 96
- Der Transport in die Lager 96
- Dauria 115
- Architekturentwürfe in der Gefangenschaft 139
- Zwischen den Fronten der »Weißen« und »Roten« Garde 149
- Antipicha – Perwaja-Rjetschka – Wladiwostok 159
- China 173
- Ankunft 173
- Dies ist ja eine Übergangszeit 182
- Aufträge und Rückschläge 189
- Das architektonische Werk 199
- Städtebauliche Planungen 203
- Öffentliche Gebäude und Geschäftsbauten 204
- Villen 214
- Miethäuser 221
- Gesellschaftliches Leben gibt es hier genug 224
- Wir leben recht abgeschlossen für uns 230
- Sehnsucht nach Österreich 238
- Ewige Ungewissheit 247
- Lao Gai Lin 257
- Epilog 265
- Literatur 269
- Bildnachweis 272
- Farbteil 273