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Die Schlacht von Tarnow-Gorlice 083
Laut einer amtlichen Verlautbarung kommentierte der Stellvertreter des Chefs des
Generalstabes, Feldmarschallleutnant v. Hoefer, dieses bedeutende Ereignis am 4. Mai
1915 mit den Worten: »In treuer Waffenbrüderschaft haben Deutschlands und Öster-
reich-Ungarns verbündete Truppen einen neuen Sieg erfochten. Die seit dem Rückzug
der Russen nach unserer siegreichen Schlacht bei Limanowa in Westgalizien haltende
befestigte feindliche Front zwischen Weichsel und dem Karpathenhauptkamm wurde in
ihrer ganzen Ausdehnung erobert. In Fortsetzung des Angriffs haben die österreichisch-
ungarischen und die deutschen Streitkräfte auch gestern an der ganzen Front unter den
Augen des Armeeoberkommandanten Feldmarschalls Erzherzog Friedrich neue Erfolge
erkämpft, sind unaufhaltsam weiter nach Osten vorgedrungen und haben starke russi-
sche Kräfte erneut zum schleunigen Rückzug gezwungen.
Die Bedeutung des Gesamterfolges läßt sich noch nicht annähernd übersehen. Die
Zahl der bisherigen Gefangenen ist auf über 30. 000 Mann gestiegen und nimmt stünd-
lich zu. In den zahlreichen eroberten russischen Stellungen wurde eine Unmenge Kriegs-
material erbeutet: 22 Geschütze und 64 Maschinengewehre sind bei der ersten Beute.«14
Nicht ohne Häme wurde in der Frankfurter Zeitung vom 4. Mai 1915 berichtet: »Unter
den gefangenen Kosakenoffizieren wurden Analphabeten festgestellt, welche merkwür-
dige Tatsache in einem ausdrücklichen Vermerk in den Personalpapieren dieser Offizie-
re ihre Bestätigung fand.«
Die eigenen Verluste wurden in den zeitgenössischen Berichten demgegenüber
kaum kommentiert. Erst später stellte sich heraus, dass bei der Schlacht von Tarnow-
Gorlice aufgrund der hohen Zahl an Gefallenen, Verwundeten und Vermissten fast 80
Prozent der Kampfkraft der eingesetzten österreichisch-ungarischen Truppen vernich-
tet wurden, wobei der Verlust an Offizieren besonders hoch war.
Letztlich verdankt sich der teuer erkaufte Erfolg einem Überraschungsmoment, das
dem deutschen General v. Mackensen unter Einsatz der neu gebildeten 11. Armee und
eines österreichisch-ungarischen Armeekorps gelang. Mackensen führte zunächst vier
deutsche Infanteriedivisionen nahe an die russischen Linien heran, ohne dass die Rus-
sen dies bemerkten. Am 2. Mai 1915 um 6 Uhr in der Früh wurde sodann der Angriff auf
die völlig überraschten Gegner mit einem gewaltigen Feuerschlag der Artillerie eröffnet.
Die militärhistorische Forschung hat gezeigt, dass der Kern dieses Plans, der unter
dem Kommando v. Mackensens erfolgreich durchgeführt wurde, sogar vom österreichi-
schen Generalstabschef Conrad v. Hötzendorf stammt. Die deutschen obersten Strate-
gen Generalfeldmarschall Paul Hindenburg und Generalmajor Erich Ludendorff hatten
14 Amtliche Kriegs-Depeschen. Nach Berichten des Wolff´schen Telegr.-Bureaus.. 2. Band, 1. Feb-
ruar 1915 bis 31. Juli 1915
Rolf Geyling (1884-1952)
Architekt zwischen Kriegen und Kontinenten
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Rolf Geyling (1884-1952)
- Untertitel
- Architekt zwischen Kriegen und Kontinenten
- Autor
- Inge Scheidl
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79585-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 292
- Schlagwörter
- Architektur, Historismus, Jugendstil, Neue Sachlichkeit, Erster Weltkrieg, Ostfront, Kriegsgefangenschaft, Sibirien, China, Tianjin
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- Revolte und Reife 8
- Eine Künstlerfamilie 9
- Zwischen Abenteuer und Architektur 15
- Mädy 35
- Mobilisierung und Krieg 41
- Der Weg an die Ostfront 41
- Die Schlacht von Lemberg 48
- »Durch Landesbewohner verraten« 59
- Die Sanoffensive 62
- Schlacht bei Krakau 65
- Kriegsalltag in der k. u. k. Armee 67
- Die »Angriffshast« der Infanterie 68
- Warten auf Befehle 70
- Bewegungskrieg in Nässe und Schlamm 74
- Schlacht bei Limanowa-Lapanow 78
- Die Schlacht von Tarnow-Gorlice 81
- Kriegsgefangenschaft 91
- Berichte zwischen Verklärung und Traumabewältigung 91
- »Kriegsordnung« und Kriegsgefangenenrealität 94
- Die Jahre in Sibirien 96
- Der Transport in die Lager 96
- Dauria 115
- Architekturentwürfe in der Gefangenschaft 139
- Zwischen den Fronten der »Weißen« und »Roten« Garde 149
- Antipicha – Perwaja-Rjetschka – Wladiwostok 159
- China 173
- Ankunft 173
- Dies ist ja eine Übergangszeit 182
- Aufträge und Rückschläge 189
- Das architektonische Werk 199
- Städtebauliche Planungen 203
- Öffentliche Gebäude und Geschäftsbauten 204
- Villen 214
- Miethäuser 221
- Gesellschaftliches Leben gibt es hier genug 224
- Wir leben recht abgeschlossen für uns 230
- Sehnsucht nach Österreich 238
- Ewige Ungewissheit 247
- Lao Gai Lin 257
- Epilog 265
- Literatur 269
- Bildnachweis 272
- Farbteil 273