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Die Jahre in Sibirien 097
Rolf schildert die ersten Tage seiner Gefangenschaft wie folgt:
3. Juni 1915 11 Fähnriche, 5 Offiziere in einer Scheune übernachtet. Zdiary. Russen soweit
anständig. 4h weitergeführt nachdem jeder Offizier einzeln verhört bei einem Fähnrich.
Abends in Ordinacky in Scheune und Hof ohne Essen; nachdem uns Alles, Aparate etc.
abgenommen wurde.
Wie ein Brief vom 18. Dezember 1915 zeigt, rechnete Rolf allerdings damit, dass das be-
schlagnahmte Eigentum an seine Familie geschickt würde. In diesem Brief fragt er näm-
lich seine Mutter, ob »mein Handkoffer voll, mein Rucksack mit Gebrauchsgegenstän-
den, mein Schlafsack mit zwei Decken, mein Revolver und mein komplettes Sattelzeug
mit Packtaschen voll und der Pferdedecke« angekommen sei.
4. Juni 11h ab Ordinacky ohne Essen. Längerer Marsch. Kosakenbewachung ( Peitsche ge-
schlagen Dr. Geinder ! ) Unterwegs Bad. Abend in Janow, das Strafhaus, wo kürzlich Epi-
demie. Beschwerde, endlich in ein Privathaus, aber ohne Diener.
5. Juni Mittags ab; marschieren bis Frampol. Dort 1 R 50 erhalten. Einquartiert 9 Offizie-
re in einem Haus am Ring.
6. Juni 6 Uhr früh Abmarsch. Starker Marsch, gegen 30 km. Überall werden von Landbe-
völkerung Aufnahmestellungen und Verhaue gemacht. [ … ] Leutnant i. R. Berger Flucht-
versuch abend, mißglückt, unsere Lage sehr verschlechtert, Wache.
7. Juni Abmarsch zirka 8h Früh, je 5 Offiziere auf einem Wagen, schärfere Bewachung.
Mittags Jozefow. In einem Hause ohne Stroh, ohne Diener untergebracht. 75 Kopeken
erhalten.
8. Juni Gegen Mittag Abmarsch je 5 Offiziere auf einem Wagen. Langer, sehr staubi-
ger Weg. Bei Sonnenuntergang an Tomaschow. Quartier in der Kaserne, etwas verlaus-
tes Stroh. Armeekommando soll eben abmarschieren [ … ] scheint also den Russen nicht
sehr gut zu gehen.
9. Juni Ganzer Tag in Tomaschow. Erstes mal Mittagessen. Wieder ein Verhör. 1 R 50 er-
halten. Nacht wieder in der verlausten Kaserne. Wache will uns nicht mal aus dem Zim-
mer lassen, bis Kommandant kommt bessert sich.
Rolf Geyling (1884-1952)
Architekt zwischen Kriegen und Kontinenten
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Rolf Geyling (1884-1952)
- Untertitel
- Architekt zwischen Kriegen und Kontinenten
- Autor
- Inge Scheidl
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79585-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 292
- Schlagwörter
- Architektur, Historismus, Jugendstil, Neue Sachlichkeit, Erster Weltkrieg, Ostfront, Kriegsgefangenschaft, Sibirien, China, Tianjin
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- Revolte und Reife 8
- Eine Künstlerfamilie 9
- Zwischen Abenteuer und Architektur 15
- Mädy 35
- Mobilisierung und Krieg 41
- Der Weg an die Ostfront 41
- Die Schlacht von Lemberg 48
- »Durch Landesbewohner verraten« 59
- Die Sanoffensive 62
- Schlacht bei Krakau 65
- Kriegsalltag in der k. u. k. Armee 67
- Die »Angriffshast« der Infanterie 68
- Warten auf Befehle 70
- Bewegungskrieg in Nässe und Schlamm 74
- Schlacht bei Limanowa-Lapanow 78
- Die Schlacht von Tarnow-Gorlice 81
- Kriegsgefangenschaft 91
- Berichte zwischen Verklärung und Traumabewältigung 91
- »Kriegsordnung« und Kriegsgefangenenrealität 94
- Die Jahre in Sibirien 96
- Der Transport in die Lager 96
- Dauria 115
- Architekturentwürfe in der Gefangenschaft 139
- Zwischen den Fronten der »Weißen« und »Roten« Garde 149
- Antipicha – Perwaja-Rjetschka – Wladiwostok 159
- China 173
- Ankunft 173
- Dies ist ja eine Übergangszeit 182
- Aufträge und Rückschläge 189
- Das architektonische Werk 199
- Städtebauliche Planungen 203
- Öffentliche Gebäude und Geschäftsbauten 204
- Villen 214
- Miethäuser 221
- Gesellschaftliches Leben gibt es hier genug 224
- Wir leben recht abgeschlossen für uns 230
- Sehnsucht nach Österreich 238
- Ewige Ungewissheit 247
- Lao Gai Lin 257
- Epilog 265
- Literatur 269
- Bildnachweis 272
- Farbteil 273