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Kriegsgefangenschaft 112
lose Züge mit Flüchtlingen aus Wolhynien20, wo zuerst die Deutschen und dann alle Be-
völkerung abtransportiert wurden.
15. Okt. 7h früh sind wir in einer größeren Station, man will uns kaum Wasser holen las-
sen, so eilig. Aber wir bleiben immer länger stehen. Schließlich gehen ganze Gruppen
in die Stadt einkaufen und Patrouillen müssen sie einholen. Stationen voll Soldaten und
Flüchtlingen. Furchtbar verschweint. Abend stehen wir noch in dieser Station. 1 R. 50 er-
halten ! Abdulino.
16. Okt. Nach mitternacht Abfahrt Abdulino. Gegen 11h v.m. an Reawka, dort stehen wir
den ganzen Tag und gegen 6h n.m. können wir im Restaurant III. Klasse essen gehen. In
unserem Zug sind bisher schon 15 Kinder von Flüchtlingen gestorben und heute wur-
de hier bei der Ankunft auch die Leiche eines österreichischen Soldaten auswagoni-
ert. Die Flüchtlinge bekommen kein Geld und nichts zu essen, dazu im Viehwagen oder
in ihren Bauernwagen auf offenen Lowis bei zirka 5 Grad Kälte, und die Kinder laufen
halb nackt herum und betteln uns an. Schauerliche Zustände; Stationen furchtbar ver-
schweint und verstunken.
18. Okt. Morgens sind wir plötzlich mitten im Winter. Schnee, ganz schöne bergige Land-
schaft. Abends treffen wir in einem entgegenkommenden Zug arme verstümmelte Sol-
daten die ausgetauscht werden sollen. Wir sollen nach Krasnojarsk [ in Sibirien ] kommen,
wo großes Offizierslager aber kürzlich auch Tyfus war. Abend sind wir nahe der asiati-
schen Grenze angelangt.
19. Okt. Mittags an Tschieliabinsk [ = Chelyabinsk
]. Wir sollen hier Mittagessen und war-
ten im Wagon bis 7h abends ohne daß das Essen kommt, endlich fahren wir weiter und
die ganze Nacht sehr rasch. Wir hatte bisher IV. Klasse Wagons nun wurden wir zirka 20
Offiziere und je zirka 15 Mannschafts[ … ? ] in je einen Viehwagen gepfercht, Holz zum
Heizen müßen wir stehlen !
20 Ein Gebiet zwischen Bug und Kiew. Im 19. Jahrhundert wurde hier massiv mit der Ansiedlung
von Deutschen begonnen. Im Laufe des Ersten Weltkrieges wurde die auf rund 240. 000 Per-
sonen angewachsene deutschstämmige Bevölkerung dann allerdings zwangsausgesiedelt und
der Großteil nach Sibirien deportiert.
Rolf Geyling (1884-1952)
Architekt zwischen Kriegen und Kontinenten
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Rolf Geyling (1884-1952)
- Untertitel
- Architekt zwischen Kriegen und Kontinenten
- Autor
- Inge Scheidl
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79585-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 292
- Schlagwörter
- Architektur, Historismus, Jugendstil, Neue Sachlichkeit, Erster Weltkrieg, Ostfront, Kriegsgefangenschaft, Sibirien, China, Tianjin
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- Revolte und Reife 8
- Eine Künstlerfamilie 9
- Zwischen Abenteuer und Architektur 15
- Mädy 35
- Mobilisierung und Krieg 41
- Der Weg an die Ostfront 41
- Die Schlacht von Lemberg 48
- »Durch Landesbewohner verraten« 59
- Die Sanoffensive 62
- Schlacht bei Krakau 65
- Kriegsalltag in der k. u. k. Armee 67
- Die »Angriffshast« der Infanterie 68
- Warten auf Befehle 70
- Bewegungskrieg in Nässe und Schlamm 74
- Schlacht bei Limanowa-Lapanow 78
- Die Schlacht von Tarnow-Gorlice 81
- Kriegsgefangenschaft 91
- Berichte zwischen Verklärung und Traumabewältigung 91
- »Kriegsordnung« und Kriegsgefangenenrealität 94
- Die Jahre in Sibirien 96
- Der Transport in die Lager 96
- Dauria 115
- Architekturentwürfe in der Gefangenschaft 139
- Zwischen den Fronten der »Weißen« und »Roten« Garde 149
- Antipicha – Perwaja-Rjetschka – Wladiwostok 159
- China 173
- Ankunft 173
- Dies ist ja eine Übergangszeit 182
- Aufträge und Rückschläge 189
- Das architektonische Werk 199
- Städtebauliche Planungen 203
- Öffentliche Gebäude und Geschäftsbauten 204
- Villen 214
- Miethäuser 221
- Gesellschaftliches Leben gibt es hier genug 224
- Wir leben recht abgeschlossen für uns 230
- Sehnsucht nach Österreich 238
- Ewige Ungewissheit 247
- Lao Gai Lin 257
- Epilog 265
- Literatur 269
- Bildnachweis 272
- Farbteil 273