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Die Jahre in Sibirien 133
gung. Hier muĂ man ĂŒberall von auĂen auf die DĂ€cher steigen, aber keine Leiter hier.
Endlich werden Pumpe und Leitern gebracht, spÀter kommt auch Wasser, das in FÀs-
sern auf Schlitten zugefĂŒhrt werden muĂ. Bis Mittag ist der Brand im GroĂen gelöscht,
raucht und glimmt nur noch zwei Tage. Decken und WĂ€nde sind voll vereistem Wasser,
das groĂe Loch in der Decke wird mit Kistendeckeln belegt. Dach ganz offen, so mĂŒ-
Ăen wir bei 40 Grad KĂ€lte bleiben. Die Russen kĂŒmmern sich nicht darum, wohl aber su-
chen sie den Mann, der eingeheizt hat, und wollen ihn und auch den Àltesten Offizier
des Hauses einsperrenâ !
Den Platz um unsere HÀuser hat man umzÀunt mit zwei DrÀhten, zweimal schon
sind russische Ordonanzreiter hinein galopiert, der letzte war nicht zur Besinnung zu
bringen. Man schikaniert uns nach Möglichkeit, tÀglich andere Bestimmungen, wo und
wann man spazieren gehen kann, aber immer widersprechende Befehle. Und wenn der
Arrest unserer Offiziere wieder Platz bekommt ist sogleich wieder Gelegenheit gefun-
den um ihn auszufĂŒllen. Die Anordnungen und das Gehabe der Russen wĂ€re wohl recht
lustig zu beobachten, wenn man den Humor aufbringen kann sich darĂŒber zu freuen.
Die schwedische Rote Kreuz-Kommission arbeitet im Saal, auch dabei gibt es viele Vor-
fĂ€lle und die Russen sehen mit Ărger, daĂ sie sich gerne in unsere Gesellschaft begeben,
aber auch dabei muĂ immer ein russischer Starschi sein. SchlieĂlich wird es den schwe-
dischen Herren auch ganz verboten.
19. MĂ€rz Endlich ist Nachricht von zuhause gekommen, ein Brief von MĂ€di und gleichzei-
tig einer von Mutter. Gottlob ist alles so weit wenigst wohl. Nur meine arme GroĂmutter
ist gestorben. HĂ€tte sie so gerne nochmals gesehen.
23. MĂ€rz Karte von Mutter und eine von Greta. Vor einigen Tagen war eine deutsche rote
Kreuz Schwester hier (â
GrĂ€fin IxkĂŒhl31â
). Die hÀufigen Besuche der letzten Zeit haben das
Gute, daà bedeutend mehr Ordnung ist, plötzlich vieles gereinigt wird, Aborte und Mist-
gruben, die schon lĂ€ngst in HĂŒgel verwandelt waren wurden endlich weggerĂ€umt. Auch
schikaniert man uns nicht. Gestern wurden sogar eine Unzahl von Paketen endlich aus-
gegeben und auch zweimal wurden schon Geldsendungen ausgezahltâ !
28. MĂ€rz Es heiĂt der gröĂte Teil der Mannschaft soll abtransportiert werden, wohl auf
Feldarbeit nach europ. Russland. Viele Leute kommen bitten man möge ihnen Geld vor-
strecken auf ihre Sendungen die unterwegs sind. Viele Offiziere ĂŒbernehmen einige, ich
31 GrĂ€fin ĂxhĂŒll war Oberin des Deutschen Roten Kreuzes. Sie arbeitete teilweise mit Elsa BrĂ€nd-
ström zusammen.
Rolf Geyling (1884-1952)
Architekt zwischen Kriegen und Kontinenten
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Rolf Geyling (1884-1952)
- Untertitel
- Architekt zwischen Kriegen und Kontinenten
- Autor
- Inge Scheidl
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79585-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 292
- Schlagwörter
- Architektur, Historismus, Jugendstil, Neue Sachlichkeit, Erster Weltkrieg, Ostfront, Kriegsgefangenschaft, Sibirien, China, Tianjin
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- Revolte und Reife 8
- Eine KĂŒnstlerfamilie 9
- Zwischen Abenteuer und Architektur 15
- MĂ€dy 35
- Mobilisierung und Krieg 41
- Der Weg an die Ostfront 41
- Die Schlacht von Lemberg 48
- »Durch Landesbewohner verraten« 59
- Die Sanoffensive 62
- Schlacht bei Krakau 65
- Kriegsalltag in der k. u. k. Armee 67
- Die »Angriffshast« der Infanterie 68
- Warten auf Befehle 70
- Bewegungskrieg in NĂ€sse und Schlamm 74
- Schlacht bei Limanowa-Lapanow 78
- Die Schlacht von Tarnow-Gorlice 81
- Kriegsgefangenschaft 91
- Berichte zwischen VerklÀrung und TraumabewÀltigung 91
- »Kriegsordnung« und KriegsgefangenenrealitÀt 94
- Die Jahre in Sibirien 96
- Der Transport in die Lager 96
- Dauria 115
- ArchitekturentwĂŒrfe in der Gefangenschaft 139
- Zwischen den Fronten der »WeiĂen« und »Roten« Garde 149
- Antipicha â Perwaja-Rjetschka â Wladiwostok 159
- China 173
- Ankunft 173
- Dies ist ja eine Ăbergangszeit 182
- AuftrĂ€ge und RĂŒckschlĂ€ge 189
- Das architektonische Werk 199
- StÀdtebauliche Planungen 203
- Ăffentliche GebĂ€ude und GeschĂ€ftsbauten 204
- Villen 214
- MiethÀuser 221
- Gesellschaftliches Leben gibt es hier genug 224
- Wir leben recht abgeschlossen fĂŒr uns 230
- Sehnsucht nach Ăsterreich 238
- Ewige Ungewissheit 247
- Lao Gai Lin 257
- Epilog 265
- Literatur 269
- Bildnachweis 272
- Farbteil 273