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Rolf Geyling (1884-1952) - Architekt zwischen Kriegen und Kontinenten
Seite - 146 -
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Kriegsgefangenschaft 146 Ein anderes Denkmal, das Rolf als Gedächtnisstätte für Kaiser franZ Josef entwor- fen hat, zeigt einmal mehr seine Vorliebe, gotisches Vokabular frei modifiziert zu erpro- ben. Der Entwurf sieht einen mächtigen Zentralbau vor, und um die gigantischen Di- mensionen zu veranschaulichen, zeichnet Rolf sogar einen Betrachter daneben, was er in keinem der sonstigen Entwürfe für nötig hielt. Der Baukörper scheint ganz in große Spitzbogenfenster mit modernisiertem Maßwerk aufgelöst. Interessant ist, dass Rolf in einer daneben flüchtig hingeworfenen Skizze ein Detail eines gotischen Gebäudes an- deutet, mit dem er seine genaue Kenntnis der mittelalterlichen Bauweise dokumentiert. Als Eklektiker erweist sich Rolf hingegen wieder in der – der Gotik widersprechenden – Überkuppelung des Gebäudes mit ziseliert aufgelösten Verstrebungen. (  Farbabb. 18  ) Auch in einer Reihe weiterer Denkmalentwürfe zeigt sich Rolfs Vielseitigkeit sowohl in stilistischer als auch konstruktiver Hinsicht. Noch in der Gefangenschaft konnte Rolf tat- sächlich ein Kriegerdenkmal ausführen, obwohl sich die Ehrung nicht auf den Kaiser und nicht mehr allein auf die Truppen der Monarchie beziehen sollte, wie sich noch zeigen wird. Besonders intensiv befasste sich Rolf in jener Zeit mit Entwürfen für Wohnhäuser, wenngleich er in den wenigsten Fällen auch Grundrisse ausarbeitete. Zum Teil waren diese Projekte fiktiven Auftraggebern zugedacht, zum Teil fertigte er aber auch konkre- te Entwürfe etwa für ein »Beamtenwohnhaus« oder für Kameraden an. Auf diese Weise projektierte Rolf während seiner Gefangenschaft kleinere Villen ebenso wie herrschaftli- che Landhäuser, wobei er fast ausnahmslos einen Bauplatz außerhalb der Stadt annahm. Dadurch entzog er sich der Verpflichtung, gestalterisch auf schon bestehende Bauten Rücksicht zu nehmen, und die Aufgabe, die er sich stellte, zielte stattdessen darauf ab, die Gebäude in eine scheinbar unberührte Landschaft zu integrieren, ohne als stören- de Fremdkörper zu wirken. Diese Vorgangsweise entsprach einer durchaus programma- tischen Forderung, die etwa auch für Architekten wie Alfred Loos und Josef Hoffmann charakteristisch war, wenn sie Villen außerhalb der Stadt errichteten. Im ästhetischen Kanon des frühen 20. Jahrhunderts wurde die Harmonie mit der umgebenden Naturlandschaft etwa dadurch gewährleistet, dass die Gebäude auf Hau- steinsockeln ruhten, mit Fensterläden sowie steilen Gaupendächern versehen waren und Holzschnitzwerk, Holzverkleidungen bzw. Bestandteile aus dem Fachwerkbau in die Fas- sadengestaltung aufgenommen wurden. Insgesamt wurden diese Elemente unter der Bezeichnung »Heimatstil« subsumiert. Mithilfe pittoresker Ausdrucksmittel wurde den Gebäuden jener Habitus verliehen, der letztlich mit »Naturnähe« und in weiterem Sinn sogar mit »Geborgenheit« gleichgesetzt worden war. Damit konnte das Malerische auch jener Entfremdung entgegengesetzt werden, die die Industrialisierung samt ihren ge- sellschaftpolitischen Umbrüchen hervorrief, sodass die malerisch-pittoreske Gestaltungs- weise schließlich sogar in der Großstadt selbst Einzug hielt.
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Rolf Geyling (1884-1952) Architekt zwischen Kriegen und Kontinenten
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Rolf Geyling (1884-1952)
Untertitel
Architekt zwischen Kriegen und Kontinenten
Autor
Inge Scheidl
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2014
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-79585-8
Abmessungen
17.0 x 24.0 cm
Seiten
292
Schlagwörter
Architektur, Historismus, Jugendstil, Neue Sachlichkeit, Erster Weltkrieg, Ostfront, Kriegsgefangenschaft, Sibirien, China, Tianjin
Kategorie
Biographien

Inhaltsverzeichnis

  1. Revolte und Reife 8
  2. Eine Künstlerfamilie 9
  3. Zwischen Abenteuer und Architektur 15
  4. Mädy 35
  5. Mobilisierung und Krieg 41
  6. Der Weg an die Ostfront 41
  7. Die Schlacht von Lemberg 48
  8. »Durch Landesbewohner verraten« 59
  9. Die Sanoffensive 62
  10. Schlacht bei Krakau 65
  11. Kriegsalltag in der k. u. k. Armee 67
  12. Die »Angriffshast« der Infanterie 68
  13. Warten auf Befehle 70
  14. Bewegungskrieg in Nässe und Schlamm 74
  15. Schlacht bei Limanowa-Lapanow 78
  16. Die Schlacht von Tarnow-Gorlice 81
  17. Kriegsgefangenschaft 91
  18. Berichte zwischen Verklärung und Traumabewältigung 91
  19. »Kriegsordnung« und Kriegsgefangenenrealität 94
  20. Die Jahre in Sibirien 96
  21. Der Transport in die Lager 96
  22. Dauria 115
  23. Architekturentwürfe in der Gefangenschaft 139
  24. Zwischen den Fronten der »Weißen« und »Roten« Garde 149
  25. Antipicha – Perwaja-Rjetschka – Wladiwostok 159
  26. China 173
  27. Ankunft 173
  28. Dies ist ja eine Übergangszeit 182
  29. Aufträge und Rückschläge 189
  30. Das architektonische Werk 199
  31. Städtebauliche Planungen 203
  32. Öffentliche Gebäude und Geschäftsbauten 204
  33. Villen 214
  34. Miethäuser 221
  35. Gesellschaftliches Leben gibt es hier genug 224
  36. Wir leben recht abgeschlossen für uns 230
  37. Sehnsucht nach Österreich 238
  38. Ewige Ungewissheit 247
  39. Lao Gai Lin 257
  40. Epilog 265
  41. Literatur 269
  42. Bildnachweis 272
  43. Farbteil 273
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