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Kriegsgefangenschaft 148
Das landhaus »sZ« – Steiermark – ist mit einem rundumlaufenden Balkon und wie-
derum mit gedrechselten Stützen ausgestattet. Das hochgezogene Dach umfängt einen
mit Holz getäfelten Giebel und einen weiteren Balkon. Der Grundriss mit Herren-, Spei-
se- und Wohnzimmer lässt vermuten, dass Rolf ein großbürgerliches Landhaus entworfen
hat, obwohl das Gebäude eher in der Art eines Forsthauses mitten in einem hohen Na-
delwald situiert erscheint. Interessant bei diesem Haus ist die extreme »Froschperspekti-
ve«, die Rolf bei dieser Skizze wählte und die zweifelsfrei die Einflüsse seiner letzten Aus-
bildungsjahre an der Akademie der bildenden Künste erkennen lässt, war dies doch eine
beliebte Darstellungsweise der gesamten Wagner-Schule. ( Farbabb. 20 ) Während Rolf
bei kleineren Wohnhäusern gern abschüssige Baugründe annimmt – wohl um die Lage
in der Natur augenscheinlich zu machen –, situierte er größere Landhäuser, die eher in
der Nähe der Stadt gedacht waren, zumeist auf ebenen Bauplätzen. Die Objekte strah-
len größere Repräsentanz aus und lassen auch modernere Formulierungen erkennen,
wie etwa das wohnhaus »G«, eines der wenigen Häuser, bei denen Rolf auch Grundrisse
ausarbeitete. Die trapezförmige Gebäudefläche und das angebaute Musikzimmer könn-
ten darauf hinweisen, dass Rolf einen konkreten Baugrund vor Augen hatte oder dass
es sich um den Ausbau eines bereits bestehenden Anwesens handelt. Der an einer Ecke
eingefügte Hauseingang und die nahe aneinandergerückten Fenster im darüberliegen-
den Geschoß sind das Ergebnis von Rolfs erwähnten Variationen über Gebäude-Ecklö-
sungen. Die ornamentale Versprossung in der Oberlichte des Eingangs kontrastiert Rolf
mit großen, orthogonal unterteilten Fenster in den sonstigen Mauerflächen. (Abb. 69)
Ein »Gartenwohnhaus«, dessen Situierung
Rolf »in der Umgebung Wiens« annahm, zeigt
hingegen eher den Habitus eines kleinen Schlöss-
chens. Mit seinen märchenhaften Attributen wie
einem Rundturm, einem durchfensterten Erker, ei-
ner geschwungenen Treppe und nicht zuletzt dem
ausgeklügelten Pflanzenbewuchs versinnbildlicht
es indessen um nichts weniger als die kleineren
Villen die Sehnsucht nach der »heilen Welt« der
Vorkriegsjahre. ( Farbabb. 21 )
Nur selten variierte Rolf mehrstöcKiGe GeBäu-
de. Gerne besetzte er diese Bauten mit Reiter-
standbildern, Halbfiguren oder hoch aufgerichte-
ten Figuren in Firsthöhe, wie dies etwa bei der
Wiener Postsparkasse seines Lehrers Otto Wag-
ner zu beobachten war. Rolf selbst hatte schon vor 69 Wohnhaus »G«
Rolf Geyling (1884-1952)
Architekt zwischen Kriegen und Kontinenten
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Rolf Geyling (1884-1952)
- Untertitel
- Architekt zwischen Kriegen und Kontinenten
- Autor
- Inge Scheidl
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79585-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 292
- Schlagwörter
- Architektur, Historismus, Jugendstil, Neue Sachlichkeit, Erster Weltkrieg, Ostfront, Kriegsgefangenschaft, Sibirien, China, Tianjin
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- Revolte und Reife 8
- Eine Künstlerfamilie 9
- Zwischen Abenteuer und Architektur 15
- Mädy 35
- Mobilisierung und Krieg 41
- Der Weg an die Ostfront 41
- Die Schlacht von Lemberg 48
- »Durch Landesbewohner verraten« 59
- Die Sanoffensive 62
- Schlacht bei Krakau 65
- Kriegsalltag in der k. u. k. Armee 67
- Die »Angriffshast« der Infanterie 68
- Warten auf Befehle 70
- Bewegungskrieg in Nässe und Schlamm 74
- Schlacht bei Limanowa-Lapanow 78
- Die Schlacht von Tarnow-Gorlice 81
- Kriegsgefangenschaft 91
- Berichte zwischen Verklärung und Traumabewältigung 91
- »Kriegsordnung« und Kriegsgefangenenrealität 94
- Die Jahre in Sibirien 96
- Der Transport in die Lager 96
- Dauria 115
- Architekturentwürfe in der Gefangenschaft 139
- Zwischen den Fronten der »Weißen« und »Roten« Garde 149
- Antipicha – Perwaja-Rjetschka – Wladiwostok 159
- China 173
- Ankunft 173
- Dies ist ja eine Übergangszeit 182
- Aufträge und Rückschläge 189
- Das architektonische Werk 199
- Städtebauliche Planungen 203
- Öffentliche Gebäude und Geschäftsbauten 204
- Villen 214
- Miethäuser 221
- Gesellschaftliches Leben gibt es hier genug 224
- Wir leben recht abgeschlossen für uns 230
- Sehnsucht nach Österreich 238
- Ewige Ungewissheit 247
- Lao Gai Lin 257
- Epilog 265
- Literatur 269
- Bildnachweis 272
- Farbteil 273