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Kriegsgefangenschaft 150
de brauchbar wurden, auch Eiskeller von uns, haben es sich die russischen Offiziere ge-
nommen. Ich wohne jetzt in einem kleinen Zimmer mit Oblt. Siegl und Fähnrich Hübel
U. R. 11. – Bin Vorstand der Sportkommisson, 3 Tennisplätze angelegt. Ausschuß für Grab-
denkmale, zeichne alles nötige und Mühlegger führt es aus. Hochsommer, recht heiß,
aber bisher doch einige Regengüße. – Von Ernst ist die vierte Geldsendung (  je 100 Ru-
bel  ) in die Gefangenschaft angekommen und in zwei Raten ausbezahlt.
Anfang August Wir sind wieder in ein neues Stadium russischer Schikanen getreten. Der
Raum zum Spazierengehen wurde einigemale verändert bis er schließlich auf die Hälf-
te verkleinert war. – Alle halbwegs arbeitsfähige Mannschaft geht weg. Und da der rus-
sische Oberst eine zu hohe Meldung abgegeben haben soll und nicht bekennen wollte
wie viele hier mittlerweile gestorben sind so nahm er uns gestern alle Diener und Köche
weg und muĂźten diese noch am selben Abend mit einem Transport fort. Nun mĂĽĂźen
sich selbst die Stabsoffiziere alles selbst machen, kochen, aufräumen u.s.w. Es ist schänd-
lich aber den Russen scheint dies Spass zu machen. Wir haben einen besonderen Diener
(  Pischoff, Beamter der Depositenbank, Wien  ), er ist im Winter mit dem Todestransport
gekommen, der zu Âľ auf den Friedhof gekommen ist, hat Wechselfieber und Skorbut
ĂĽberstanden. Nun ist er ganz grau und kann noch sehr schlecht gehen, muĂź uns aber
bedienen. Die Russen wollten uns die Schwertuberkulosen aus dem Spital als Diener ge-
ben, wogegen aber die Ă„rzte protestiert haben.
Anfangs September In der Nacht vom 27.–28. August sind Lt. Wanner und Lt. Rotter ent-
flohen. [  …  ] Erst am zweiten Tag kamen die Russen, bei denen in der letzten Zeit große
Schlamperei eingerissen ist, darauf, daĂź auch Rotter fehlt. Peinlichste Durchsuchungen,
groĂźe Aufregung und viele Rachemassnahmen gegen uns. Spaziergang auf Stunden re-
duziert. Der Raum auf die Hälfte beschränkt (  Drahtzaum seit dem Frühjahr zum 4 Mal
umgesetzt, immer kleiner  ), so daß alle Spielplätze (  3 Tennisplätze, deren Anlage uns viel
gekostet haben, und auf denen vom 18. August ein Tournier ausgetragen wurde  ) ab-
geschnitten sind und der Zaun mitten durch die schönen Gemüsegärten, die viel Arbeit
und Geld gekostet gehen, die Gemüsegärten wurden von Mannschaft sofort ganz aus-
gerodet, angeblich damit man sich nicht verstecken kann. Jetzt ist nur mehr der Platz
zwischen den Häusern, Senkgruben, Aborten, Latrinen und Mistkisten zur Verfügung.
Strenge täglich zweimal Povarka [  Parade 
], der Trompeter gibt fort Signale die niemand
versteht. Auch alle Spielsachen und Instrumente sollen abgenommen werden. Die vor
Monaten abgenommen BĂĽcher und Lehrbehelfe sind meist noch nicht zurĂĽckgegeben.
Aber auch von unseren Kommandanten gehen viele Belästigungen aus. Die Herren Un-
garn sollten immer in einem Haus unter ungar. Kommando vereinigt werden, weil die
Rolf Geyling (1884-1952)
Architekt zwischen Kriegen und Kontinenten
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Rolf Geyling (1884-1952)
- Untertitel
- Architekt zwischen Kriegen und Kontinenten
- Autor
- Inge Scheidl
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79585-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 292
- Schlagwörter
- Architektur, Historismus, Jugendstil, Neue Sachlichkeit, Erster Weltkrieg, Ostfront, Kriegsgefangenschaft, Sibirien, China, Tianjin
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- Revolte und Reife 8
- Eine KĂĽnstlerfamilie 9
- Zwischen Abenteuer und Architektur 15
- Mädy 35
- Mobilisierung und Krieg 41
- Der Weg an die Ostfront 41
- Die Schlacht von Lemberg 48
- »Durch Landesbewohner verraten« 59
- Die Sanoffensive 62
- Schlacht bei Krakau 65
- Kriegsalltag in der k. u. k. Armee 67
- Die »Angriffshast« der Infanterie 68
- Warten auf Befehle 70
- Bewegungskrieg in Nässe und Schlamm 74
- Schlacht bei Limanowa-Lapanow 78
- Die Schlacht von Tarnow-Gorlice 81
- Kriegsgefangenschaft 91
- Berichte zwischen Verklärung und Traumabewältigung 91
- »Kriegsordnung« und Kriegsgefangenenrealität 94
- Die Jahre in Sibirien 96
- Der Transport in die Lager 96
- Dauria 115
- ArchitekturentwĂĽrfe in der Gefangenschaft 139
- Zwischen den Fronten der »Weißen« und »Roten« Garde 149
- Antipicha – Perwaja-Rjetschka – Wladiwostok 159
- China 173
- Ankunft 173
- Dies ist ja eine Ăśbergangszeit 182
- Aufträge und Rückschläge 189
- Das architektonische Werk 199
- Städtebauliche Planungen 203
- Öffentliche Gebäude und Geschäftsbauten 204
- Villen 214
- Miethäuser 221
- Gesellschaftliches Leben gibt es hier genug 224
- Wir leben recht abgeschlossen fĂĽr uns 230
- Sehnsucht nach Ă–sterreich 238
- Ewige Ungewissheit 247
- Lao Gai Lin 257
- Epilog 265
- Literatur 269
- Bildnachweis 272
- Farbteil 273