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Unternehmer wegen der Gediegenheit der ausgefĂĽhrten Arbeiten und Verlaesslichkeit
eingegangener Verpflichtungen oefters den Zuschlag bekommen. Durch seine Taetig-
keit und die Anerkennung welche er in Berufskreisen gefunden, hat Herr Geyling dem
oesterreichischem Ansehen im Auslande wichtige Dienste geleistet und der oesterrei-
chischen Industrie insoferne genuetzt, als seine Firma fuer die von ihr auszufuehrenden
Bauten, so viel als die Umstände es erlauben, oesterreichische Fabrikate fuer Baumate-
rialien, Baubeschlaege und Installationsmaterial importiert.«46
Nach der Rückkehr aus Europa erlebte Rolf eine große persönliche Enttäuschung,
und er stand wieder vor einem beruflichen Desaster. Denn er musste zur Kenntnis neh-
men, dass sein Vertrauen, das er in seinen Juniorpartner gesetzt hatte, während seiner
Abwesenheit grĂĽndlich missbraucht worden war. Skoff hatte Entscheidungen getroffen,
die nicht abgesprochen waren, und in einigen Fällen handelte er sogar gegen vorher
festgelegte Abmachungen. Die Reihe der Verfehlungen gipfelte schlieĂźlich in einer ei-
genmächtigen Erhöhung seiner eigenen Gage.
Diese völlig unvorhergesehene Wendung ist kaum nachvollziehbar. Es hatte sich
nämlich nicht nur auf geschäftlicher Basis zwischen Rolf und Skoff ein gutes Verhältnis
entwickelt. Sogar Hermine, die sich immer sehr kritisch über andere Personen äußer-
te, meinte, dass Skoff »ein sehr braver Mitarbeiter« sei, und die Ehepaare bzw. die Frau-
en pflegten auch private Kontakte, wenngleich Hermine ihre Vorbehalte hatte: »So klug
auch beide Skoff’s sind, so altmodisch und hausbacken sind sie wieder andererseits, ein
wunderliches Gemisch.« (  Brief an Rolfs Mutter, 29. Jänner 1925  ) Immerhin war das Ehe-
paar auch auf Bitten Rolfs zu Gast bei seiner Mutter, als die Skoffs eine Europareise an-
getreten hatten. Es stellt sich also die Frage, ob Rolf in Bezug auf seinen Juniorpartner
tatsächlich so wenig Menschenkenntnis bewies oder ob er aufgrund seines Konstrukts
des Angestelltenverhältnisses bereit war, nicht so genau hinzuschauen. Allerdings zeig-
te sich bereits in Rolfs Tagebuchaufzeichnungen während der Gefangenschaft, dass er
immer schon eher ein Einzelgänger war, und die schnelle Auflösung seines Vertrages
in seiner ersten Stellung bei der Firma Janesch & Schnell in Wien machte deutlich, dass
Rolf im Prinzip bereits damals seine berufliche Zukunft in der Selbstständigkeit sah.
Vielleicht war das auch der Grund, dass sich Rolf als Mitarbeiter seines Schwiegervaters
und Schwagers in Bukarest nie so recht wohlgefĂĽhlt hatte. Wie auch immer, Rolf war
zutiefst getroffen, und er wird nun – entgegen seinem in der Regel kontrollierten und
distanzierten Auftreten – in einem Brief an seine Schwester Greta am 12. April 1931 so-
gar ungewohnt emotional: »[ 
…  ] die Trennung ist mir nicht schwer gefallen, denn Skoff
ist ein eingefleischter Communist, aber nur beim Nehmen und nicht beim Geben. Sei-
46 Unveröffentlichtes Schreiben vom 11. 4. 1930 im Nachlass Rolf Geylings
Rolf Geyling (1884-1952)
Architekt zwischen Kriegen und Kontinenten
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Rolf Geyling (1884-1952)
- Untertitel
- Architekt zwischen Kriegen und Kontinenten
- Autor
- Inge Scheidl
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79585-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 292
- Schlagwörter
- Architektur, Historismus, Jugendstil, Neue Sachlichkeit, Erster Weltkrieg, Ostfront, Kriegsgefangenschaft, Sibirien, China, Tianjin
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- Revolte und Reife 8
- Eine KĂĽnstlerfamilie 9
- Zwischen Abenteuer und Architektur 15
- Mädy 35
- Mobilisierung und Krieg 41
- Der Weg an die Ostfront 41
- Die Schlacht von Lemberg 48
- »Durch Landesbewohner verraten« 59
- Die Sanoffensive 62
- Schlacht bei Krakau 65
- Kriegsalltag in der k. u. k. Armee 67
- Die »Angriffshast« der Infanterie 68
- Warten auf Befehle 70
- Bewegungskrieg in Nässe und Schlamm 74
- Schlacht bei Limanowa-Lapanow 78
- Die Schlacht von Tarnow-Gorlice 81
- Kriegsgefangenschaft 91
- Berichte zwischen Verklärung und Traumabewältigung 91
- »Kriegsordnung« und Kriegsgefangenenrealität 94
- Die Jahre in Sibirien 96
- Der Transport in die Lager 96
- Dauria 115
- ArchitekturentwĂĽrfe in der Gefangenschaft 139
- Zwischen den Fronten der »Weißen« und »Roten« Garde 149
- Antipicha – Perwaja-Rjetschka – Wladiwostok 159
- China 173
- Ankunft 173
- Dies ist ja eine Ăśbergangszeit 182
- Aufträge und Rückschläge 189
- Das architektonische Werk 199
- Städtebauliche Planungen 203
- Öffentliche Gebäude und Geschäftsbauten 204
- Villen 214
- Miethäuser 221
- Gesellschaftliches Leben gibt es hier genug 224
- Wir leben recht abgeschlossen fĂĽr uns 230
- Sehnsucht nach Ă–sterreich 238
- Ewige Ungewissheit 247
- Lao Gai Lin 257
- Epilog 265
- Literatur 269
- Bildnachweis 272
- Farbteil 273