Seite - 219 - in Rolf Geyling (1884-1952) - Architekt zwischen Kriegen und Kontinenten
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Das architektonische Werk 219
die Straßenseite erhielt über die gesamte Höhe einen zylindrischen, durchfensterten An-
bau – einen deutlichen Bezug zur Bauhausarchitektur. In diesem Sinn sind auch die glatten
Wände weiß gestrichen und der Baukörper mit einem flachen Dach versehen. (Abb. 102)
Gleichzeitig mit der Villa Jannings erbaute Rolf für Karl Schwender, Leiter der DEFAG
( Dte. Farben Handelsgesellschaft ), sowie für Hans Theuerkauf, Repräsentant der deut-
schen Handelsfirma Melchers & Co, zwei weitere repräsentative Villen.
Die Villa schwender und die Villa Theuerkauf sind sehr ähnlich konzipiert. Sie sind
eingeschoßig, und obgleich Rolf wiederum die kubische Form betont, nahm er doch
die rigide Strenge etwas zurück, indem er das wärmer wirkende Ziegelmaterial und –
allerdings sehr flache – Walmdächer vorsah. Wie bei der Villa Jannings stellen Terrassen
und Balkon einen Bezug zum umgebenden Garten her. Bei allen Villen sorgten große
Fenster für eine gute Belichtung der Innenräume. Von der Villa Schwender gibt es eine
Fotografie des Kamins, der beispielhaft die Bandbreite des innovativen Potenzials Rolfs
belegt. Während der Kamin des Hauses Wu Sung Ping mit der Zusammenstellung von
Ziegelmaterial und grob behauenen Steinen eine eher romantische Note erhielt, erfuhr
der Kamin im Haus Schwender durch die Verlegung flacher Ziegel im Zick-Zack-Muster
eine modern-expressive Formulierung. (Abb. 103 und 104)
Alle drei Villen für die deutschen Geschäftsmänner stellen auch aufschlussreiche
Zeugnisse für den weiteren Verlauf der Weltgeschichte dar: Nach der japanischen Ka-
pitulation am 9. September 1945 wurden von den Amerikanern die Villen von Jannings,
Schwender und Theuerkauf samt dem ganzen Mobiliar konfisziert und amerikanischen
Offizieren zur Verfügung gestellt.
102 Villa Jannings,
Tientsin
Rolf Geyling (1884-1952)
Architekt zwischen Kriegen und Kontinenten
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Rolf Geyling (1884-1952)
- Untertitel
- Architekt zwischen Kriegen und Kontinenten
- Autor
- Inge Scheidl
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79585-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 292
- Schlagwörter
- Architektur, Historismus, Jugendstil, Neue Sachlichkeit, Erster Weltkrieg, Ostfront, Kriegsgefangenschaft, Sibirien, China, Tianjin
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- Revolte und Reife 8
- Eine Künstlerfamilie 9
- Zwischen Abenteuer und Architektur 15
- Mädy 35
- Mobilisierung und Krieg 41
- Der Weg an die Ostfront 41
- Die Schlacht von Lemberg 48
- »Durch Landesbewohner verraten« 59
- Die Sanoffensive 62
- Schlacht bei Krakau 65
- Kriegsalltag in der k. u. k. Armee 67
- Die »Angriffshast« der Infanterie 68
- Warten auf Befehle 70
- Bewegungskrieg in Nässe und Schlamm 74
- Schlacht bei Limanowa-Lapanow 78
- Die Schlacht von Tarnow-Gorlice 81
- Kriegsgefangenschaft 91
- Berichte zwischen Verklärung und Traumabewältigung 91
- »Kriegsordnung« und Kriegsgefangenenrealität 94
- Die Jahre in Sibirien 96
- Der Transport in die Lager 96
- Dauria 115
- Architekturentwürfe in der Gefangenschaft 139
- Zwischen den Fronten der »Weißen« und »Roten« Garde 149
- Antipicha – Perwaja-Rjetschka – Wladiwostok 159
- China 173
- Ankunft 173
- Dies ist ja eine Übergangszeit 182
- Aufträge und Rückschläge 189
- Das architektonische Werk 199
- Städtebauliche Planungen 203
- Öffentliche Gebäude und Geschäftsbauten 204
- Villen 214
- Miethäuser 221
- Gesellschaftliches Leben gibt es hier genug 224
- Wir leben recht abgeschlossen für uns 230
- Sehnsucht nach Österreich 238
- Ewige Ungewissheit 247
- Lao Gai Lin 257
- Epilog 265
- Literatur 269
- Bildnachweis 272
- Farbteil 273