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Das architektonische Werk 223
Sichtziegelmaterial hergestellt sind. Kleine Balkone unterstreichen den Kontrast zum da-
nebenliegenden Trakt.
Das min Yuan BuildinG, das Rolf 1937 errichtete, ist eine große Miethausanlage, die
aus mehreren, drei- und vierstöckigen, verschieden gestalteten Gebäudeblöcken be-
steht. (Abb. 109) Rolf schöpft hier alle Möglichkeiten einer sachlich-funktionalen Gestal-
tungsweise aus. Glatte Sichtziegelwände wechseln mit glatt verputzten Wandflächen,
Balkonbrüstungen aus einfachen Betonflächen und Flachdächer betonen die Blockhaf-
tigkeit der Gebäude, große Fenster die Funktionalität. Kein Ornament, nicht einmal
flache Gesimse, stören die Sachlichkeit der Fassade. Einer dieser Gebäudeblöcke ist
besonders groß dimensioniert. Um der Gefahr der Monotonie entgegenzuwirken, die
eine extrem lang gestreckte Fassade in sich barg, unterteilte er den Baublock in drei
Kompartimente und setzte den Mitteltrakt durch lange Balkonbrüstungen und weißen
Verputz zu den Seitentrakten in Kontrast, die aus Sichtziegel errichtet sind und mit ein-
fach eingeschnittenen Fenstern eine nüchterne Radikalität ausstrahlen, die schon bei-
nahe an ein Fabrikgebäude erinnert. (Abb. 110)
Die Wohnanlage bestand aus Drei-, Vier- und Fünfzimmerwohnungen, und Rolf war
auch mit der Aufgabe betraut, geeignete Mieter zu finden. Er ließ daher in der Tages-
zeitung »Deutsch-chinesische Nachrichten« ab Mai 1937 alle zwei bis drei Tage ein ent-
sprechendes Inserat schalten, und die Wohnungen scheinen bereits nach rund zwei Mo-
naten vergeben gewesen sein.
Bemerkenswert sind die Garten- bzw. Einfriedungsmauern der diversen Grund-
stücke. Sie demonstrieren Rolfs Liebe zum Detail und zum Spiel mit Materialien, die
schon bei seinen Kaminentwürfen anklang: Die Mauern sind vielfältig gestaltet, ein-
109 Min Yuan Building,
Eingang in die Anlage
Rolf Geyling (1884-1952)
Architekt zwischen Kriegen und Kontinenten
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Rolf Geyling (1884-1952)
- Untertitel
- Architekt zwischen Kriegen und Kontinenten
- Autor
- Inge Scheidl
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79585-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 292
- Schlagwörter
- Architektur, Historismus, Jugendstil, Neue Sachlichkeit, Erster Weltkrieg, Ostfront, Kriegsgefangenschaft, Sibirien, China, Tianjin
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- Revolte und Reife 8
- Eine Künstlerfamilie 9
- Zwischen Abenteuer und Architektur 15
- Mädy 35
- Mobilisierung und Krieg 41
- Der Weg an die Ostfront 41
- Die Schlacht von Lemberg 48
- »Durch Landesbewohner verraten« 59
- Die Sanoffensive 62
- Schlacht bei Krakau 65
- Kriegsalltag in der k. u. k. Armee 67
- Die »Angriffshast« der Infanterie 68
- Warten auf Befehle 70
- Bewegungskrieg in Nässe und Schlamm 74
- Schlacht bei Limanowa-Lapanow 78
- Die Schlacht von Tarnow-Gorlice 81
- Kriegsgefangenschaft 91
- Berichte zwischen Verklärung und Traumabewältigung 91
- »Kriegsordnung« und Kriegsgefangenenrealität 94
- Die Jahre in Sibirien 96
- Der Transport in die Lager 96
- Dauria 115
- Architekturentwürfe in der Gefangenschaft 139
- Zwischen den Fronten der »Weißen« und »Roten« Garde 149
- Antipicha – Perwaja-Rjetschka – Wladiwostok 159
- China 173
- Ankunft 173
- Dies ist ja eine Übergangszeit 182
- Aufträge und Rückschläge 189
- Das architektonische Werk 199
- Städtebauliche Planungen 203
- Öffentliche Gebäude und Geschäftsbauten 204
- Villen 214
- Miethäuser 221
- Gesellschaftliches Leben gibt es hier genug 224
- Wir leben recht abgeschlossen für uns 230
- Sehnsucht nach Österreich 238
- Ewige Ungewissheit 247
- Lao Gai Lin 257
- Epilog 265
- Literatur 269
- Bildnachweis 272
- Farbteil 273