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Rolf Geyling (1884-1952) - Architekt zwischen Kriegen und Kontinenten
Seite - 227 -
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Seite - 227 - in Rolf Geyling (1884-1952) - Architekt zwischen Kriegen und Kontinenten

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Gesellschaftliches Leben gibt es hier genug 227 musste, dass die Toilette wie ein Thron von allen Seiten sichtbar in der Mitte des Raumes auf einer erhöhten Plattform stand und die Gastgeberinnen keine Anstalten machten, den Raum zu verlassen. Deren interessierte Anteilnahme war den europĂ€ischen Frau- en mehr als peinlich, wobei jedoch allen klar war, dass »die ja jede kleinste Gelegenheit wahnahmen europĂ€ische Damentoilette zu studieren«. Als die Chinesinnen an die Rei- he kamen, wurden die GĂ€ste allerdings höflich aus dem Zimmer geleitet. Mit Spannung sahen sodann Rolf und Hermine dem Opernbesuch entgegen. Einmal mehr prallte mit voller Wucht die fremde und so anders geartete Kultur Chinas auf die europĂ€ischen Erwartungen des Ehepaares. In Wien hatten sie nicht nur die geschĂ€tz- ten AuffĂŒhrungen der vertrauten europĂ€ischen Komponisten erlebt, sondern auch den Ă€ußerst luxuriösen Rahmen, den die Wiener Oper als eines der bedeutenden Ringstra- ßengebĂ€ude bot: In den Jahren 1861–1869 von den bekannten Ringstraßenarchitekten Eduard van der NĂŒll und August Sicard von Sicardsburg erbaut, ist dieses monumentale, reprĂ€sentative Bauwerk schon außen mit verschiedenen, den Stilen der Vergangenheit entlehnten Motiven dekoriert. Im Inneren entwickelt sich dann nicht nur im Zuschau- erraum, sondern auch in den Foyers eine verschwenderische Pracht aus verschiedenen Dekorelementen, Goldverzierungen und farbigen Malereien. Eine pompöse Prunkstiege empfing die Besucher und stimmte auf den zu erwartenden Kunstgenuss ein. Wohl dieses vertraute Wiener OperngebĂ€ude vor Augen, fiel Hermines Urteil ĂŒber das Tientsiner TheatergebĂ€ude vernichtend aus, indem sie es in dem oben angefĂŒhrten Brief als ein »schmuckloses, einfaches, schmutziges und verrauchtes GebĂ€ude aus rohem Holz mit HolzbĂ€nken und Balkons« schilderte. Die sogenannte Guangdong Assembly Hall war damals das einzige Theater in Tientsin. Es wurde von der wohlhabenden Gilde der Kantoner Kaufleute, die den Aufschwung Tientsins ebenfalls fĂŒr GeschĂ€ftsgrĂŒndun- gen zum Anlass genommen hatten, im Jahr 1907 als ein standesgemĂ€ĂŸes Theater mit Platz fĂŒr 700 bis 800 Menschen errichtet und diente zur AuffĂŒhrung von Peking-Opern. So wie PalĂ€ste und Tempelanlagen immer aus der Zusammenstellung mehrere GebĂ€u- de bestanden, war auch das Theater Teil einer grĂ¶ĂŸeren Anlage. TatsĂ€chlich war das Ge- bĂ€ude ĂŒberwiegend aus Holz errichtet, es war jedoch keineswegs solch eine Baracke, wie man aus Hermines Beschreibung annehmen konnte, sondern zĂ€hlte zu den reprĂ€senta- tivsten Bauten in Tientsin. So wie bei europĂ€ischen Theatern war eine gute Sicht zur BĂŒh- ne ausschlaggebend fĂŒr die Konstruktion. Durch die Verarbeitung von BaumstĂ€mmen von rund 50 Metern LĂ€nge konnten störende SĂ€ulen vermieden werden, und die recht- eckige BĂŒhne ragte in den Raum hinein, sodass auch den an den SeitenrĂ€ngen sitzen- den Zuschauern eine hervorragende Sicht geboten wurde. Der Saal umfasste zwei RĂ€n- ge, und eine FĂŒlle kunstvoller Schnitzereien gab dem Zuschauerraum ein festliches und vornehmes Erscheinungsbild. (  Farbabb. 28  ) Die Wahl des Baustoffes zeigt einmal mehr
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Rolf Geyling (1884-1952) Architekt zwischen Kriegen und Kontinenten
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Rolf Geyling (1884-1952)
Untertitel
Architekt zwischen Kriegen und Kontinenten
Autor
Inge Scheidl
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2014
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-79585-8
Abmessungen
17.0 x 24.0 cm
Seiten
292
Schlagwörter
Architektur, Historismus, Jugendstil, Neue Sachlichkeit, Erster Weltkrieg, Ostfront, Kriegsgefangenschaft, Sibirien, China, Tianjin
Kategorie
Biographien

Inhaltsverzeichnis

  1. Revolte und Reife 8
  2. Eine KĂŒnstlerfamilie 9
  3. Zwischen Abenteuer und Architektur 15
  4. MĂ€dy 35
  5. Mobilisierung und Krieg 41
  6. Der Weg an die Ostfront 41
  7. Die Schlacht von Lemberg 48
  8. »Durch Landesbewohner verraten« 59
  9. Die Sanoffensive 62
  10. Schlacht bei Krakau 65
  11. Kriegsalltag in der k. u. k. Armee 67
  12. Die »Angriffshast« der Infanterie 68
  13. Warten auf Befehle 70
  14. Bewegungskrieg in NĂ€sse und Schlamm 74
  15. Schlacht bei Limanowa-Lapanow 78
  16. Die Schlacht von Tarnow-Gorlice 81
  17. Kriegsgefangenschaft 91
  18. Berichte zwischen VerklÀrung und TraumabewÀltigung 91
  19. »Kriegsordnung« und KriegsgefangenenrealitÀt 94
  20. Die Jahre in Sibirien 96
  21. Der Transport in die Lager 96
  22. Dauria 115
  23. ArchitekturentwĂŒrfe in der Gefangenschaft 139
  24. Zwischen den Fronten der »Weißen« und »Roten« Garde 149
  25. Antipicha – Perwaja-Rjetschka – Wladiwostok 159
  26. China 173
  27. Ankunft 173
  28. Dies ist ja eine Übergangszeit 182
  29. AuftrĂ€ge und RĂŒckschlĂ€ge 189
  30. Das architektonische Werk 199
  31. StÀdtebauliche Planungen 203
  32. Öffentliche GebĂ€ude und GeschĂ€ftsbauten 204
  33. Villen 214
  34. MiethÀuser 221
  35. Gesellschaftliches Leben gibt es hier genug 224
  36. Wir leben recht abgeschlossen fĂŒr uns 230
  37. Sehnsucht nach Österreich 238
  38. Ewige Ungewissheit 247
  39. Lao Gai Lin 257
  40. Epilog 265
  41. Literatur 269
  42. Bildnachweis 272
  43. Farbteil 273
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Rolf Geyling (1884-1952)