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Rolf Geyling (1884-1952) - Architekt zwischen Kriegen und Kontinenten
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Wir leben recht abgeschlossen für uns 231 eineinhalb Jahre verheiratet, als Rolf 1914 seinen Dienst bei der Armee antreten muss- te und er in Kriegsgefangenschaft geriet. Rolf und Hermine hatten also bisher nur we- nig Gelegenheit gehabt, ihr gemeinsames Leben zu genießen oder auch zu erproben. Nun, nach dieser langen Zeit der Trennung, waren sie vor die Aufgabe gestellt, in einem schwierigen Umfeld gleichsam einen Neubeginn ihrer Beziehung zu starten, wobei die beiden mit denkbar unterschiedlichen Voraussetzungen konfrontiert waren. Während für Rolf im Vordergrund allen Denkens und Handelns seine Tätigkeit als Ar- chitekt und Unternehmer stand und er auch gerne bereit war, den Großteil seiner Zeit dem beruflichen Erfolg zu widmen, war Hermine auf die Häuslichkeit angewiesen, die mit der aus Bukarest und Wien gewohnten Geborgenheit so gar nichts mehr zu tun hatte. Beinahe alles, was außerhalb Rolfs beruflicher Tätigkeit lag, interessierte ihn we- nig, und man gewinnt den Eindruck, dass er vieles gar nicht so richtig wahrnahm – was bei einer Arbeitszeit von täglich 12 bis 14 Stunden auch nicht weiter verwunderlich ist. Hermine hingegen hatte gar keine andere Möglichkeit, als sich auf private und ge- sellschaftliche Themen zu konzentrieren, sah sich aber mit einem Schlag einer fremden Kultur und einer völlig geänderten Lebenssituation ausgesetzt. Der Familie entrissen, mit einem Mann lebend, der nie Zeit für sie hatte, unfähig, Freundschaften zu schlie- ßen, litt sie unter extremem Heimweh. Schon in der Zeit, als sie noch die Fürsorge ihrer und Rolfs Familie als Rückhalt erfuhr, machte ihr ihre schwache psychische und physi- sche Konstitution zu schaffen. Hier, in der Fremde, entpuppte sie sich als hypernervöse Frau, und der Hausarzt Dr. Brüll konnte ihre Nervenschwäche nur mit Bromgaben lin- dern. Darüber hinaus wurde sie von verschiedenen körperlichen, wie sie selbst feststell- te: vielfach psychosomatischen Leiden wie Magenproblemen, Halsentzündungen, Rheu- matismus und – vor allem im Sommer – von Furunkeln etc. geplagt, wobei bei ihr jedes einzelne dieser Leiden in ungewöhnlicher Heftigkeit aufzutreten pflegte. Zusätzlich litt sie auch unter dem Klima, das, wie sie einmal betonte, für nervöse Menschen beson- ders schwer zu ertragen war. Da sie als Hausfrau nicht ausgelastet war – wie alle Frauen in den Konzessionen hatte sie jede Menge Hauspersonal – und um ihrem Mann wenigstens in beruflicher Hinsicht nahe zu sein, machte sie Rolf den Vorschlag, in dessen Büro mitzuarbeiten. Immerhin hatte sie in Wien einige Semester Innendekoration studiert und war als Schülerin Rolfs auch mit architektonischen Aufgabenstellungen vertraut gemacht worden. Rolf hielt al- lerdings von diesem Ansinnen nicht viel, und er verschaffte ihr insofern eine Beschäf- tigung, als er gleichsam eine Arbeitsteilung vornahm: Er selbst war für den geschäftli- chen Bereich zuständig, während Hermine den Kontakt mit der Familie mittels Briefen aufrechterhalten sollte. So erklärt sich denn auch, dass viele Details über das Leben des Ehepaares in China nur durch Hermine und natürlich nur im Lichte ihrer persönlichen
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Rolf Geyling (1884-1952) Architekt zwischen Kriegen und Kontinenten
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Rolf Geyling (1884-1952)
Untertitel
Architekt zwischen Kriegen und Kontinenten
Autor
Inge Scheidl
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2014
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-79585-8
Abmessungen
17.0 x 24.0 cm
Seiten
292
Schlagwörter
Architektur, Historismus, Jugendstil, Neue Sachlichkeit, Erster Weltkrieg, Ostfront, Kriegsgefangenschaft, Sibirien, China, Tianjin
Kategorie
Biographien

Inhaltsverzeichnis

  1. Revolte und Reife 8
  2. Eine Künstlerfamilie 9
  3. Zwischen Abenteuer und Architektur 15
  4. Mädy 35
  5. Mobilisierung und Krieg 41
  6. Der Weg an die Ostfront 41
  7. Die Schlacht von Lemberg 48
  8. »Durch Landesbewohner verraten« 59
  9. Die Sanoffensive 62
  10. Schlacht bei Krakau 65
  11. Kriegsalltag in der k. u. k. Armee 67
  12. Die »Angriffshast« der Infanterie 68
  13. Warten auf Befehle 70
  14. Bewegungskrieg in Nässe und Schlamm 74
  15. Schlacht bei Limanowa-Lapanow 78
  16. Die Schlacht von Tarnow-Gorlice 81
  17. Kriegsgefangenschaft 91
  18. Berichte zwischen Verklärung und Traumabewältigung 91
  19. »Kriegsordnung« und Kriegsgefangenenrealität 94
  20. Die Jahre in Sibirien 96
  21. Der Transport in die Lager 96
  22. Dauria 115
  23. Architekturentwürfe in der Gefangenschaft 139
  24. Zwischen den Fronten der »Weißen« und »Roten« Garde 149
  25. Antipicha – Perwaja-Rjetschka – Wladiwostok 159
  26. China 173
  27. Ankunft 173
  28. Dies ist ja eine Übergangszeit 182
  29. Aufträge und Rückschläge 189
  30. Das architektonische Werk 199
  31. Städtebauliche Planungen 203
  32. Öffentliche Gebäude und Geschäftsbauten 204
  33. Villen 214
  34. Miethäuser 221
  35. Gesellschaftliches Leben gibt es hier genug 224
  36. Wir leben recht abgeschlossen für uns 230
  37. Sehnsucht nach Österreich 238
  38. Ewige Ungewissheit 247
  39. Lao Gai Lin 257
  40. Epilog 265
  41. Literatur 269
  42. Bildnachweis 272
  43. Farbteil 273
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