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Wir leben recht abgeschlossen für uns 237
Die herangewachsenen Kinder besuchten ähnlich wie in Österreich zunächst einen Kin-
dergarten, dann die Volksschule und anschließend das Gymnasium. In den Konzessionen
gab es eine Reihe von Schulen, die teils von den verschiedenen Nationen, teils von un-
terschiedlichen Konfessionen betrieben wurden. Die »Deutsche Schule« stand in engem
Kontakt mit dem Unterrichtsministerium in Berlin, von wo auch der Lehrplan bezogen
wurde, wobei besonderes Augenmerk auf den Unterricht in korrekter deutscher Sprache
gelegt wurde. Bemerkenswert ist, dass in keiner der ausländischen Schulen die chinesi-
sche Geschichte und Sprache zu den Unterrichtsfächern zählte. Auch die Erwachsenen
hatten kaum Interesse am Erwerb dieser Sprache, und Rolf war einer der wenigen Aus-
länder, der zeit seines Lebens chinesische Sprachstudien betrieb. Die Kinder hingegen
wurden in der Regel von ihren Amahs bereits von klein auf mit chinesischen Bräuchen
und Ritualen sowie insbesondere mit chinesischen Märchen vertraut gemacht, woraus
sich üblicherweise ein zumindest rudimentäres Verständnis der chinesischen Sprache
ergab. Auch Mausi und Franz waren in der Folge fähig, sich im Alltag mithilfe der chi-
nesischen Sprache zurechtzufinden.
Während der jüngere Franz die Schule unproblematisch durchlief, machte Mausi ihrer
Mutter vor allem aufgrund ihrer schlechten Konzentrationsfähigkeit Sorgen, und Hermi-
ne fühlte sich genötigt, kontinuierlich mit ihrer Tochter zu lernen. Humorvoll kommen-
tiert Rolf am 21. November 1932 das Engagement seiner Frau: »Mausi ist etwas langsam
und verspielt, so dass die arme Mädy täglich Nachmittag mit ihr lernen muß, was für
Beider Nerven eine ziemliche Anforderung ist.« ( Brief an Greta )
Auch Rolf nahm regen Anteil an der Ausbildung, sobald die Kinder die Schule besuch-
ten. (Abb. 115) Wie sein Sohn Franz berichtet, erfolgten, zumeist während des Abend-
essens, rege Diskussionen über die verschiedensten Wissensgebiete, welche im Unter-
115 Rolf und Hermine
mit den Schulkindern
Rolf Geyling (1884-1952)
Architekt zwischen Kriegen und Kontinenten
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Rolf Geyling (1884-1952)
- Untertitel
- Architekt zwischen Kriegen und Kontinenten
- Autor
- Inge Scheidl
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79585-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 292
- Schlagwörter
- Architektur, Historismus, Jugendstil, Neue Sachlichkeit, Erster Weltkrieg, Ostfront, Kriegsgefangenschaft, Sibirien, China, Tianjin
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- Revolte und Reife 8
- Eine Künstlerfamilie 9
- Zwischen Abenteuer und Architektur 15
- Mädy 35
- Mobilisierung und Krieg 41
- Der Weg an die Ostfront 41
- Die Schlacht von Lemberg 48
- »Durch Landesbewohner verraten« 59
- Die Sanoffensive 62
- Schlacht bei Krakau 65
- Kriegsalltag in der k. u. k. Armee 67
- Die »Angriffshast« der Infanterie 68
- Warten auf Befehle 70
- Bewegungskrieg in Nässe und Schlamm 74
- Schlacht bei Limanowa-Lapanow 78
- Die Schlacht von Tarnow-Gorlice 81
- Kriegsgefangenschaft 91
- Berichte zwischen Verklärung und Traumabewältigung 91
- »Kriegsordnung« und Kriegsgefangenenrealität 94
- Die Jahre in Sibirien 96
- Der Transport in die Lager 96
- Dauria 115
- Architekturentwürfe in der Gefangenschaft 139
- Zwischen den Fronten der »Weißen« und »Roten« Garde 149
- Antipicha – Perwaja-Rjetschka – Wladiwostok 159
- China 173
- Ankunft 173
- Dies ist ja eine Übergangszeit 182
- Aufträge und Rückschläge 189
- Das architektonische Werk 199
- Städtebauliche Planungen 203
- Öffentliche Gebäude und Geschäftsbauten 204
- Villen 214
- Miethäuser 221
- Gesellschaftliches Leben gibt es hier genug 224
- Wir leben recht abgeschlossen für uns 230
- Sehnsucht nach Österreich 238
- Ewige Ungewissheit 247
- Lao Gai Lin 257
- Epilog 265
- Literatur 269
- Bildnachweis 272
- Farbteil 273