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Sehnsucht nach Österreich 245
sul von Tientsin ernannt wurde, was ihm zwar viel Ehre einbrachte, aber, wie er betonte,
wiederum eine arbeitsmäßige Mehrbelastung bedeutete. Als Konsul Bauer im Jahr 1937
Tientsin verließ, wurde Rolf als dessen Nachfolger ausersehen.
Schließlich zeigte sich, dass Rolf zumindest ab den 1930er-Jahren recht konkrete
Überlegungen zu einer Rückkehr nach Österreich anstellte und bereits 1932 plante, ein
Haus in Wien oder in der näheren Umgebung zu erwerben, was allerdings wiederum
nur mithilfe der Schwester zu bewerkstelligen war. Nachdem Greta ihrem Bruder zum
erfolgreich beendeten Schleusenbau gratuliert hat, antwortete er am 29. 2. 1932: »Ge-
wiss freut es einem, zu sehen dass man nicht ganz umsonst gearbeitet hat; und beson-
ders ist es ja für mich wichtig, wenn ich mal nachhause komme, nicht ganz hinter mei-
nen einstigen Kollegen zurückgeblieben zu sein.« Konkreter über eine Rückkehr in die
Heimat wird er dann noch im Zusammenhang mit dem schon erwähnten Bau der Villa
in Peitaiho, den er wenige Monate zuvor begonnen hatte: »Du glaubst übrigens, liebe
Greta, aus der Tatsache dass ich in Peitaiho ein Sommerhaus baue schliessen zu müssen,
dass ich nicht vorhabe in absehbarer Zeit zurück zu kommen ? Das hat nichts damit zu
tun.« In einem späteren Brief am 3. 8. 1933 präzisiert er sodann seine Vorstellungen: »Ich
denke immer an ein Familien- oder Zweifamilienhaus in den äusseren, möglichst westli-
chen Bezirken mit landschaftlich schöner Lage. Aber es könnte ebenso ein bürgerliches
Wohn- und Mietshaus in einer ruhigen, angenehmen Lage sein. [ … ] Ich möchte, damit
Du mich recht verstehst, endlich ein Fleckchen haben, dass mir sicher ist, und wo auch
das Geld sicher angelegt ist.« Er meint, dass er China aufgrund der guten Auftragsla-
ge derzeit zwar nicht verlassen könne, aber dass er sich vorstelle, das erworbene Haus
vorläufig zu vermieten oder seiner Mutter und Schwester zu überlassen. Über die Hei-
mat gut informiert – Rolf war auch Abonnent der »Neuen freien Presse« –, war ihm na-
türlich bekannt, dass Hausbesitzer wegen der tristen wirtschaftlichen Lage zu Notver-
käufen gezwungen waren bzw. vermehrt Versteigerungen erfolgten, bei denen man ein
Haus relativ preiswert erstehen konnte. Die Angelegenheit zog sich allerdings hin, und
am 19. 11. 1935 schreibt Rolf, dass er aufgrund der »Währungsverhältnisse« beschlossen
habe, den Hauskauf »für einige Jahre hinauszuschieben«.
Im Frühling 1937 schmiedete Rolf neue Pläne, die sich einerseits mit dem Thema der
Geldanlage in Österreich beschäftigten, andererseits auch wieder seine Heimkehr impli-
zierten. Sein Cousin Otto Liermberger war vor dem Ersten Weltkrieg Besitzer eines Sa-
natoriums in Levico gewesen, einem Ort, der damals zu Tirol gehörte hatte und heute
in Italien liegt. Wie schon erwähnt, hatte Rolf in jungen Jahren dort einige Male seine
Ferien verbracht und an einem »Reiseführer« mitgearbeitet, den sein Cousin für seine
Gäste herausbrachte. Als Levico nach dem Ersten Weltkrieg Italien zugeschlagen wor-
den war, erwarb Liermberger in Igls in Tirol eine dort bestehende Wasserheilanstalt. Im
Rolf Geyling (1884-1952)
Architekt zwischen Kriegen und Kontinenten
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Rolf Geyling (1884-1952)
- Untertitel
- Architekt zwischen Kriegen und Kontinenten
- Autor
- Inge Scheidl
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79585-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 292
- Schlagwörter
- Architektur, Historismus, Jugendstil, Neue Sachlichkeit, Erster Weltkrieg, Ostfront, Kriegsgefangenschaft, Sibirien, China, Tianjin
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- Revolte und Reife 8
- Eine Künstlerfamilie 9
- Zwischen Abenteuer und Architektur 15
- Mädy 35
- Mobilisierung und Krieg 41
- Der Weg an die Ostfront 41
- Die Schlacht von Lemberg 48
- »Durch Landesbewohner verraten« 59
- Die Sanoffensive 62
- Schlacht bei Krakau 65
- Kriegsalltag in der k. u. k. Armee 67
- Die »Angriffshast« der Infanterie 68
- Warten auf Befehle 70
- Bewegungskrieg in Nässe und Schlamm 74
- Schlacht bei Limanowa-Lapanow 78
- Die Schlacht von Tarnow-Gorlice 81
- Kriegsgefangenschaft 91
- Berichte zwischen Verklärung und Traumabewältigung 91
- »Kriegsordnung« und Kriegsgefangenenrealität 94
- Die Jahre in Sibirien 96
- Der Transport in die Lager 96
- Dauria 115
- Architekturentwürfe in der Gefangenschaft 139
- Zwischen den Fronten der »Weißen« und »Roten« Garde 149
- Antipicha – Perwaja-Rjetschka – Wladiwostok 159
- China 173
- Ankunft 173
- Dies ist ja eine Übergangszeit 182
- Aufträge und Rückschläge 189
- Das architektonische Werk 199
- Städtebauliche Planungen 203
- Öffentliche Gebäude und Geschäftsbauten 204
- Villen 214
- Miethäuser 221
- Gesellschaftliches Leben gibt es hier genug 224
- Wir leben recht abgeschlossen für uns 230
- Sehnsucht nach Österreich 238
- Ewige Ungewissheit 247
- Lao Gai Lin 257
- Epilog 265
- Literatur 269
- Bildnachweis 272
- Farbteil 273