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38 | Klerus, Kirchen und Klöster – Tischlereien und Tischlerarbeiten
Tischlergeselle aus dem ehemaligen Jesuitenkolleg in Krems für seine Mitarbeit im
Stift Dürnstein entlohnt.35
Normalerweise unterhielten landständische Abteien klostereigene Tischlereien.
Nach dem um 830 gezeichneten Idealgrundriss von Sankt Gallen sollten Werkstätten,
Stallungen und andere Einrichtungen, die für das Überleben der Klöster zwar wichtig
waren, aber mit den gottesdienstlichen Verrichtungen nur bedingt etwas zu tun hatten,
in den äußeren Abteibezirken situiert sein.36 Wie aus Schrift- und Bildquellen her-
vorgeht, war dies in den Stiften Zwettl und Lilienfeld auch tatsächlich der Fall. Im
17. und 18.
Jahrhundert lagen die Tischlereien dort außerhalb des Kernbereichs in der
Nähe des Brauhauses bzw. bei Schmiede, Mühle und der Amtsstube des Hofrichters.37
Falls die Stiftstischlereien die anfallenden Arbeiten nicht bewältigen konnten – sei es,
weil die Zahl der Mitarbeiter nicht ausreichte, sei es, weil die Mitarbeiter handwerk-
lich nicht versiert genug waren –, beschäftigten die Konvente externe Betriebe. In der
Regel handelte es sich um Werkstätten aus der näheren Umgebung, in seltenen Fällen
wurden jedoch auch weit entfernt liegende Betriebe mit Aufträgen bedacht. Beispiel-
haft ist hierfür die Situation bei der Ausstattung der Stiftskirche zu Melk : 1701 beauf-
tragte Abt Berthold Dietmayr (reg. 1700–1739) den bereits erwähnten Franz Andreas
Bogner mit dem Bau der Möbel für die neue Sommersakristei (Abb. 216–218). Der
Tischler besaß eine Werkstatt in Wien, sodass die Möbel nach ihrer Fertigstellung
umständlich nach Melk transportiert werden mussten. In der Nähe des Stiftes exis-
tierte damals noch keine Schreinerei, die imstande gewesen wäre, den Qualitätsan-
sprüchen des Abtes zu genügen. Das sollte sich jedoch in den nächsten Jahrzehnten
ändern, denn bei der Herstellung von Kirchenbänken und Chorgestühl in den 1730er-
Jahren konnte Dietmayr auf die Tischlermeister Ferdinand Kreuzer (1692–1767) und
Augustin Keller (1680–1748) aus der Ortschaft Melk zurückgreifen (Abb. 222–227 ;
Farbtaf. 15, 16). Die Qualität ihrer Erzeugnisse ist derart hochstehend, dass von ihrer
Ausbildung in einer bedeutenden Tischlerei ausgegangen werden muss. Gleichwohl
besitzen wir keine Kenntnis davon, woher Kreuzer und Keller ursprünglich stammten.
Anders als Maler oder Stuckateure arbeiteten selbstständige Tischler auf dem
Land normalerweise nicht klosterübergreifend. Es muss als Sonderfall gelten, dass ein
Tischler Aufträge von verschiedenen Klöstern erhielt, wie Balthasar Melber aus Enns,
auf den Möbelensembles in den Abteien Kremsmünster und Lambach zurückgehen
35 Penz, Kalendernotizen (2013), 151. Zu Seitenstetten und Kremsmünster vgl. die entsprechenden Ab-
schnitte in der vorliegenden Arbeit.
36 Schedl, St. Gallen (2014), 37–40, 74–75.
37 ÖKT, Zwettl (1940), 281, 314. Die Hinweise datieren vom 27. Mai 1671 und vom 5. August 1709.
Schmid, Ansichten (2015), 59–60, mit einem Stich der Klosteranlage, der um 1670 entstand. Autor des
Stiches war Georg Matthäus Vischer (1628–1696).
Sakralmöbel aus Österreich
Von Tischlern und ihren Arbeiten im Zeitalter des Absolutismus, Band I: Östliche Landsteile
- Titel
- Sakralmöbel aus Österreich
- Untertitel
- Von Tischlern und ihren Arbeiten im Zeitalter des Absolutismus
- Band
- I: Östliche Landsteile
- Autor
- Michael Bohr
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20512-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 730
- Schlagwörter
- Baroque, applied arts, church furnishings, Barock, Kunsthandwerk, Sakralmöbel
- Kategorie
- Kunst und Kultur
Inhaltsverzeichnis
- Teil 1 Vorbemerkungen
- Teil 2 Grundlegendes
- I. Klerus, Kirchen und Klöster – Tischlereien und Tischlerarbeiten 31
- Zur Barockisierung von Weltkirchen und Klöstern 31
- Tischlerwerkstätten in Wien 33
- Tischlerwerkstätten auf dem Land 36
- Zur Größe der Werkstätten 40
- Zur Zusammenarbeit von Tischlern mit andern Handwerkern 41
- Zur Beschaffung des benötigten Holzes 43
- Zur Qualität des Holzes und zum System der Vergütung von Tischlern 43
- Nachlassende Qualität der Tischlererzeugnisse im fortgeschrittenen 18. Jahrhundert 46
- Zu den verwendeten Materialien 48
- Zur Oberflächenveredelung und Restaurierung 51
- Exkurs : Technische Innovationen als Grundlage der Entwicklung neuer Gestaltungsformen 55
- II. Gestaltungsfragen, Stilformen und Ornamente 58
- III. Die Entwicklung des Kirchenmobiliars 81
- IV. Sakristeien 101
- Ihre Lage innerhalb des Raumgefüges 101
- Der Klosterplan von St. Gallen und frühe Sakristeimöbel 102
- Zur Funktion von Sakristeien, barocke Sakristeieinrichtungen und die Schriften von Carlo Borromeo und Jacob Müller 104
- Altäre und Scheinaltäre 104
- Lavabos 106
- Sakristeischränke und Ankleidekredenzen 107
- Zur Entwicklungsgeschichte der Sakristeischränke 110
- Ankleidetische und Tischkästen 111
- Truhen und Truhenbänke 113
- Beichtstühle 115
- Betpulte, Kniebänke und Bankpulte 116
- V. Mobiliar in Nebenräumen von Kirchen und Klöstern 118
- VI.Zur Hierarchie von Räumen und Möbeln 127
- I. Klerus, Kirchen und Klöster – Tischlereien und Tischlerarbeiten 31
- Teil 3 Katalog – Beiträge zu den Sakralanlagen – Tafeln
- Hinweise 133
- Hinweise zu Provenienzen, Datierungen und Materialien 133
- Hinweise zu den angegebenen Maßen 133
- Hinweise zu den zitierten Schriftquellen 134
- I. Sakralbauten in Wien 135
- II. Sakralbauten in Niederösterreich 247
- Altenburg, Benediktinerstift 247
- Ardagger, Pfarrkirche hl. Margarete 260
- Dürnstein, Pfarrkirche Mariä Himmelfahrt 264
- Geras, Prämonstratenser-Chorherrenstift 283
- Göttweig, Benediktinerstift 294
- Heiligenkreuz, Zisterzienserstift 315
- Herzogenburg, Augustiner-Chorherrenstift 335
- Horn, Piaristenkirche 347
- Klosterneuburg, Augustiner-Chorherrenstift 352
- Krems, Piaristenkirche 367
- Krems, Pfarrkirche St. Veit 380
- Lilienfeld, Zisterzienserstift 386
- Melk, Benediktinerstift 408
- St. Marein, Pfarrkirche hl. Maria 434
- St. Pölten, Dom- und Pfarrkirche Mariae Himmelfahrt 436
- Seitenstetten, Benediktinerstift 452
- Wiener Neustadt, Zisterzienserstift Neukloster 466
- Zwettl, Zisterzienserstift 477
- III. Sakralbauten in Oberösterreich 500
- Baumgartenberg, Pfarrkirche Mariae Himmelfahrt 500
- Kremsmünster, Benediktinerstift 512
- Lambach, Benediktinerstift 534
- Linz, Jesuitenkirche (Alter Dom) 551
- Linz, Karmelitenkloster 566
- Linz, Seminarkirche Hl. Kreuz 572
- St. Florian, Augustiner-Chorherrenstift 580
- Schlägl, Prämonstratenser-Chorherrenstift 607
- Schlierbach, Zisterzienserstift 621
- Waldhausen, Pfarrkirche Mariae Himmelfahrt 631
- Wilhering, Zisterzienserstift 638
- Teil 4 Zusammenfassung und Ausblick – Glossar – Verzeichnisse –
- Literatur
- Zusammenfassung und Ausblick 659
- Zum Aufbau des Buchs 659
- Historischer Abriss 660
- Entwicklungsgeschichte der Kirchenmöbel 661
- Zur Einrichtung verschiedener Räume in Kirchen und Klöstern 662
- Zur Hierarchie sakraler Einrichtungen 663
- Die Auftraggeber und ihr Einfluss auf die Kunstentwicklung 663
- Zum Verhältnis zwischen Auftraggebern, Architekten und Handwerkern 665
- Zu den Tischlern 665
- Stilistische Entwicklung der Möbel 666
- Regionale Besonderheiten 667
- Fazit und Ausblick 668
- Glossar 670
- Ortsindex 678
- Künstlerverzeichnis 682
- Abkürzungsverzeichnis 688
- Abbildungsnachweis 692
- Literaturverzeichnis 693