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Klerus, Kirchen und Klöster – Tischlereien und Tischlerarbeiten |
39Tischlerwerkstätten
auf dem Land
(Abb. 307–309, 318–320). Die engen Grenzen ihrer Heimatgemeinde überschritten
Tischler in der Regel nur dann, wenn sie sich als Gesellen auf Wanderschaft begaben
oder wenn sie als Meister zu wenige Aufträge lukrierten, um ihre Existenz zu sichern.
Hatten sie erst einmal in einer Stadt eine Familie gegründet, das Bürgerrecht erwor-
ben und sich sesshaft gemacht, geschah die Arbeitssuche in der Fremde nur noch in
Notsituationen.38
Außergewöhnlich war die Situation in Göttweig : Das Stift verfügte im späten 17.
und frühen 18. Jahrhundert über keine eigene Werkstatt, sondern beschäftigte im Be-
darfsfall externe Handwerker. Eine Brandkatastrophe zwang den Konvent jedoch 1718
zu umfassenden Wiederaufbau- und Neubaumaßnahmen, was die Einrichtung einer
Stiftstischlerei erforderlich machte. Archivalien von 1721 berichten von vier Schrei-
nern, 1722 von fünf, 1723 bereits von neun, später von bis zu 14.39 Abt Gottfried Bes-
sel (reg. 1714–1749) ernannte 1722 den aus Westfalen zugereisten Heinrich Johann
Holdermann (1697–1739) zum Obertischler, 1727 verlieh er ihm den Titel des Hof-
tischlers. Ihm oblag die Leitung der Stiftswerkstatt. Seit 1726 besaß er jedoch auch in
der unterhalb des Göttweiger Berges gelegenen Gemeinde Furth ein Haus mit einer
angegliederten Tischlerei. Holdermann verstarb 1739, sein Nachfolger war Franz An-
ton Staudinger (1705–1781) aus Reichenhall. Zunächst führte auch Staudinger den
Titel eines hof tischler meisters, danach wird er als tischler meister in Göttweig bezeichnet,
seit 1747 nur noch als tischler meister zu Furth. Die Stiftstischlerei und die Werkstatt
in Furth bestanden bis 1747 nebeneinander, danach wurde die Klostertischlerei auf-
gelöst. Aus Abrechnungen und Arbeitsberichten lässt sich zwar erschließen, was unter
der Leitung Holdermanns und Staudingers gebaut wurde – nämlich alles bis auf die
Dachstühle –, doch wäre noch zu ergründen, nach welchem Schlüssel die Arbeiten
auf die Tischlereien verteilt wurden und wie der Arbeitslohn ermittelt wurde. Das ist
bisher völlig unklar.
Zweifellos war die Vergabe von Aufträgen an ortsansässige Tischlermeister der
handwerklichen und künstlerischen Qualität der Arbeiten nicht immer zuträglich,
weshalb es vorkam, dass die Handwerker zunächst Probestücke zum Beweis ihrer
Kunstfertigkeit anzufertigen hatten.40 Allerdings ließen sich durch die Auftragsver-
gabe an Werkstätten in der Nähe die Ausgaben für den Transport des neuen Mobiliars
reduzieren, außerdem erhielten ortsfremde Handwerker neben ihrem gewöhnlichen
Lohn freie Kost und Logis, was einen zusätzlichen Kostenfaktor darstellte. Hinzu kam
aber noch ein anderes Faktum : Die Konvente waren sich ihrer sozialen Verantwortung
38 Die müssen allerdings recht häufig gewesen sein. Hierzu mehr im zweiten Band der Untersuchung.
39 Vgl. dazu und zu den folgenden Angaben das Kapitel zu Göttweig.
40 So geschehen in Dürnstein und Kremsmünster.
Sakralmöbel aus Österreich
Von Tischlern und ihren Arbeiten im Zeitalter des Absolutismus, Band I: Östliche Landsteile
- Titel
- Sakralmöbel aus Österreich
- Untertitel
- Von Tischlern und ihren Arbeiten im Zeitalter des Absolutismus
- Band
- I: Östliche Landsteile
- Autor
- Michael Bohr
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20512-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 730
- Schlagwörter
- Baroque, applied arts, church furnishings, Barock, Kunsthandwerk, Sakralmöbel
- Kategorie
- Kunst und Kultur
Inhaltsverzeichnis
- Teil 1 Vorbemerkungen
- Teil 2 Grundlegendes
- I. Klerus, Kirchen und Klöster – Tischlereien und Tischlerarbeiten 31
- Zur Barockisierung von Weltkirchen und Klöstern 31
- Tischlerwerkstätten in Wien 33
- Tischlerwerkstätten auf dem Land 36
- Zur Größe der Werkstätten 40
- Zur Zusammenarbeit von Tischlern mit andern Handwerkern 41
- Zur Beschaffung des benötigten Holzes 43
- Zur Qualität des Holzes und zum System der Vergütung von Tischlern 43
- Nachlassende Qualität der Tischlererzeugnisse im fortgeschrittenen 18. Jahrhundert 46
- Zu den verwendeten Materialien 48
- Zur Oberflächenveredelung und Restaurierung 51
- Exkurs : Technische Innovationen als Grundlage der Entwicklung neuer Gestaltungsformen 55
- II. Gestaltungsfragen, Stilformen und Ornamente 58
- III. Die Entwicklung des Kirchenmobiliars 81
- IV. Sakristeien 101
- Ihre Lage innerhalb des Raumgefüges 101
- Der Klosterplan von St. Gallen und frühe Sakristeimöbel 102
- Zur Funktion von Sakristeien, barocke Sakristeieinrichtungen und die Schriften von Carlo Borromeo und Jacob Müller 104
- Altäre und Scheinaltäre 104
- Lavabos 106
- Sakristeischränke und Ankleidekredenzen 107
- Zur Entwicklungsgeschichte der Sakristeischränke 110
- Ankleidetische und Tischkästen 111
- Truhen und Truhenbänke 113
- Beichtstühle 115
- Betpulte, Kniebänke und Bankpulte 116
- V. Mobiliar in Nebenräumen von Kirchen und Klöstern 118
- VI.Zur Hierarchie von Räumen und Möbeln 127
- I. Klerus, Kirchen und Klöster – Tischlereien und Tischlerarbeiten 31
- Teil 3 Katalog – Beiträge zu den Sakralanlagen – Tafeln
- Hinweise 133
- Hinweise zu Provenienzen, Datierungen und Materialien 133
- Hinweise zu den angegebenen Maßen 133
- Hinweise zu den zitierten Schriftquellen 134
- I. Sakralbauten in Wien 135
- II. Sakralbauten in Niederösterreich 247
- Altenburg, Benediktinerstift 247
- Ardagger, Pfarrkirche hl. Margarete 260
- Dürnstein, Pfarrkirche Mariä Himmelfahrt 264
- Geras, Prämonstratenser-Chorherrenstift 283
- Göttweig, Benediktinerstift 294
- Heiligenkreuz, Zisterzienserstift 315
- Herzogenburg, Augustiner-Chorherrenstift 335
- Horn, Piaristenkirche 347
- Klosterneuburg, Augustiner-Chorherrenstift 352
- Krems, Piaristenkirche 367
- Krems, Pfarrkirche St. Veit 380
- Lilienfeld, Zisterzienserstift 386
- Melk, Benediktinerstift 408
- St. Marein, Pfarrkirche hl. Maria 434
- St. Pölten, Dom- und Pfarrkirche Mariae Himmelfahrt 436
- Seitenstetten, Benediktinerstift 452
- Wiener Neustadt, Zisterzienserstift Neukloster 466
- Zwettl, Zisterzienserstift 477
- III. Sakralbauten in Oberösterreich 500
- Baumgartenberg, Pfarrkirche Mariae Himmelfahrt 500
- Kremsmünster, Benediktinerstift 512
- Lambach, Benediktinerstift 534
- Linz, Jesuitenkirche (Alter Dom) 551
- Linz, Karmelitenkloster 566
- Linz, Seminarkirche Hl. Kreuz 572
- St. Florian, Augustiner-Chorherrenstift 580
- Schlägl, Prämonstratenser-Chorherrenstift 607
- Schlierbach, Zisterzienserstift 621
- Waldhausen, Pfarrkirche Mariae Himmelfahrt 631
- Wilhering, Zisterzienserstift 638
- Teil 4 Zusammenfassung und Ausblick – Glossar – Verzeichnisse –
- Literatur
- Zusammenfassung und Ausblick 659
- Zum Aufbau des Buchs 659
- Historischer Abriss 660
- Entwicklungsgeschichte der Kirchenmöbel 661
- Zur Einrichtung verschiedener Räume in Kirchen und Klöstern 662
- Zur Hierarchie sakraler Einrichtungen 663
- Die Auftraggeber und ihr Einfluss auf die Kunstentwicklung 663
- Zum Verhältnis zwischen Auftraggebern, Architekten und Handwerkern 665
- Zu den Tischlern 665
- Stilistische Entwicklung der Möbel 666
- Regionale Besonderheiten 667
- Fazit und Ausblick 668
- Glossar 670
- Ortsindex 678
- Künstlerverzeichnis 682
- Abkürzungsverzeichnis 688
- Abbildungsnachweis 692
- Literaturverzeichnis 693