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Klerus, Kirchen und Klöster – Tischlereien und Tischlerarbeiten |
53Zur
Oberflächenver delung und Restau ierung
Art, mit der man in Melk Zierornamente an Beichtstühlen und Türen anbrachte :
Sie wurden mit feinen Metallstiften aufgenagelt, deren Nagelköpfe als zusätzliches
Schmuckmotiv zu werten sind (Abb. 229, 231).
Um nun auf das von Staudinger beschriebene Schadensbild zurückzukommen : Es
entsprach weitgehend dem, was sich vielfach auch heute bei einer Befundung von
Kirchenmöbeln ergibt. Staudinger glättete die Holzoberfläche, schliff sie und überzog
sie mit einem Spiritusfirnis. Bei diesem Arbeitsprozess wurden die Holzporen weit-
gehend geschlossen, eine der Grundvoraussetzungen für eine homogene Oberfläche.
Außerdem verlieh das vom Tischler verwendete Öl dem Holz eine angenehm dunkle
Farbe und betonte zugleich seine Struktur, da es den Farbkontrast zwischen Kern- und
Splintholz verstärkte.84 Der abschließende Firnis bildete auf der Holzoberfläche eine
dünne seidenglänzende Schicht, die das Holz vor Feuchtigkeit und Verschmutzung
durch eindringende Staubpartikel schützte.85
Wie Staudingers Vorgänger in Göttweig, der Stiftstischler Heinrich Johann Hol-
dermann, mehrfach anmerkte, ballierdte er nach der Prozedur des Schleifens und
Firnissens die Möbel in einem letzten Arbeitsgang.86 Welche Art von Firnis er be-
vorzugte, blieb sein Geheimnis, doch ergaben Materialuntersuchungen, dass er die
von ihm verfertigten Werkstücke mit Harzgemischen bestrich.87 Ihre Herstellung
ist relativ zeitaufwendig, mussten die Harzstücke doch zu Pulver zerrieben und in
langwierigen Arbeitsschritten in hochprozentigem Alkohol aufgelöst werden. Danach
wurde das Gemisch zur Entfernung von Harzklumpen und anderen Verunreinigungen
mehrfach gefiltert.88 Wie wir uns den abschließenden Vorgang des Polierens vorzu-
stellen haben, ist ebenfalls unklar. Vermutlich glättete Holdermann den aufgebrachten
Firnis zur Beseitigung von Unebenheiten nochmals mit verschiedenen Schleifmate-
rialien wie Bimsstein, Trippel, Schachtelhalm, Filz oder Leder und rieb das Möbel
abschließend mit einem eventuell in Wachs getränkten feinen Stoffgewebe oder einer
Bürste ab, bis die Möbeloberfläche glänzte.89
84 Bei diesem Arbeitsgang wurde beispielsweise Lein- oder Nussöl verwendet. Brachert, Klarlacke (1988),
152 ; Michaelsen/Breiholdt, Geschliefen (2003), bes. 510–516. Das Schleifen des Holzes mit Öl war
offenbar etwas früher in Gebrauch, als in dem Beitrag von Michaelsen und Breiholdt angegeben.
85 Kopp/Griesser/Pitthard, Überzüge (2010).
86 Beispielsweise StAGö, K-G/L. 8, BR 1734, Nr. 50. Diese oder ähnliche Formulierungen sind auch in
andern Quellen der Zeit zu finden. Witt-Dörring, Möbelkunst (1978), Bd. 1, 12–13.
87 Ranacher, Wandausstattung (1983), 146. Häufig wurden Firnisse verwendet, deren Grundbestandteil
Kopalharz war. Stürmer, Handwerk (1982), 112. Andere Tischler sowie Instrumentenbauer arbeiteten
mit Bernsteinlacken. Brachert, Klarlacke (1988), 152.
88 Zu Weingeist- und anderen Firnissen Brachert, ebd., bes. 155–175 ; Kopp/Griesser/Pitthard, Überzüge
(2010), 94.
89 Zu den Schleifmaterialien Brachert, ebd., bes. 153–154, 180–182 ; Eipper, Schachtelhalm (2010).
Sakralmöbel aus Österreich
Von Tischlern und ihren Arbeiten im Zeitalter des Absolutismus, Band I: Östliche Landsteile
- Titel
- Sakralmöbel aus Österreich
- Untertitel
- Von Tischlern und ihren Arbeiten im Zeitalter des Absolutismus
- Band
- I: Östliche Landsteile
- Autor
- Michael Bohr
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20512-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 730
- Schlagwörter
- Baroque, applied arts, church furnishings, Barock, Kunsthandwerk, Sakralmöbel
- Kategorie
- Kunst und Kultur
Inhaltsverzeichnis
- Teil 1 Vorbemerkungen
- Teil 2 Grundlegendes
- I. Klerus, Kirchen und Klöster – Tischlereien und Tischlerarbeiten 31
- Zur Barockisierung von Weltkirchen und Klöstern 31
- Tischlerwerkstätten in Wien 33
- Tischlerwerkstätten auf dem Land 36
- Zur Größe der Werkstätten 40
- Zur Zusammenarbeit von Tischlern mit andern Handwerkern 41
- Zur Beschaffung des benötigten Holzes 43
- Zur Qualität des Holzes und zum System der Vergütung von Tischlern 43
- Nachlassende Qualität der Tischlererzeugnisse im fortgeschrittenen 18. Jahrhundert 46
- Zu den verwendeten Materialien 48
- Zur Oberflächenveredelung und Restaurierung 51
- Exkurs : Technische Innovationen als Grundlage der Entwicklung neuer Gestaltungsformen 55
- II. Gestaltungsfragen, Stilformen und Ornamente 58
- III. Die Entwicklung des Kirchenmobiliars 81
- IV. Sakristeien 101
- Ihre Lage innerhalb des Raumgefüges 101
- Der Klosterplan von St. Gallen und frühe Sakristeimöbel 102
- Zur Funktion von Sakristeien, barocke Sakristeieinrichtungen und die Schriften von Carlo Borromeo und Jacob Müller 104
- Altäre und Scheinaltäre 104
- Lavabos 106
- Sakristeischränke und Ankleidekredenzen 107
- Zur Entwicklungsgeschichte der Sakristeischränke 110
- Ankleidetische und Tischkästen 111
- Truhen und Truhenbänke 113
- Beichtstühle 115
- Betpulte, Kniebänke und Bankpulte 116
- V. Mobiliar in Nebenräumen von Kirchen und Klöstern 118
- VI.Zur Hierarchie von Räumen und Möbeln 127
- I. Klerus, Kirchen und Klöster – Tischlereien und Tischlerarbeiten 31
- Teil 3 Katalog – Beiträge zu den Sakralanlagen – Tafeln
- Hinweise 133
- Hinweise zu Provenienzen, Datierungen und Materialien 133
- Hinweise zu den angegebenen Maßen 133
- Hinweise zu den zitierten Schriftquellen 134
- I. Sakralbauten in Wien 135
- II. Sakralbauten in Niederösterreich 247
- Altenburg, Benediktinerstift 247
- Ardagger, Pfarrkirche hl. Margarete 260
- Dürnstein, Pfarrkirche Mariä Himmelfahrt 264
- Geras, Prämonstratenser-Chorherrenstift 283
- Göttweig, Benediktinerstift 294
- Heiligenkreuz, Zisterzienserstift 315
- Herzogenburg, Augustiner-Chorherrenstift 335
- Horn, Piaristenkirche 347
- Klosterneuburg, Augustiner-Chorherrenstift 352
- Krems, Piaristenkirche 367
- Krems, Pfarrkirche St. Veit 380
- Lilienfeld, Zisterzienserstift 386
- Melk, Benediktinerstift 408
- St. Marein, Pfarrkirche hl. Maria 434
- St. Pölten, Dom- und Pfarrkirche Mariae Himmelfahrt 436
- Seitenstetten, Benediktinerstift 452
- Wiener Neustadt, Zisterzienserstift Neukloster 466
- Zwettl, Zisterzienserstift 477
- III. Sakralbauten in Oberösterreich 500
- Baumgartenberg, Pfarrkirche Mariae Himmelfahrt 500
- Kremsmünster, Benediktinerstift 512
- Lambach, Benediktinerstift 534
- Linz, Jesuitenkirche (Alter Dom) 551
- Linz, Karmelitenkloster 566
- Linz, Seminarkirche Hl. Kreuz 572
- St. Florian, Augustiner-Chorherrenstift 580
- Schlägl, Prämonstratenser-Chorherrenstift 607
- Schlierbach, Zisterzienserstift 621
- Waldhausen, Pfarrkirche Mariae Himmelfahrt 631
- Wilhering, Zisterzienserstift 638
- Teil 4 Zusammenfassung und Ausblick – Glossar – Verzeichnisse –
- Literatur
- Zusammenfassung und Ausblick 659
- Zum Aufbau des Buchs 659
- Historischer Abriss 660
- Entwicklungsgeschichte der Kirchenmöbel 661
- Zur Einrichtung verschiedener Räume in Kirchen und Klöstern 662
- Zur Hierarchie sakraler Einrichtungen 663
- Die Auftraggeber und ihr Einfluss auf die Kunstentwicklung 663
- Zum Verhältnis zwischen Auftraggebern, Architekten und Handwerkern 665
- Zu den Tischlern 665
- Stilistische Entwicklung der Möbel 666
- Regionale Besonderheiten 667
- Fazit und Ausblick 668
- Glossar 670
- Ortsindex 678
- Künstlerverzeichnis 682
- Abkürzungsverzeichnis 688
- Abbildungsnachweis 692
- Literaturverzeichnis 693