Seite - 56 - in Sakralmöbel aus Österreich - Von Tischlern und ihren Arbeiten im Zeitalter des Absolutismus, Band I: Östliche Landsteile
Bild der Seite - 56 -
Text der Seite - 56 -
56 | Klerus, Kirchen und Klöster – Tischlereien und Tischlerarbeiten
mentiert ist ; es stand in Augsburg.101 Mithilfe der Gattersägen konnten Baumstämme
nun mühelos zu dünnen Brettern aufgeschnitten werden, was zur Entwicklung der
Möbelbauweise mit Rahmen und Füllungen führte, zu einer Art der Konstruktion also,
die von der Antike bis zur Karolingerzeit bekannt war, dann in Vergessenheit geriet
und ein halbes Jahrtausend später erst wiederentdeckt werden musste.102 Ein Vergleich
der von Giotto di Bondone (1266/67–1337) um 1300 in Verbindung mit Innenan-
sichten vergegenwärtigten Kastenmöbel mit jenen auf Gemälden von Pietro Loren-
zetti (1280/1306–um 1348), die vier Jahrzehnte später entstanden, lässt die Folgen der
Entdeckung auf die Gestaltung der Einrichtungsgegenstände deutlich werden. Die
Rahmenbauweise offerierte völlig neue Möglichkeiten der Formgebung. Friese verlie-
hen den zuvor gleichförmigen Flächen ein konstruktives Gerüst, Füllungen wurden
nun mit einem besonderen Dekor verziert und optisch akzentuiert.103 Zudem erweist
sich lediglich eine Konstruktion mit Rahmen und eingesetzten Binnenfeldern wegen
der spezifischen Materialeigenschaften des Holzes als handwerkstechnisch korrekt,
denn nur sie verhindert Spannungen und Risse in größeren Flächen. Wie der Katalog
belegt, achtete man in der Barockzeit sehr genau auf eine entsprechende Bauweise.
Egal ob Türen und Schmalseiten von Schränken, ob Chorgestühle oder Brustwände
von Kirchenbänken, hochwertigere Möbel wurden fast immer in Rahmenbauweise
hergestellt. Manchmal liegen Füllungen und Rahmen auf einer Ebene, sodass sie als
durchgehende Flächen in Erscheinung treten, manchmal liegen die Füllungen in der
Tiefe aber auch zurück oder stehen nach vorn, sodass die Art der Konstruktion her-
vorgehoben wird.
Ein weiterer Meilenstein in der Entwicklung des Tischlerhandwerks war die Ver-
vollkommnung der Intarsienkunst in den 1330er-Jahren durch Handwerker aus Siena
oder Orvieto. Fügte man zuvor, ähnlich wie bei Cosmatenarbeiten in Stein, allenfalls
kleine, in die Werkstücke eingelegte Schollen zu geometrischen Mustern zusammen,
so versuchte man sich im frühen 14. Jahrhundert erstmals an der Wiedergabe figürli-
cher Darstellungen.104 Wurden Intarsien lange Zeit mit dem Schultermesser geschnit-
ten, muss die Laubsäge zur Herstellung von Marketerien spätestens um 1570 oder
1580 erfunden worden sein. Aus jener Zeit stammt ein kunstvoll gearbeitetes Exemp-
101 Feldhaus, Säge (1921), 24–26 ; Feulner, Kunstgeschichte (1980), 39.
102 Vgl. hierzu den Reliquienschrein, den Papst Leo III. (reg. 795–816) für die Laterankapelle anfertigen
ließ. Im Kapitel zur Entwicklung des Sakristeimobiliars wird er beschrieben. Windisch-Graetz, Möbel
Europas, (1982/83), Bd. 1, 50–52, 182, 183, Abb. 83, 84.
103 Allerdings könnte Lorenzetti auch aus massiven Brettern konstruierte und mit aufgedoppelten Rah-
men verzierte Inventarstücke vor Augen gehabt haben. Zweifellos lässt sich in Lorenzettis Darstellung
aber eine neue formale Grundhaltung bei der Herstellung von Möbeln erkennen.
104 Rohark, Intarsien (2007), 47–54.
Sakralmöbel aus Österreich
Von Tischlern und ihren Arbeiten im Zeitalter des Absolutismus, Band I: Östliche Landsteile
- Titel
- Sakralmöbel aus Österreich
- Untertitel
- Von Tischlern und ihren Arbeiten im Zeitalter des Absolutismus
- Band
- I: Östliche Landsteile
- Autor
- Michael Bohr
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20512-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 730
- Schlagwörter
- Baroque, applied arts, church furnishings, Barock, Kunsthandwerk, Sakralmöbel
- Kategorie
- Kunst und Kultur
Inhaltsverzeichnis
- Teil 1 Vorbemerkungen
- Teil 2 Grundlegendes
- I. Klerus, Kirchen und Klöster – Tischlereien und Tischlerarbeiten 31
- Zur Barockisierung von Weltkirchen und Klöstern 31
- Tischlerwerkstätten in Wien 33
- Tischlerwerkstätten auf dem Land 36
- Zur Größe der Werkstätten 40
- Zur Zusammenarbeit von Tischlern mit andern Handwerkern 41
- Zur Beschaffung des benötigten Holzes 43
- Zur Qualität des Holzes und zum System der Vergütung von Tischlern 43
- Nachlassende Qualität der Tischlererzeugnisse im fortgeschrittenen 18. Jahrhundert 46
- Zu den verwendeten Materialien 48
- Zur Oberflächenveredelung und Restaurierung 51
- Exkurs : Technische Innovationen als Grundlage der Entwicklung neuer Gestaltungsformen 55
- II. Gestaltungsfragen, Stilformen und Ornamente 58
- III. Die Entwicklung des Kirchenmobiliars 81
- IV. Sakristeien 101
- Ihre Lage innerhalb des Raumgefüges 101
- Der Klosterplan von St. Gallen und frühe Sakristeimöbel 102
- Zur Funktion von Sakristeien, barocke Sakristeieinrichtungen und die Schriften von Carlo Borromeo und Jacob Müller 104
- Altäre und Scheinaltäre 104
- Lavabos 106
- Sakristeischränke und Ankleidekredenzen 107
- Zur Entwicklungsgeschichte der Sakristeischränke 110
- Ankleidetische und Tischkästen 111
- Truhen und Truhenbänke 113
- Beichtstühle 115
- Betpulte, Kniebänke und Bankpulte 116
- V. Mobiliar in Nebenräumen von Kirchen und Klöstern 118
- VI.Zur Hierarchie von Räumen und Möbeln 127
- I. Klerus, Kirchen und Klöster – Tischlereien und Tischlerarbeiten 31
- Teil 3 Katalog – Beiträge zu den Sakralanlagen – Tafeln
- Hinweise 133
- Hinweise zu Provenienzen, Datierungen und Materialien 133
- Hinweise zu den angegebenen Maßen 133
- Hinweise zu den zitierten Schriftquellen 134
- I. Sakralbauten in Wien 135
- II. Sakralbauten in Niederösterreich 247
- Altenburg, Benediktinerstift 247
- Ardagger, Pfarrkirche hl. Margarete 260
- Dürnstein, Pfarrkirche Mariä Himmelfahrt 264
- Geras, Prämonstratenser-Chorherrenstift 283
- Göttweig, Benediktinerstift 294
- Heiligenkreuz, Zisterzienserstift 315
- Herzogenburg, Augustiner-Chorherrenstift 335
- Horn, Piaristenkirche 347
- Klosterneuburg, Augustiner-Chorherrenstift 352
- Krems, Piaristenkirche 367
- Krems, Pfarrkirche St. Veit 380
- Lilienfeld, Zisterzienserstift 386
- Melk, Benediktinerstift 408
- St. Marein, Pfarrkirche hl. Maria 434
- St. Pölten, Dom- und Pfarrkirche Mariae Himmelfahrt 436
- Seitenstetten, Benediktinerstift 452
- Wiener Neustadt, Zisterzienserstift Neukloster 466
- Zwettl, Zisterzienserstift 477
- III. Sakralbauten in Oberösterreich 500
- Baumgartenberg, Pfarrkirche Mariae Himmelfahrt 500
- Kremsmünster, Benediktinerstift 512
- Lambach, Benediktinerstift 534
- Linz, Jesuitenkirche (Alter Dom) 551
- Linz, Karmelitenkloster 566
- Linz, Seminarkirche Hl. Kreuz 572
- St. Florian, Augustiner-Chorherrenstift 580
- Schlägl, Prämonstratenser-Chorherrenstift 607
- Schlierbach, Zisterzienserstift 621
- Waldhausen, Pfarrkirche Mariae Himmelfahrt 631
- Wilhering, Zisterzienserstift 638
- Teil 4 Zusammenfassung und Ausblick – Glossar – Verzeichnisse –
- Literatur
- Zusammenfassung und Ausblick 659
- Zum Aufbau des Buchs 659
- Historischer Abriss 660
- Entwicklungsgeschichte der Kirchenmöbel 661
- Zur Einrichtung verschiedener Räume in Kirchen und Klöstern 662
- Zur Hierarchie sakraler Einrichtungen 663
- Die Auftraggeber und ihr Einfluss auf die Kunstentwicklung 663
- Zum Verhältnis zwischen Auftraggebern, Architekten und Handwerkern 665
- Zu den Tischlern 665
- Stilistische Entwicklung der Möbel 666
- Regionale Besonderheiten 667
- Fazit und Ausblick 668
- Glossar 670
- Ortsindex 678
- Künstlerverzeichnis 682
- Abkürzungsverzeichnis 688
- Abbildungsnachweis 692
- Literaturverzeichnis 693