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Gestaltungsfragen, Stilformen und Ornamente |
69Zu
den Detailformen
Mariens häufig Türen von Sakristeischränken wie in Seitenstetten (Abb. 250) oder in
der Linzer Jesuitenkirche (Farbtaf. 25 ; Abb. 336). Stets scheiden die auch als »Adern«
bezeichneten Bänder Binnenfelder und rahmende Friese, meist wurden dreiteilige
Bänder gewählt. Selten kommen wie in der Heiligenkreuzer Bibliothek Fadeneinlagen
vor (Abb. 144), ebenso selten lassen sich siebenteilige Adern nachweisen. Sie zeichnen
Aufsatzschränke in der Prälatensakristei des Stiftes Herzogenburg (Farbtaf. 11) aus
sowie verschiedene Möbel im Kloster Zwettl (Abb. 269, 280).
Gleichzeitig mit solchen Möbeln entstanden Stücke, die fast zur Gänze ohne jed-
weden Ornamentdekor auskamen. Wie weit die Reduzierung dekorativer Elemente
gehen konnte, dokumentiert das um 1710 gefertigte Gestühl im Kreuzgang von Hei-
ligenkreuz (Abb. 151). Im Verbund mit wenigen Schnitzereien bilden dort pilaster-
artige Stützen, die reichen Profilstäbe um die großen Füllungen sowie die Farbe und
Maserung des ausgewählten Holzes den einzigen Schmuck. Das Gestühl muss den
Zeitgenossen als völlig unorthodox erschienen sein, antizipierte es doch bereits jene
Stilmerkmale, die zwei Jahrzehnte später im Osten Österreichs folgen sollten und in
den von Johann Lukas von Hildebrandt (1668–1745) oder seinen Nachfolgern ent-
worfenen protoklassizistischen Ausstattungsstücken für Göttweig ihren vorläufigen
Höhepunkt erreichten (Abb.
128, 129). Wie anders präsentieren sich dagegen die oben
genannten Möbel in Krems, Baumgartenberg und St. Florian, die, obwohl nur wenig
früher oder sogar gleichzeitig gefertigt, geschnitztes Laubwerk italienischer Prägung
geradezu überwuchert !143
Gelegentlich wurden aber wie in Schlägl, Wilhering oder in der Wiener Augus-
tinerkirche auch in den 1730er- und 40er-Jahren noch Möbel gebaut, die völlig mit
Schnitzarbeiten überzogen waren (Farbtaf. 31, 32 ; Abb. 06, 372, 390). Im Zusam-
menhang mit den Bildhauermöbeln müssen direkte künstlerische Kontakte nicht nur
nach Italien oder Frankreich, sondern in diesem speziellen Kontext vor allem nach
Süddeutschland in Erwägung gezogen werden. Möbel, die nach Entwürfen von Joseph
Effner (1687–1745) und François Cuvilliés d. Ä. (1695–1768) im zweiten Viertel des
18.
Jahrhunderts gefertigt wurden, sind hierfür ein ebenso guter Beleg wie das um 1752
entstandene Chorgestühl in der Stiftskirche zu Zwiefalten.144 In der Tat gehen die
Bänke in der Wiener Augustinerkirche auf den Bildschnitzer Johann Baptist Straub
zurück, der bis 1725 in München und Schleißheim mit Effner zusammengearbeitet
143 Ein weiteres frühes Beispiel für den Verzicht auf Zierornamente an sakralen Möbeln bietet das Laien-
gestühl in der Stiftskirche Neukloster von 1716 (Abb. 258).
144 Kreisel/Himmelheber, Deutsche Möbel, Bd. 2 (1983), bes. Abb. 351–362 und 421–453. Zu Cuvil-
liés Berliner/Egger, Vorlageblätter (1981), Bd. 1, 102–103, Bd. 3, Abb. 1272–1290. Zum Gestühl in
Zwiefalten Könner, Orgelprospekt (1992), Abb. 70 ; Wartena, Süddeutsche Chorgestühle (2008), bes.
Abb. 351f und 351i.
Sakralmöbel aus Österreich
Von Tischlern und ihren Arbeiten im Zeitalter des Absolutismus, Band I: Östliche Landsteile
- Titel
- Sakralmöbel aus Österreich
- Untertitel
- Von Tischlern und ihren Arbeiten im Zeitalter des Absolutismus
- Band
- I: Östliche Landsteile
- Autor
- Michael Bohr
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20512-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 730
- Schlagwörter
- Baroque, applied arts, church furnishings, Barock, Kunsthandwerk, Sakralmöbel
- Kategorie
- Kunst und Kultur
Inhaltsverzeichnis
- Teil 1 Vorbemerkungen
- Teil 2 Grundlegendes
- I. Klerus, Kirchen und Klöster – Tischlereien und Tischlerarbeiten 31
- Zur Barockisierung von Weltkirchen und Klöstern 31
- Tischlerwerkstätten in Wien 33
- Tischlerwerkstätten auf dem Land 36
- Zur Größe der Werkstätten 40
- Zur Zusammenarbeit von Tischlern mit andern Handwerkern 41
- Zur Beschaffung des benötigten Holzes 43
- Zur Qualität des Holzes und zum System der Vergütung von Tischlern 43
- Nachlassende Qualität der Tischlererzeugnisse im fortgeschrittenen 18. Jahrhundert 46
- Zu den verwendeten Materialien 48
- Zur Oberflächenveredelung und Restaurierung 51
- Exkurs : Technische Innovationen als Grundlage der Entwicklung neuer Gestaltungsformen 55
- II. Gestaltungsfragen, Stilformen und Ornamente 58
- III. Die Entwicklung des Kirchenmobiliars 81
- IV. Sakristeien 101
- Ihre Lage innerhalb des Raumgefüges 101
- Der Klosterplan von St. Gallen und frühe Sakristeimöbel 102
- Zur Funktion von Sakristeien, barocke Sakristeieinrichtungen und die Schriften von Carlo Borromeo und Jacob Müller 104
- Altäre und Scheinaltäre 104
- Lavabos 106
- Sakristeischränke und Ankleidekredenzen 107
- Zur Entwicklungsgeschichte der Sakristeischränke 110
- Ankleidetische und Tischkästen 111
- Truhen und Truhenbänke 113
- Beichtstühle 115
- Betpulte, Kniebänke und Bankpulte 116
- V. Mobiliar in Nebenräumen von Kirchen und Klöstern 118
- VI.Zur Hierarchie von Räumen und Möbeln 127
- I. Klerus, Kirchen und Klöster – Tischlereien und Tischlerarbeiten 31
- Teil 3 Katalog – Beiträge zu den Sakralanlagen – Tafeln
- Hinweise 133
- Hinweise zu Provenienzen, Datierungen und Materialien 133
- Hinweise zu den angegebenen Maßen 133
- Hinweise zu den zitierten Schriftquellen 134
- I. Sakralbauten in Wien 135
- II. Sakralbauten in Niederösterreich 247
- Altenburg, Benediktinerstift 247
- Ardagger, Pfarrkirche hl. Margarete 260
- Dürnstein, Pfarrkirche Mariä Himmelfahrt 264
- Geras, Prämonstratenser-Chorherrenstift 283
- Göttweig, Benediktinerstift 294
- Heiligenkreuz, Zisterzienserstift 315
- Herzogenburg, Augustiner-Chorherrenstift 335
- Horn, Piaristenkirche 347
- Klosterneuburg, Augustiner-Chorherrenstift 352
- Krems, Piaristenkirche 367
- Krems, Pfarrkirche St. Veit 380
- Lilienfeld, Zisterzienserstift 386
- Melk, Benediktinerstift 408
- St. Marein, Pfarrkirche hl. Maria 434
- St. Pölten, Dom- und Pfarrkirche Mariae Himmelfahrt 436
- Seitenstetten, Benediktinerstift 452
- Wiener Neustadt, Zisterzienserstift Neukloster 466
- Zwettl, Zisterzienserstift 477
- III. Sakralbauten in Oberösterreich 500
- Baumgartenberg, Pfarrkirche Mariae Himmelfahrt 500
- Kremsmünster, Benediktinerstift 512
- Lambach, Benediktinerstift 534
- Linz, Jesuitenkirche (Alter Dom) 551
- Linz, Karmelitenkloster 566
- Linz, Seminarkirche Hl. Kreuz 572
- St. Florian, Augustiner-Chorherrenstift 580
- Schlägl, Prämonstratenser-Chorherrenstift 607
- Schlierbach, Zisterzienserstift 621
- Waldhausen, Pfarrkirche Mariae Himmelfahrt 631
- Wilhering, Zisterzienserstift 638
- Teil 4 Zusammenfassung und Ausblick – Glossar – Verzeichnisse –
- Literatur
- Zusammenfassung und Ausblick 659
- Zum Aufbau des Buchs 659
- Historischer Abriss 660
- Entwicklungsgeschichte der Kirchenmöbel 661
- Zur Einrichtung verschiedener Räume in Kirchen und Klöstern 662
- Zur Hierarchie sakraler Einrichtungen 663
- Die Auftraggeber und ihr Einfluss auf die Kunstentwicklung 663
- Zum Verhältnis zwischen Auftraggebern, Architekten und Handwerkern 665
- Zu den Tischlern 665
- Stilistische Entwicklung der Möbel 666
- Regionale Besonderheiten 667
- Fazit und Ausblick 668
- Glossar 670
- Ortsindex 678
- Künstlerverzeichnis 682
- Abkürzungsverzeichnis 688
- Abbildungsnachweis 692
- Literaturverzeichnis 693