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70 | Gestaltungsfragen, Stilformen und Ornamente
hatte.145 Dagegen hatte Stift Wilhering mit Johann Georg Üblher (1703–1763) und
Johann Michael Feichtmayr (1709/10–1772) Stuckateure der Wessobrunner Schule
und mit Johann Georg Früholz einen Vergolder aus München unter Vertrag. In seiner
Untersuchung zum Orgelbau in Süddeutschland belegte Klaus Könner, dass die Ent-
würfe zu den Gehäusen, den Verzierungen und zur Komposition von Spielwerken und
Orgelpfeifen häufig unter der Federführung verschiedener Meister entwickelt wur-
den, die in Künstlergemeinschaften zusammenarbeiteten.146 Zumindest hinsichtlich
der Stiftskirche Wilhering, vielleicht ja auch in Verbindung mit der Chorgestühls-
brüstung in Heiligenkreuz, muss wegen der verwandten, teilweise sogar identischen
Formensprache von Bildhauerarbeiten und Stuckverzierungen mit einer ähnlichen
Arbeitsweise gerechnet werden (Farbtaf. 32 ; Abb. 391, 395). Die Tischlerarbeiten in
Wilhering vermitteln den Eindruck, dass ihre gestalterische Eigenständigkeit zuguns-
ten einer engen Verknüpfung mit der Raumdekoration aufgegeben wurde.
Zum Akanthus italienischen und Bandlwerk französischen Ursprungs gesellen sich
die Laienbänke der Wiener Franziskanerkirche aus den 1720er- und die Bänke der Au-
gustinerkirche aus den 1730er-Jahren (Abb. 07, 22, 23) mit geschnitzten figürlichen
Darstellungen und Reliefs mit sakralen Gegenständen. Rundbilder an den Möbeln in
der Franziskanerkirche vergegenwärtigen Ordensheilige, die Reliefs an den Möbeln der
Augustinerkirche dagegen kultische Gerätschaften sowie Begebenheiten aus der Hei-
ligen Schrift. Auffallend ist ferner, dass in jenen Jahren für vier in großer geografischer
Nähe verortete Kirchen, für die heutige Domkirche in St. Pölten (Farbtaf. 17), für die
Stiftskirchen in Dürnstein (Farbtaf. 7 ; Abb. 115) und Melk (Farbtaf. 15, 16) sowie für
die Pfarrkirche St. Veit in Krems (Abb. 190, 191), Chorgestühle verfertigt wurden, de-
ren Hauptzierde in reliefierten Bildern besteht. Hinzuzufügen wäre noch das nach 1707
entstandene Giuliani-Gestühl in Heiligenkreuz (Farbtaf.
10 ; Abb.
148). Veranschaulicht
das Gestühl der Abtei im Wienerwald Szenen aus dem Leben Christi, so zeigen die
Darstellungen in St. Pölten und Krems Bilder von Aposteln und ihrem Martyrium. Das
Gestühl in Melk ist mit Begebenheiten aus dem Leben Benedikts dekoriert, wohingegen
am Dürnsteiner Gestühl Inschriftentafeln Verse des »Te Deum laudamus« tragen, die die
Reliefs in figurative Kompositionen übersetzen. Weitere Darstellungen – die Vertreibung
der Händler aus dem Tempel sowie die Anbetung Gottes – vermitteln dort die beiden
Einzelstallen von Propst und Dechant. Danach kommen im Osten Österreichs und im
hier interessierenden Zeitraum mit Reliefbildern verzierte Gestühle nicht mehr vor.147
145 Steiner, Straub (1974), 37.
146 Könner, Orgelprospekt (1992), beispielsweise 167–169.
147 Auch sonst wurden solche Möbel in Österreich kaum noch gefertigt. Ein Beispiel von 1791 befindet
sich in der Stiftskirche des Klosters Wilten bei Innsbruck. Gombocz, Restaurierung (2008), 103–107.
Sakralmöbel aus Österreich
Von Tischlern und ihren Arbeiten im Zeitalter des Absolutismus, Band I: Östliche Landsteile
- Titel
- Sakralmöbel aus Österreich
- Untertitel
- Von Tischlern und ihren Arbeiten im Zeitalter des Absolutismus
- Band
- I: Östliche Landsteile
- Autor
- Michael Bohr
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20512-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 730
- Schlagwörter
- Baroque, applied arts, church furnishings, Barock, Kunsthandwerk, Sakralmöbel
- Kategorie
- Kunst und Kultur
Inhaltsverzeichnis
- Teil 1 Vorbemerkungen
- Teil 2 Grundlegendes
- I. Klerus, Kirchen und Klöster – Tischlereien und Tischlerarbeiten 31
- Zur Barockisierung von Weltkirchen und Klöstern 31
- Tischlerwerkstätten in Wien 33
- Tischlerwerkstätten auf dem Land 36
- Zur Größe der Werkstätten 40
- Zur Zusammenarbeit von Tischlern mit andern Handwerkern 41
- Zur Beschaffung des benötigten Holzes 43
- Zur Qualität des Holzes und zum System der Vergütung von Tischlern 43
- Nachlassende Qualität der Tischlererzeugnisse im fortgeschrittenen 18. Jahrhundert 46
- Zu den verwendeten Materialien 48
- Zur Oberflächenveredelung und Restaurierung 51
- Exkurs : Technische Innovationen als Grundlage der Entwicklung neuer Gestaltungsformen 55
- II. Gestaltungsfragen, Stilformen und Ornamente 58
- III. Die Entwicklung des Kirchenmobiliars 81
- IV. Sakristeien 101
- Ihre Lage innerhalb des Raumgefüges 101
- Der Klosterplan von St. Gallen und frühe Sakristeimöbel 102
- Zur Funktion von Sakristeien, barocke Sakristeieinrichtungen und die Schriften von Carlo Borromeo und Jacob Müller 104
- Altäre und Scheinaltäre 104
- Lavabos 106
- Sakristeischränke und Ankleidekredenzen 107
- Zur Entwicklungsgeschichte der Sakristeischränke 110
- Ankleidetische und Tischkästen 111
- Truhen und Truhenbänke 113
- Beichtstühle 115
- Betpulte, Kniebänke und Bankpulte 116
- V. Mobiliar in Nebenräumen von Kirchen und Klöstern 118
- VI.Zur Hierarchie von Räumen und Möbeln 127
- I. Klerus, Kirchen und Klöster – Tischlereien und Tischlerarbeiten 31
- Teil 3 Katalog – Beiträge zu den Sakralanlagen – Tafeln
- Hinweise 133
- Hinweise zu Provenienzen, Datierungen und Materialien 133
- Hinweise zu den angegebenen Maßen 133
- Hinweise zu den zitierten Schriftquellen 134
- I. Sakralbauten in Wien 135
- II. Sakralbauten in Niederösterreich 247
- Altenburg, Benediktinerstift 247
- Ardagger, Pfarrkirche hl. Margarete 260
- Dürnstein, Pfarrkirche Mariä Himmelfahrt 264
- Geras, Prämonstratenser-Chorherrenstift 283
- Göttweig, Benediktinerstift 294
- Heiligenkreuz, Zisterzienserstift 315
- Herzogenburg, Augustiner-Chorherrenstift 335
- Horn, Piaristenkirche 347
- Klosterneuburg, Augustiner-Chorherrenstift 352
- Krems, Piaristenkirche 367
- Krems, Pfarrkirche St. Veit 380
- Lilienfeld, Zisterzienserstift 386
- Melk, Benediktinerstift 408
- St. Marein, Pfarrkirche hl. Maria 434
- St. Pölten, Dom- und Pfarrkirche Mariae Himmelfahrt 436
- Seitenstetten, Benediktinerstift 452
- Wiener Neustadt, Zisterzienserstift Neukloster 466
- Zwettl, Zisterzienserstift 477
- III. Sakralbauten in Oberösterreich 500
- Baumgartenberg, Pfarrkirche Mariae Himmelfahrt 500
- Kremsmünster, Benediktinerstift 512
- Lambach, Benediktinerstift 534
- Linz, Jesuitenkirche (Alter Dom) 551
- Linz, Karmelitenkloster 566
- Linz, Seminarkirche Hl. Kreuz 572
- St. Florian, Augustiner-Chorherrenstift 580
- Schlägl, Prämonstratenser-Chorherrenstift 607
- Schlierbach, Zisterzienserstift 621
- Waldhausen, Pfarrkirche Mariae Himmelfahrt 631
- Wilhering, Zisterzienserstift 638
- Teil 4 Zusammenfassung und Ausblick – Glossar – Verzeichnisse –
- Literatur
- Zusammenfassung und Ausblick 659
- Zum Aufbau des Buchs 659
- Historischer Abriss 660
- Entwicklungsgeschichte der Kirchenmöbel 661
- Zur Einrichtung verschiedener Räume in Kirchen und Klöstern 662
- Zur Hierarchie sakraler Einrichtungen 663
- Die Auftraggeber und ihr Einfluss auf die Kunstentwicklung 663
- Zum Verhältnis zwischen Auftraggebern, Architekten und Handwerkern 665
- Zu den Tischlern 665
- Stilistische Entwicklung der Möbel 666
- Regionale Besonderheiten 667
- Fazit und Ausblick 668
- Glossar 670
- Ortsindex 678
- Künstlerverzeichnis 682
- Abkürzungsverzeichnis 688
- Abbildungsnachweis 692
- Literaturverzeichnis 693