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220 | Sakralbauten in Wien
Kapelle
Über der Sakristei liegt eine Kapelle, die sich mit zwei Arkaden zum nördlichen Kai-
seroratorium hin öffnet.124 Die Durchgänge sind weitgehend durch Kniebänke ver-
baut, an deren Rückseite man in Richtung zum Kirchenraum eine Sitzbank befestigte
(Abb. 70). Abgesehen von einem Altar stehen in der Kapelle drei große Schränke, in
denen einst die Bruderschaft der hl.
Dreifaltigkeit ihre Ornate aufbewahrte (Abb.
71).
3 Schränke
Entwurf verm. Matthias Steinl, um 1720/30
H 370 cm x B 170 cm / 198 cm / 246 cm x T 95 cm
Nussbaum, Nussbaummaser, Ahorn (?), furniert auf Nadelholz. Eisen, Messing
Bis auf die Breite besitzen die zweitürigen Möbel übereinstimmende Maße. Die
Schränke lasten auf einem profilierten Sockel, über dem direkt die bis unter das
schwere Gebälk reichenden Türen folgen. Vorn hat man die vertikalen Außenkanten
abgerundet und nach innen verkröpft, ein formaler Kunstgriff, der in ähnlicher Form
an zahlreichen Sakristeimöbeln des zweiten Jahrhundertviertels zu beobachten ist.
Die schlanken Türen sind in drei übereinanderliegende Felder gleicher Größe unter-
teilt, wie das auch schon an den 1701 von Franz Andreas Bogner (um 1663–1714) ge-
bauten Türen der Sommersakristei des Stiftes Melk der Fall ist (Abb.
218). Sonst wurde
an Schrank- und Zimmertüren der Zeit als mittleres Feld häufig ein kleineres quer-
liegendes gewählt, falls man nicht überhaupt die traditionelle Form mit zwei großen
Füllungen aufgriff. Auf die Rahmen der aufwendig furnierten Möbel ist Nussbaumholz
im Fischgratmuster aufgelegt, während man die auf einer Ebene mit den Rahmen lie-
genden Füllungen mit dunklem Maserholz überzog. Geschwungene, aus S-Bögen und
C-Schnörkeln bestehende breite Adern vervollständigen die Gestaltung der Oberfläche.
Bei hoher handwerklicher Qualität, die sich unter anderem darin äußert, dass So-
ckel, Schlagleiste und Gesims querfurniert wurden, zeigen die Möbel ein Formenre-
pertoire, das der herkömmlichen Formensprache entspricht. Was sich allerdings vom
üblichen Kanon deutlich unterscheidet, sind die Beschläge (Abb. 72). Bestanden sie
damals gewöhnlich aus geschweift geschnittenen Messingschildern oder durchbro-
chen gearbeitetem, aber flach und zweidimensional aufgefasstem Bandlwerk, setzen
sich die Beschläge der Kapellenmöbel aus kleinteiligen, mit feinem Blattwerk verzier-
ten C- und S-Bögen zusammen. Über die Bögen legt sich eine Kartusche, deren Ecken
124 Dehio, ebd., 139.
Sakralmöbel aus Österreich
Von Tischlern und ihren Arbeiten im Zeitalter des Absolutismus, Band I: Östliche Landsteile
- Titel
- Sakralmöbel aus Österreich
- Untertitel
- Von Tischlern und ihren Arbeiten im Zeitalter des Absolutismus
- Band
- I: Östliche Landsteile
- Autor
- Michael Bohr
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20512-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 730
- Schlagwörter
- Baroque, applied arts, church furnishings, Barock, Kunsthandwerk, Sakralmöbel
- Kategorie
- Kunst und Kultur
Inhaltsverzeichnis
- Teil 1 Vorbemerkungen
- Teil 2 Grundlegendes
- I. Klerus, Kirchen und Klöster – Tischlereien und Tischlerarbeiten 31
- Zur Barockisierung von Weltkirchen und Klöstern 31
- Tischlerwerkstätten in Wien 33
- Tischlerwerkstätten auf dem Land 36
- Zur Größe der Werkstätten 40
- Zur Zusammenarbeit von Tischlern mit andern Handwerkern 41
- Zur Beschaffung des benötigten Holzes 43
- Zur Qualität des Holzes und zum System der Vergütung von Tischlern 43
- Nachlassende Qualität der Tischlererzeugnisse im fortgeschrittenen 18. Jahrhundert 46
- Zu den verwendeten Materialien 48
- Zur Oberflächenveredelung und Restaurierung 51
- Exkurs : Technische Innovationen als Grundlage der Entwicklung neuer Gestaltungsformen 55
- II. Gestaltungsfragen, Stilformen und Ornamente 58
- III. Die Entwicklung des Kirchenmobiliars 81
- IV. Sakristeien 101
- Ihre Lage innerhalb des Raumgefüges 101
- Der Klosterplan von St. Gallen und frühe Sakristeimöbel 102
- Zur Funktion von Sakristeien, barocke Sakristeieinrichtungen und die Schriften von Carlo Borromeo und Jacob Müller 104
- Altäre und Scheinaltäre 104
- Lavabos 106
- Sakristeischränke und Ankleidekredenzen 107
- Zur Entwicklungsgeschichte der Sakristeischränke 110
- Ankleidetische und Tischkästen 111
- Truhen und Truhenbänke 113
- Beichtstühle 115
- Betpulte, Kniebänke und Bankpulte 116
- V. Mobiliar in Nebenräumen von Kirchen und Klöstern 118
- VI.Zur Hierarchie von Räumen und Möbeln 127
- I. Klerus, Kirchen und Klöster – Tischlereien und Tischlerarbeiten 31
- Teil 3 Katalog – Beiträge zu den Sakralanlagen – Tafeln
- Hinweise 133
- Hinweise zu Provenienzen, Datierungen und Materialien 133
- Hinweise zu den angegebenen Maßen 133
- Hinweise zu den zitierten Schriftquellen 134
- I. Sakralbauten in Wien 135
- II. Sakralbauten in Niederösterreich 247
- Altenburg, Benediktinerstift 247
- Ardagger, Pfarrkirche hl. Margarete 260
- Dürnstein, Pfarrkirche Mariä Himmelfahrt 264
- Geras, Prämonstratenser-Chorherrenstift 283
- Göttweig, Benediktinerstift 294
- Heiligenkreuz, Zisterzienserstift 315
- Herzogenburg, Augustiner-Chorherrenstift 335
- Horn, Piaristenkirche 347
- Klosterneuburg, Augustiner-Chorherrenstift 352
- Krems, Piaristenkirche 367
- Krems, Pfarrkirche St. Veit 380
- Lilienfeld, Zisterzienserstift 386
- Melk, Benediktinerstift 408
- St. Marein, Pfarrkirche hl. Maria 434
- St. Pölten, Dom- und Pfarrkirche Mariae Himmelfahrt 436
- Seitenstetten, Benediktinerstift 452
- Wiener Neustadt, Zisterzienserstift Neukloster 466
- Zwettl, Zisterzienserstift 477
- III. Sakralbauten in Oberösterreich 500
- Baumgartenberg, Pfarrkirche Mariae Himmelfahrt 500
- Kremsmünster, Benediktinerstift 512
- Lambach, Benediktinerstift 534
- Linz, Jesuitenkirche (Alter Dom) 551
- Linz, Karmelitenkloster 566
- Linz, Seminarkirche Hl. Kreuz 572
- St. Florian, Augustiner-Chorherrenstift 580
- Schlägl, Prämonstratenser-Chorherrenstift 607
- Schlierbach, Zisterzienserstift 621
- Waldhausen, Pfarrkirche Mariae Himmelfahrt 631
- Wilhering, Zisterzienserstift 638
- Teil 4 Zusammenfassung und Ausblick – Glossar – Verzeichnisse –
- Literatur
- Zusammenfassung und Ausblick 659
- Zum Aufbau des Buchs 659
- Historischer Abriss 660
- Entwicklungsgeschichte der Kirchenmöbel 661
- Zur Einrichtung verschiedener Räume in Kirchen und Klöstern 662
- Zur Hierarchie sakraler Einrichtungen 663
- Die Auftraggeber und ihr Einfluss auf die Kunstentwicklung 663
- Zum Verhältnis zwischen Auftraggebern, Architekten und Handwerkern 665
- Zu den Tischlern 665
- Stilistische Entwicklung der Möbel 666
- Regionale Besonderheiten 667
- Fazit und Ausblick 668
- Glossar 670
- Ortsindex 678
- Künstlerverzeichnis 682
- Abkürzungsverzeichnis 688
- Abbildungsnachweis 692
- Literaturverzeichnis 693