Seite - 253 - in Sakralmöbel aus Österreich - Von Tischlern und ihren Arbeiten im Zeitalter des Absolutismus, Band I: Östliche Landsteile
Bild der Seite - 253 -
Text der Seite - 253 -
Schottenstift (Benediktinerkloster) |
253Altenburg,
Benediktinerstift
die Reservesitze benutzt, übernehmen sie die Funktion der Armlehnen, auf die sich
die Mönche beim Chorgebet stützen. Zwischen die Pilaster hat man leicht bossierte
rechteckige Felder eingesetzt.
Schwere Doppelvoluten auf den Accoudoirs schaffen eine überzeugende optische
Verbindung zum Dorsale. Ionische Pilaster strukturieren die Rückwand, deren mittlere
Felder ein breites achsensymmetrisches Zentrum zwischen den Seitentravéen bilden.
Das Abschlussgebälk ist verkröpft, in der Mitte wölbt es sich als Halbkreis nach oben.
Unter dem Bogen stützen Voluten ein großes Brustbild, auf der Epistelseite das des
hl. Benedikt (um 480–547), gegenüber das seiner Schwester Scholastika (um 480–um
542). Geschnitzte C-Spangen, Ziergiebel und Postamente mit Vasen dienen als Dor-
saleaufsatz, Blattranken und Gitterwerk schmücken die Freiräume.
Die konstruktiven Teile des Gestühls bestehen aus Eiche und Nadelholz, für die
Furniere wählte man gestreiften Nussbaum, Nussbaummaser, Pappelmaser und Buche,
die Adern schnitt man aus Zwetschke, vermutlich auch aus geschwärzter Buche.179
Die Marketerien zeigen in erster Linie vegetabil verziertes Bandlwerk sowie andere
ornamentale Figurationen mit gravierten und brandschattierten Binnenzeichnungen.
Zur Herstellung der Voluten auf den Armlehnen und der Kapitelle der Vorderwand
diente geschwärztes Nussholz, die Kapitelle der Rückwand wurden dagegen vergoldet.
Für die Schnitzarbeiten des Aufsatzes dürfte farbig gefasstes und vergoldetes Lin-
denholz verwendet worden sein. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts entstandene Fotos
zeigen, dass auf der Brüstung einst vier Lesepulte befestigt waren, die heute verloren
sind.180
Entwurf des Gestühls von Joseph Munggenast oder Joseph Matthias Götz ?
Die Innenausstattung der Stiftskirche präsentiert sich als perfekt aufeinander abge-
stimmte Inszenierung verschiedener Kunsterzeugnisse. Das legt es nahe, Dekoration
und Einrichtung auf detaillierte Planungen Joseph Munggenasts zurückzuführen.
Aber könnte auch der Entwurf zum Chorgestühl von ihm stammen ? Eine Gegen-
überstellung des Altenburger Gestühls mit den um 1728 entstandenen Stallen in der
Stiftkirche von Zwettl (Abb. 267), für die unter Vorbehalt eine Vorzeichnung Mung-
genasts angenommen werden darf, lässt tatsächlich erstaunliche Übereinstimmungen
179 Letzteres müsste mit einer mikroskopischen Untersuchung verifiziert werden. Bei den für diese Holzart
untypischen Vertiefungen in der Oberfläche könnte es sich um Schäden in der Holzstruktur handeln,
die auf ein säurehaltiges Lösungsmittel in der schwarzen Beize zurückzuführen sind. Freundlicher
Hinweis von Peter Kopp. Zu schwarzen Färbemitteln und zur Verwendung von Säuren Michaelsen/
Buchholz, Holzbeizen (2006), 408, 420–422, 502–548.
180 ÖKT, Horn, 2 (1911), 281, Fig. 303 und 286, Fig. 308 und freundlicher Hinweis von P. Albert Groiß.
Sakralmöbel aus Österreich
Von Tischlern und ihren Arbeiten im Zeitalter des Absolutismus, Band I: Östliche Landsteile
- Titel
- Sakralmöbel aus Österreich
- Untertitel
- Von Tischlern und ihren Arbeiten im Zeitalter des Absolutismus
- Band
- I: Östliche Landsteile
- Autor
- Michael Bohr
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20512-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 730
- Schlagwörter
- Baroque, applied arts, church furnishings, Barock, Kunsthandwerk, Sakralmöbel
- Kategorie
- Kunst und Kultur
Inhaltsverzeichnis
- Teil 1 Vorbemerkungen
- Teil 2 Grundlegendes
- I. Klerus, Kirchen und Klöster – Tischlereien und Tischlerarbeiten 31
- Zur Barockisierung von Weltkirchen und Klöstern 31
- Tischlerwerkstätten in Wien 33
- Tischlerwerkstätten auf dem Land 36
- Zur Größe der Werkstätten 40
- Zur Zusammenarbeit von Tischlern mit andern Handwerkern 41
- Zur Beschaffung des benötigten Holzes 43
- Zur Qualität des Holzes und zum System der Vergütung von Tischlern 43
- Nachlassende Qualität der Tischlererzeugnisse im fortgeschrittenen 18. Jahrhundert 46
- Zu den verwendeten Materialien 48
- Zur Oberflächenveredelung und Restaurierung 51
- Exkurs : Technische Innovationen als Grundlage der Entwicklung neuer Gestaltungsformen 55
- II. Gestaltungsfragen, Stilformen und Ornamente 58
- III. Die Entwicklung des Kirchenmobiliars 81
- IV. Sakristeien 101
- Ihre Lage innerhalb des Raumgefüges 101
- Der Klosterplan von St. Gallen und frühe Sakristeimöbel 102
- Zur Funktion von Sakristeien, barocke Sakristeieinrichtungen und die Schriften von Carlo Borromeo und Jacob Müller 104
- Altäre und Scheinaltäre 104
- Lavabos 106
- Sakristeischränke und Ankleidekredenzen 107
- Zur Entwicklungsgeschichte der Sakristeischränke 110
- Ankleidetische und Tischkästen 111
- Truhen und Truhenbänke 113
- Beichtstühle 115
- Betpulte, Kniebänke und Bankpulte 116
- V. Mobiliar in Nebenräumen von Kirchen und Klöstern 118
- VI.Zur Hierarchie von Räumen und Möbeln 127
- I. Klerus, Kirchen und Klöster – Tischlereien und Tischlerarbeiten 31
- Teil 3 Katalog – Beiträge zu den Sakralanlagen – Tafeln
- Hinweise 133
- Hinweise zu Provenienzen, Datierungen und Materialien 133
- Hinweise zu den angegebenen Maßen 133
- Hinweise zu den zitierten Schriftquellen 134
- I. Sakralbauten in Wien 135
- II. Sakralbauten in Niederösterreich 247
- Altenburg, Benediktinerstift 247
- Ardagger, Pfarrkirche hl. Margarete 260
- Dürnstein, Pfarrkirche Mariä Himmelfahrt 264
- Geras, Prämonstratenser-Chorherrenstift 283
- Göttweig, Benediktinerstift 294
- Heiligenkreuz, Zisterzienserstift 315
- Herzogenburg, Augustiner-Chorherrenstift 335
- Horn, Piaristenkirche 347
- Klosterneuburg, Augustiner-Chorherrenstift 352
- Krems, Piaristenkirche 367
- Krems, Pfarrkirche St. Veit 380
- Lilienfeld, Zisterzienserstift 386
- Melk, Benediktinerstift 408
- St. Marein, Pfarrkirche hl. Maria 434
- St. Pölten, Dom- und Pfarrkirche Mariae Himmelfahrt 436
- Seitenstetten, Benediktinerstift 452
- Wiener Neustadt, Zisterzienserstift Neukloster 466
- Zwettl, Zisterzienserstift 477
- III. Sakralbauten in Oberösterreich 500
- Baumgartenberg, Pfarrkirche Mariae Himmelfahrt 500
- Kremsmünster, Benediktinerstift 512
- Lambach, Benediktinerstift 534
- Linz, Jesuitenkirche (Alter Dom) 551
- Linz, Karmelitenkloster 566
- Linz, Seminarkirche Hl. Kreuz 572
- St. Florian, Augustiner-Chorherrenstift 580
- Schlägl, Prämonstratenser-Chorherrenstift 607
- Schlierbach, Zisterzienserstift 621
- Waldhausen, Pfarrkirche Mariae Himmelfahrt 631
- Wilhering, Zisterzienserstift 638
- Teil 4 Zusammenfassung und Ausblick – Glossar – Verzeichnisse –
- Literatur
- Zusammenfassung und Ausblick 659
- Zum Aufbau des Buchs 659
- Historischer Abriss 660
- Entwicklungsgeschichte der Kirchenmöbel 661
- Zur Einrichtung verschiedener Räume in Kirchen und Klöstern 662
- Zur Hierarchie sakraler Einrichtungen 663
- Die Auftraggeber und ihr Einfluss auf die Kunstentwicklung 663
- Zum Verhältnis zwischen Auftraggebern, Architekten und Handwerkern 665
- Zu den Tischlern 665
- Stilistische Entwicklung der Möbel 666
- Regionale Besonderheiten 667
- Fazit und Ausblick 668
- Glossar 670
- Ortsindex 678
- Künstlerverzeichnis 682
- Abkürzungsverzeichnis 688
- Abbildungsnachweis 692
- Literaturverzeichnis 693