Seite - 295 - in Sakralmöbel aus Österreich - Von Tischlern und ihren Arbeiten im Zeitalter des Absolutismus, Band I: Östliche Landsteile
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Göttweig, Benediktinerstift | 295
eine hervorragende Kunstsammlung und außerordentliche dichte Archivbestände, die
einen guten Eindruck vom täglichen Leben der Handwerker in einer Abtei vermitteln.
Private Handwerksbetriebe und die Stiftstischlerei im frühen 18. Jahrhundert
Wegen fortwährend anfallender Reparaturarbeiten gab es für Tischler immer Ver-
dienstmöglichkeiten in der Abtei. Dabei genügte es normalerweise, lokale Handwer-
ker mit den Aufgaben zu betrauen. So arbeiteten den Schriftquellen zufolge um 1700
die Tischler Matthias Stükhl aus Furth, Leopold Roiß, wohl ebenfalls aus der Um-
gebung von Göttweig, und Jacob Kintz (Kinz) aus Ybbs für das Kloster.251 Erst nach
der Brandkatastrophe von 1718 musste zur Wiederherstellung des Klosters in einem
der Nebengebäude eine Tischlerei eingerichtet werden. 1721 standen mit Achatius
Pringer, Joseph Wrüberger, Thomas Breitenauer und Heinrich Johann Holdermann
(1697–1739) vier Schreiner im Dienste des Stiftes.252 Abt Bessel beauftragte den aus
Westfalen zugereisten Holdermann mit dem Aufbau einer Stiftswerkstatt, 1722 er-
nannte er ihn zum Obertischler, 1727 verlieh er ihm den Titel des Hoftischlers. Be-
reits 1721 hatte Holdermann für das Kloster Werkzeuge in Wien erworben, weitere
im folgenden Jahr in St. Pölten.253 Und er stockte die Anzahl der Mitarbeiter auf :
1722 sind in den Unterlagen der Stiftswerkstatt fünf Beschäftigte genannt, 1723 neun,
später bis zu 14.254 1726 heiratete Holdermann und ließ sich in Furth nieder, wo er
vom Stift ein Haus mit einer angegliederten Schreinerei erworben hatte.255
Die von Holdermann geleitete Stiftstischlerei sowie seine eigene Werkstatt über-
nahmen in der Folgezeit bis auf die Konstruktion der Dachstühle sämtliche Tisch-
lerarbeiten, die im Kloster anfielen.256 In der Stiftskirche reparierte er Altäre, in den
Klosterräumen verlegte er Fußböden, setzte Fenster und Türen, baute Blindrahmen für
Wandbespannungen und besserte Möbel aus.257 Ferner verließen neue Betten, Tische,
Schränke, Sitzmöbel, Bilderrahmen und Billardtische seine Werkstatt.258 1727 arbeitete
Holdermann im Kapitelsaal des Klosters, danach in der Bibliothek.259 In den nächsten
251 StAGö, K-G/L. 8, RR
1690, Nr.
132, Nr.
133, Nr.
135 ; RR
1701, Nr.
132 ; RR
1702, Nr.
165 ; RR
1703,
Nr.
156 ; RR
1703, Nr.
160 ; RR
1704, Nr.
M/XXIII. Zu einem Schrank von Matthias Stükhl vgl. Bohr,
Handwerkersaläre (2011), 344–345.
252 Ritter, Regesten, RR 1721, Nr. 140, Nr. 141, Nr. 143, Nr. 178.
253 StAGö, K-G/L. 8, RR 1721, Nr. 402 ; Ritter, Forschungsergebnisse (1961), 71.
254 Ritter, ebd.; ders., Bauherr (1972), 124.
255 Ritter, Forschungsergebnisse (1961), ebd.; Maroli, Häuserchronik (1985), 620.
256 Ritter, ebd., 71, 78.
257 Zu den Wandbespannungen Ranacher, Wandausstattung (1983), 147.
258 StAGö, K-G/L. 8, BR 1724, Nr. 101, BR 1732, BR 1733 ff.
259 Ritter, Forschungsergebnisse (1961), 90.
Sakralmöbel aus Österreich
Von Tischlern und ihren Arbeiten im Zeitalter des Absolutismus, Band I: Östliche Landsteile
- Titel
- Sakralmöbel aus Österreich
- Untertitel
- Von Tischlern und ihren Arbeiten im Zeitalter des Absolutismus
- Band
- I: Östliche Landsteile
- Autor
- Michael Bohr
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20512-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 730
- Schlagwörter
- Baroque, applied arts, church furnishings, Barock, Kunsthandwerk, Sakralmöbel
- Kategorie
- Kunst und Kultur
Inhaltsverzeichnis
- Teil 1 Vorbemerkungen
- Teil 2 Grundlegendes
- I. Klerus, Kirchen und Klöster – Tischlereien und Tischlerarbeiten 31
- Zur Barockisierung von Weltkirchen und Klöstern 31
- Tischlerwerkstätten in Wien 33
- Tischlerwerkstätten auf dem Land 36
- Zur Größe der Werkstätten 40
- Zur Zusammenarbeit von Tischlern mit andern Handwerkern 41
- Zur Beschaffung des benötigten Holzes 43
- Zur Qualität des Holzes und zum System der Vergütung von Tischlern 43
- Nachlassende Qualität der Tischlererzeugnisse im fortgeschrittenen 18. Jahrhundert 46
- Zu den verwendeten Materialien 48
- Zur Oberflächenveredelung und Restaurierung 51
- Exkurs : Technische Innovationen als Grundlage der Entwicklung neuer Gestaltungsformen 55
- II. Gestaltungsfragen, Stilformen und Ornamente 58
- III. Die Entwicklung des Kirchenmobiliars 81
- IV. Sakristeien 101
- Ihre Lage innerhalb des Raumgefüges 101
- Der Klosterplan von St. Gallen und frühe Sakristeimöbel 102
- Zur Funktion von Sakristeien, barocke Sakristeieinrichtungen und die Schriften von Carlo Borromeo und Jacob Müller 104
- Altäre und Scheinaltäre 104
- Lavabos 106
- Sakristeischränke und Ankleidekredenzen 107
- Zur Entwicklungsgeschichte der Sakristeischränke 110
- Ankleidetische und Tischkästen 111
- Truhen und Truhenbänke 113
- Beichtstühle 115
- Betpulte, Kniebänke und Bankpulte 116
- V. Mobiliar in Nebenräumen von Kirchen und Klöstern 118
- VI.Zur Hierarchie von Räumen und Möbeln 127
- I. Klerus, Kirchen und Klöster – Tischlereien und Tischlerarbeiten 31
- Teil 3 Katalog – Beiträge zu den Sakralanlagen – Tafeln
- Hinweise 133
- Hinweise zu Provenienzen, Datierungen und Materialien 133
- Hinweise zu den angegebenen Maßen 133
- Hinweise zu den zitierten Schriftquellen 134
- I. Sakralbauten in Wien 135
- II. Sakralbauten in Niederösterreich 247
- Altenburg, Benediktinerstift 247
- Ardagger, Pfarrkirche hl. Margarete 260
- Dürnstein, Pfarrkirche Mariä Himmelfahrt 264
- Geras, Prämonstratenser-Chorherrenstift 283
- Göttweig, Benediktinerstift 294
- Heiligenkreuz, Zisterzienserstift 315
- Herzogenburg, Augustiner-Chorherrenstift 335
- Horn, Piaristenkirche 347
- Klosterneuburg, Augustiner-Chorherrenstift 352
- Krems, Piaristenkirche 367
- Krems, Pfarrkirche St. Veit 380
- Lilienfeld, Zisterzienserstift 386
- Melk, Benediktinerstift 408
- St. Marein, Pfarrkirche hl. Maria 434
- St. Pölten, Dom- und Pfarrkirche Mariae Himmelfahrt 436
- Seitenstetten, Benediktinerstift 452
- Wiener Neustadt, Zisterzienserstift Neukloster 466
- Zwettl, Zisterzienserstift 477
- III. Sakralbauten in Oberösterreich 500
- Baumgartenberg, Pfarrkirche Mariae Himmelfahrt 500
- Kremsmünster, Benediktinerstift 512
- Lambach, Benediktinerstift 534
- Linz, Jesuitenkirche (Alter Dom) 551
- Linz, Karmelitenkloster 566
- Linz, Seminarkirche Hl. Kreuz 572
- St. Florian, Augustiner-Chorherrenstift 580
- Schlägl, Prämonstratenser-Chorherrenstift 607
- Schlierbach, Zisterzienserstift 621
- Waldhausen, Pfarrkirche Mariae Himmelfahrt 631
- Wilhering, Zisterzienserstift 638
- Teil 4 Zusammenfassung und Ausblick – Glossar – Verzeichnisse –
- Literatur
- Zusammenfassung und Ausblick 659
- Zum Aufbau des Buchs 659
- Historischer Abriss 660
- Entwicklungsgeschichte der Kirchenmöbel 661
- Zur Einrichtung verschiedener Räume in Kirchen und Klöstern 662
- Zur Hierarchie sakraler Einrichtungen 663
- Die Auftraggeber und ihr Einfluss auf die Kunstentwicklung 663
- Zum Verhältnis zwischen Auftraggebern, Architekten und Handwerkern 665
- Zu den Tischlern 665
- Stilistische Entwicklung der Möbel 666
- Regionale Besonderheiten 667
- Fazit und Ausblick 668
- Glossar 670
- Ortsindex 678
- Künstlerverzeichnis 682
- Abkürzungsverzeichnis 688
- Abbildungsnachweis 692
- Literaturverzeichnis 693