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Heiligenkreuz, Zisterzienserstift | 327
des BDA und alte Fotografien zeigen es noch dort.321 Vor der Nord- und Südwand
sind jeweils elf, vor der Westwand sechs Stallen zu erkennen. In einer zweiten Reihe
standen vor der Westwand fünf Sitze, in einer dritten drei. Insgesamt umfasste das Ge-
stühl damals also 36
Stallen. Auf den Fotos ist ferner zu erkennen, dass früher auf den
Brüstungen von schmiedeeisernen Stützen getragene schwenkbare Lesepulte montiert
waren. Sie wurden 1947 entfernt und sind verloren.322
Weshalb man das Giuliani-Gestühl auf der Empore aufbaute, kann nicht geklärt
werden. Dabei ist dieser Vorgang umso erstaunlicher, als die Empore nicht groß ge-
nug war, um das gesamte Gestühl aufzunehmen. Die Rückwand musste deshalb von
ursprünglich 38 Reliefs auf 28 verkleinert werden.323 Wie ein Mitarbeiter des BDA
vermutete, könnte in der Versetzung des Gestühls eine Reaktion auf das Verbot des
Chorgebets im Presbyterium durch kaiserliche Behörden zu sehen sein.324 Allerdings
stand auf der Empore ja bereits das Kayser-Gestühl, das hätte verwendet werden kön-
nen. Für die Umstellung des Giuliani-Gestühls werden also andere Gründe gespro-
chen haben.325
1947 wurde das Giuliani-Gestühl demontiert. Die Klostertischlerei überarbeitete
das hölzerne Gerüst, wohingegen Reliefs und Skulpturen zur Restaurierung in die
Werkstätten des Bundesdenkmalamtes nach Wien verbracht wurden.326 Leider konnte
damals die Frage, ob die Schnitzarbeiten Giulianis einst vergoldet waren, nicht ab-
schließend beantwortet werden. Das ist zwar allgemeiner Tenor der Forschung, aber
keineswegs erwiesen.327 Faktum ist, dass sich keine Spuren von ursprünglichen Vergol-
321 Richter, Historia (2011), Abb. 16, 17, 475–478.
322 Zu Tierskulpturen, die damals auf dem Giuliani-Gestühl befestigt waren, Zykan, Veränderungen
(1950), 54.
323 Drei Reliefs von Giuliani befinden sich im Besitz des Stiftsmuseums, eines baute man 1949 in den
Orgelkasten ein, als das Instrument in den nördlichen Querhausarm versetzt wurde, eines gelangte vor
einigen Jahren in den Münchner Kunsthandel. Fünf Reliefs sind verloren. ÖKT, Heiligenkreuz (1926),
117 ; Zykan, ebd., 53 ; Wagner, Heiligenkreuz (2007), 148.
324 BDA-internes Schreiben vom 08.10.1946. In Verbindung mit den josephinischen Reformen wurde das
Chorgebet im Chorraum der Kirchen untersagt.
325 Eventuell wollte man im Kirchenraum zusätzlich Platz für ein Laiengestühl schaffen, nachdem die
Stiftskirche zur Pfarrkirche ernannt worden war. ÖKT, Heiligenkreuz (1926), 116. Die heutigen Kir-
chenbänke wurden 1802 von Laienbrüdern in der Stiftstischlerei verfertigt. Richter, Historia (2011),
81.
326 Richter, ebd., 143. Der Amtssitz der für Niederösterreich zuständigen Abteilung des BDA befindet
sich heute in Krems. Im dortigen Archiv wird der die Restaurierung des Gestühls betreffende Brief-
wechsel aufbewahrt.
327 Zuletzt Ronzoni, Giuliani (2005), Bd. 2, 306, 320. Als spätere Beispiele für Gestühle mit vergoldeten
Reliefplatten wären die Stallen im Dom zu St. Pölten von 1722, in der ehemaligen Stiftskirche von
Dürnstein von 1723/24, in der Pfarrkirche zu Krems von 1735 und in der Abtei zu Melk von 1736
Sakralmöbel aus Österreich
Von Tischlern und ihren Arbeiten im Zeitalter des Absolutismus, Band I: Östliche Landsteile
- Titel
- Sakralmöbel aus Österreich
- Untertitel
- Von Tischlern und ihren Arbeiten im Zeitalter des Absolutismus
- Band
- I: Östliche Landsteile
- Autor
- Michael Bohr
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20512-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 730
- Schlagwörter
- Baroque, applied arts, church furnishings, Barock, Kunsthandwerk, Sakralmöbel
- Kategorie
- Kunst und Kultur
Inhaltsverzeichnis
- Teil 1 Vorbemerkungen
- Teil 2 Grundlegendes
- I. Klerus, Kirchen und Klöster – Tischlereien und Tischlerarbeiten 31
- Zur Barockisierung von Weltkirchen und Klöstern 31
- Tischlerwerkstätten in Wien 33
- Tischlerwerkstätten auf dem Land 36
- Zur Größe der Werkstätten 40
- Zur Zusammenarbeit von Tischlern mit andern Handwerkern 41
- Zur Beschaffung des benötigten Holzes 43
- Zur Qualität des Holzes und zum System der Vergütung von Tischlern 43
- Nachlassende Qualität der Tischlererzeugnisse im fortgeschrittenen 18. Jahrhundert 46
- Zu den verwendeten Materialien 48
- Zur Oberflächenveredelung und Restaurierung 51
- Exkurs : Technische Innovationen als Grundlage der Entwicklung neuer Gestaltungsformen 55
- II. Gestaltungsfragen, Stilformen und Ornamente 58
- III. Die Entwicklung des Kirchenmobiliars 81
- IV. Sakristeien 101
- Ihre Lage innerhalb des Raumgefüges 101
- Der Klosterplan von St. Gallen und frühe Sakristeimöbel 102
- Zur Funktion von Sakristeien, barocke Sakristeieinrichtungen und die Schriften von Carlo Borromeo und Jacob Müller 104
- Altäre und Scheinaltäre 104
- Lavabos 106
- Sakristeischränke und Ankleidekredenzen 107
- Zur Entwicklungsgeschichte der Sakristeischränke 110
- Ankleidetische und Tischkästen 111
- Truhen und Truhenbänke 113
- Beichtstühle 115
- Betpulte, Kniebänke und Bankpulte 116
- V. Mobiliar in Nebenräumen von Kirchen und Klöstern 118
- VI.Zur Hierarchie von Räumen und Möbeln 127
- I. Klerus, Kirchen und Klöster – Tischlereien und Tischlerarbeiten 31
- Teil 3 Katalog – Beiträge zu den Sakralanlagen – Tafeln
- Hinweise 133
- Hinweise zu Provenienzen, Datierungen und Materialien 133
- Hinweise zu den angegebenen Maßen 133
- Hinweise zu den zitierten Schriftquellen 134
- I. Sakralbauten in Wien 135
- II. Sakralbauten in Niederösterreich 247
- Altenburg, Benediktinerstift 247
- Ardagger, Pfarrkirche hl. Margarete 260
- Dürnstein, Pfarrkirche Mariä Himmelfahrt 264
- Geras, Prämonstratenser-Chorherrenstift 283
- Göttweig, Benediktinerstift 294
- Heiligenkreuz, Zisterzienserstift 315
- Herzogenburg, Augustiner-Chorherrenstift 335
- Horn, Piaristenkirche 347
- Klosterneuburg, Augustiner-Chorherrenstift 352
- Krems, Piaristenkirche 367
- Krems, Pfarrkirche St. Veit 380
- Lilienfeld, Zisterzienserstift 386
- Melk, Benediktinerstift 408
- St. Marein, Pfarrkirche hl. Maria 434
- St. Pölten, Dom- und Pfarrkirche Mariae Himmelfahrt 436
- Seitenstetten, Benediktinerstift 452
- Wiener Neustadt, Zisterzienserstift Neukloster 466
- Zwettl, Zisterzienserstift 477
- III. Sakralbauten in Oberösterreich 500
- Baumgartenberg, Pfarrkirche Mariae Himmelfahrt 500
- Kremsmünster, Benediktinerstift 512
- Lambach, Benediktinerstift 534
- Linz, Jesuitenkirche (Alter Dom) 551
- Linz, Karmelitenkloster 566
- Linz, Seminarkirche Hl. Kreuz 572
- St. Florian, Augustiner-Chorherrenstift 580
- Schlägl, Prämonstratenser-Chorherrenstift 607
- Schlierbach, Zisterzienserstift 621
- Waldhausen, Pfarrkirche Mariae Himmelfahrt 631
- Wilhering, Zisterzienserstift 638
- Teil 4 Zusammenfassung und Ausblick – Glossar – Verzeichnisse –
- Literatur
- Zusammenfassung und Ausblick 659
- Zum Aufbau des Buchs 659
- Historischer Abriss 660
- Entwicklungsgeschichte der Kirchenmöbel 661
- Zur Einrichtung verschiedener Räume in Kirchen und Klöstern 662
- Zur Hierarchie sakraler Einrichtungen 663
- Die Auftraggeber und ihr Einfluss auf die Kunstentwicklung 663
- Zum Verhältnis zwischen Auftraggebern, Architekten und Handwerkern 665
- Zu den Tischlern 665
- Stilistische Entwicklung der Möbel 666
- Regionale Besonderheiten 667
- Fazit und Ausblick 668
- Glossar 670
- Ortsindex 678
- Künstlerverzeichnis 682
- Abkürzungsverzeichnis 688
- Abbildungsnachweis 692
- Literaturverzeichnis 693