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Herzogenburg, Augustiner-Chorherrenstift | 341
Nicht nur die teilvergoldeten Schnitzarbeiten zeugen von der höheren Qualität des
Mobiliars in der Prälatensakristei, sondern ebenso Details wie die handwerklich an-
spruchsvolleren Adern. Werden an den Möbeln der Herrensakristei die Binnenfelder
wie üblich von drei Stäben gesäumt, sind sie an den beiden Schränken der Sakristei des
Klostervorstehers siebenteilig. Ähnliches Bandlwerk findet sich im hier untersuchten
Kunstraum nur noch an einigen Möbeln im Stift Zwettl (Abb.
269). Ein weiterer Hin-
weis auf die ausgezeichnete handwerkliche Qualität der Möbel in der Prälatensakristei
ist darin zu erkennen, dass Walter Ossenbeck auch die Türinnenseiten sowie die im
Innern des Unterschranks verborgenen Schubladen furnierte.
Rundgiebelpaare und trapezförmige Giebel kennen wir vor allem aus dem engli-
schen, niederländischen und norddeutschen Raum. Ossenbeck stammte aus Münster
in Nordrhein-Westfalen, die Idee zur Gestaltung der Möbel könnte er also aus seiner
Heimat mitgebracht haben. Allerdings wäre die Zusammenstellung der Giebel in die-
ser Form auch dort ungewöhnlich.348 Als aufschlussreich erweisen sich überdies die
Schnitzaufsätze der Möbel in der Prälatensakristei. Hier treten nämlich zum Bandl-
werk, das nur als rahmendes Element eingesetzt wird, Rosengitter und Girlanden, Or-
namentformen also, die bis dahin im Osten Österreichs ebenfalls unbekannt waren.
Wie das Bandlwerk gehen auch diese Ziermotive auf französische Vorlagenstiche zu-
rück.349 Zwar wurde wenig später das Chorgestühl im Dom zu St.
Pölten (Farbtaf.
17)
ähnlich dekoriert, doch sollten zumindest die Gitter erst in den fortgeschrittenen
1730er-Jahren zum allgemeinen Ausdrucksmittel der Formensprache hiesigen Mobi-
liars avancieren. Offenbar war Propst Wilhelm von Schmerling (1709–1721), der dem
Stift Herzogenburg damals vorstand, einer der frühen Wegbereiter der französischen
Kunst im hiesigen Kunstraum.
2 Beichtstühle
Herzogenburg, um 1750/70
H 285 cm x B ca. 190 cm x T ca. 90 cm
Nuss, massiv. Messing, Eisen
348 Ossenbeck starb am 13. Oktober 1751. Zum Nachweis seiner Herkunft, die in Verbindung mit seiner
Trauung genannt wird, und zum Datum seines Todes vgl. die entsprechenden Tauf-, Trauungs- und
Sterbebücher der Pfarre Herzogenburg mit den Einträgen vom 29. August 1719 und vom 13. Ok-
tober 1751 unter http://data.matricula-online.eu/de/oesterreich/st-poelten/herzogenburg. Die rele-
vanten Eintragungen finden sich unter den Abschnitten 04-Trauung_0114, 04-Trauung_0115 und
06-Tod_0025 (letzter Zugriff am 26. Mai 2017).
349 Vgl. nach der Mitte des 17. Jahrhunderts entstandene Stiche von Georges Charmeton (1623–1674),
Jean Lepautre (1618–1682) oder Jean Bérain d. Ä. (1637–1711) bei Berliner/Egger, Vorlageblätter
(1981), Bd. 1, 90–94, Bd. 3, Taf. 1079–1082, 1112, 1116, 1135–1146.
Sakralmöbel aus Österreich
Von Tischlern und ihren Arbeiten im Zeitalter des Absolutismus, Band I: Östliche Landsteile
- Titel
- Sakralmöbel aus Österreich
- Untertitel
- Von Tischlern und ihren Arbeiten im Zeitalter des Absolutismus
- Band
- I: Östliche Landsteile
- Autor
- Michael Bohr
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20512-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 730
- Schlagwörter
- Baroque, applied arts, church furnishings, Barock, Kunsthandwerk, Sakralmöbel
- Kategorie
- Kunst und Kultur
Inhaltsverzeichnis
- Teil 1 Vorbemerkungen
- Teil 2 Grundlegendes
- I. Klerus, Kirchen und Klöster – Tischlereien und Tischlerarbeiten 31
- Zur Barockisierung von Weltkirchen und Klöstern 31
- Tischlerwerkstätten in Wien 33
- Tischlerwerkstätten auf dem Land 36
- Zur Größe der Werkstätten 40
- Zur Zusammenarbeit von Tischlern mit andern Handwerkern 41
- Zur Beschaffung des benötigten Holzes 43
- Zur Qualität des Holzes und zum System der Vergütung von Tischlern 43
- Nachlassende Qualität der Tischlererzeugnisse im fortgeschrittenen 18. Jahrhundert 46
- Zu den verwendeten Materialien 48
- Zur Oberflächenveredelung und Restaurierung 51
- Exkurs : Technische Innovationen als Grundlage der Entwicklung neuer Gestaltungsformen 55
- II. Gestaltungsfragen, Stilformen und Ornamente 58
- III. Die Entwicklung des Kirchenmobiliars 81
- IV. Sakristeien 101
- Ihre Lage innerhalb des Raumgefüges 101
- Der Klosterplan von St. Gallen und frühe Sakristeimöbel 102
- Zur Funktion von Sakristeien, barocke Sakristeieinrichtungen und die Schriften von Carlo Borromeo und Jacob Müller 104
- Altäre und Scheinaltäre 104
- Lavabos 106
- Sakristeischränke und Ankleidekredenzen 107
- Zur Entwicklungsgeschichte der Sakristeischränke 110
- Ankleidetische und Tischkästen 111
- Truhen und Truhenbänke 113
- Beichtstühle 115
- Betpulte, Kniebänke und Bankpulte 116
- V. Mobiliar in Nebenräumen von Kirchen und Klöstern 118
- VI.Zur Hierarchie von Räumen und Möbeln 127
- I. Klerus, Kirchen und Klöster – Tischlereien und Tischlerarbeiten 31
- Teil 3 Katalog – Beiträge zu den Sakralanlagen – Tafeln
- Hinweise 133
- Hinweise zu Provenienzen, Datierungen und Materialien 133
- Hinweise zu den angegebenen Maßen 133
- Hinweise zu den zitierten Schriftquellen 134
- I. Sakralbauten in Wien 135
- II. Sakralbauten in Niederösterreich 247
- Altenburg, Benediktinerstift 247
- Ardagger, Pfarrkirche hl. Margarete 260
- Dürnstein, Pfarrkirche Mariä Himmelfahrt 264
- Geras, Prämonstratenser-Chorherrenstift 283
- Göttweig, Benediktinerstift 294
- Heiligenkreuz, Zisterzienserstift 315
- Herzogenburg, Augustiner-Chorherrenstift 335
- Horn, Piaristenkirche 347
- Klosterneuburg, Augustiner-Chorherrenstift 352
- Krems, Piaristenkirche 367
- Krems, Pfarrkirche St. Veit 380
- Lilienfeld, Zisterzienserstift 386
- Melk, Benediktinerstift 408
- St. Marein, Pfarrkirche hl. Maria 434
- St. Pölten, Dom- und Pfarrkirche Mariae Himmelfahrt 436
- Seitenstetten, Benediktinerstift 452
- Wiener Neustadt, Zisterzienserstift Neukloster 466
- Zwettl, Zisterzienserstift 477
- III. Sakralbauten in Oberösterreich 500
- Baumgartenberg, Pfarrkirche Mariae Himmelfahrt 500
- Kremsmünster, Benediktinerstift 512
- Lambach, Benediktinerstift 534
- Linz, Jesuitenkirche (Alter Dom) 551
- Linz, Karmelitenkloster 566
- Linz, Seminarkirche Hl. Kreuz 572
- St. Florian, Augustiner-Chorherrenstift 580
- Schlägl, Prämonstratenser-Chorherrenstift 607
- Schlierbach, Zisterzienserstift 621
- Waldhausen, Pfarrkirche Mariae Himmelfahrt 631
- Wilhering, Zisterzienserstift 638
- Teil 4 Zusammenfassung und Ausblick – Glossar – Verzeichnisse –
- Literatur
- Zusammenfassung und Ausblick 659
- Zum Aufbau des Buchs 659
- Historischer Abriss 660
- Entwicklungsgeschichte der Kirchenmöbel 661
- Zur Einrichtung verschiedener Räume in Kirchen und Klöstern 662
- Zur Hierarchie sakraler Einrichtungen 663
- Die Auftraggeber und ihr Einfluss auf die Kunstentwicklung 663
- Zum Verhältnis zwischen Auftraggebern, Architekten und Handwerkern 665
- Zu den Tischlern 665
- Stilistische Entwicklung der Möbel 666
- Regionale Besonderheiten 667
- Fazit und Ausblick 668
- Glossar 670
- Ortsindex 678
- Künstlerverzeichnis 682
- Abkürzungsverzeichnis 688
- Abbildungsnachweis 692
- Literaturverzeichnis 693