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430 | Sakralbauten in Niederösterreich
belfeld merkwürdig profilierte Leisten auf, die weder in Melk noch andernorts ein
weiteres Mal vorkommen. Das Metallgitter in den Türfüllungen ist außen gold- und
bronzefarben, innen ockerfarben gestrichen, die Türbeschläge, Griffe und die außen
sichtbaren Teile der Bänder bestehen aus Messing, die innen liegenden Bandteile und
das Schloss aus getriebenem und verzinntem Eisen.
Der Name des Künstlers, der die Beichtstühle entwarf, ist nicht überliefert, doch
lassen die extravaganten Formen auf eine Persönlichkeit schließen, die nicht dem Um-
kreis Prandtauers oder den örtlichen Tischlermeistern zuzurechnen ist. Stattdessen
wäre mit Blick auf das Baugeschehen in erster Linie an Antonio Maria Niccolò Be-
duzzi oder Giuseppe Galli Bibiena zu denken. Beduzzi starb 1735, bliebe also der
Thea terdekorateur Galli Bibiena. Wie die weiter unten vorgestellte »italienische« Tür
im Kreuzgang belegt, dürften sich Beduzzi oder Galli Bibiena, vielleicht auch beide,
mit der Gestaltung nicht nur des Chorgestühls, sondern auch anderer Einrichtungs-
stücke in Melk beschäftigt haben.
Annexräume
2 Beichtstühle
Melk, um 1741
H ca. 350 cm x B 320 cm x T 105 cm
Nussbaum, Nussbaummaser, Ahorn, Eibe, furniert auf Nadelholz. Messing, Eisen, verzinnt,
getrieben, ziseliert, Eisenblech, gold, bronzefarben und dunkelbraun gestrichen
Die beiden großen Beichtstühle stehen seit 1999 mit der Rückwand gegeneinander in
einem Durchgang zwischen Kreuzgang und dem nördlich des Presbyteriums liegen-
den Raum mit dem Grab der Babenberger (Abb. 230).498 Der frühere Standplatz der
beiden Möbel war in der südlich des Presbyteriums situierten ehemaligen Beichtka-
pelle, der heutigen Kreuzkapelle.499
Keilpilaster strukturieren die Fassade der Beichtstühle. Die Mittelachse ist leicht
nach vorn gebaucht, während die seitlichen Joche mit gegenläufigem Schwung nach
hinten verschoben sind. Das verkröpfte Gebälk ist dem Grundriss entsprechend ge-
formt, sein Fries trägt Triglyphen. Darüber folgt eine Attika mit auffallend schwerem
Auszug, der ursprünglich einmal einer Skulptur als Standfläche gedient haben könnte.
Hohe Türen verschließen die Kammern der Möbel. Unten dienen schlicht furnierte
Holzplatten als Füllungen, während oben erneut Gitter aus Eisenblech eingesetzt sind
– auch dies ist übrigens eine ausgefallene Lösung. Die Giebelfelder beider Beichtstühle
498 Zu den Möbeln ÖKT, ebd., 259.
499 Ellegast, Melk (2007), 320.
Sakralmöbel aus Österreich
Von Tischlern und ihren Arbeiten im Zeitalter des Absolutismus, Band I: Östliche Landsteile
- Titel
- Sakralmöbel aus Österreich
- Untertitel
- Von Tischlern und ihren Arbeiten im Zeitalter des Absolutismus
- Band
- I: Östliche Landsteile
- Autor
- Michael Bohr
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20512-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 730
- Schlagwörter
- Baroque, applied arts, church furnishings, Barock, Kunsthandwerk, Sakralmöbel
- Kategorie
- Kunst und Kultur
Inhaltsverzeichnis
- Teil 1 Vorbemerkungen
- Teil 2 Grundlegendes
- I. Klerus, Kirchen und Klöster – Tischlereien und Tischlerarbeiten 31
- Zur Barockisierung von Weltkirchen und Klöstern 31
- Tischlerwerkstätten in Wien 33
- Tischlerwerkstätten auf dem Land 36
- Zur Größe der Werkstätten 40
- Zur Zusammenarbeit von Tischlern mit andern Handwerkern 41
- Zur Beschaffung des benötigten Holzes 43
- Zur Qualität des Holzes und zum System der Vergütung von Tischlern 43
- Nachlassende Qualität der Tischlererzeugnisse im fortgeschrittenen 18. Jahrhundert 46
- Zu den verwendeten Materialien 48
- Zur Oberflächenveredelung und Restaurierung 51
- Exkurs : Technische Innovationen als Grundlage der Entwicklung neuer Gestaltungsformen 55
- II. Gestaltungsfragen, Stilformen und Ornamente 58
- III. Die Entwicklung des Kirchenmobiliars 81
- IV. Sakristeien 101
- Ihre Lage innerhalb des Raumgefüges 101
- Der Klosterplan von St. Gallen und frühe Sakristeimöbel 102
- Zur Funktion von Sakristeien, barocke Sakristeieinrichtungen und die Schriften von Carlo Borromeo und Jacob Müller 104
- Altäre und Scheinaltäre 104
- Lavabos 106
- Sakristeischränke und Ankleidekredenzen 107
- Zur Entwicklungsgeschichte der Sakristeischränke 110
- Ankleidetische und Tischkästen 111
- Truhen und Truhenbänke 113
- Beichtstühle 115
- Betpulte, Kniebänke und Bankpulte 116
- V. Mobiliar in Nebenräumen von Kirchen und Klöstern 118
- VI.Zur Hierarchie von Räumen und Möbeln 127
- I. Klerus, Kirchen und Klöster – Tischlereien und Tischlerarbeiten 31
- Teil 3 Katalog – Beiträge zu den Sakralanlagen – Tafeln
- Hinweise 133
- Hinweise zu Provenienzen, Datierungen und Materialien 133
- Hinweise zu den angegebenen Maßen 133
- Hinweise zu den zitierten Schriftquellen 134
- I. Sakralbauten in Wien 135
- II. Sakralbauten in Niederösterreich 247
- Altenburg, Benediktinerstift 247
- Ardagger, Pfarrkirche hl. Margarete 260
- Dürnstein, Pfarrkirche Mariä Himmelfahrt 264
- Geras, Prämonstratenser-Chorherrenstift 283
- Göttweig, Benediktinerstift 294
- Heiligenkreuz, Zisterzienserstift 315
- Herzogenburg, Augustiner-Chorherrenstift 335
- Horn, Piaristenkirche 347
- Klosterneuburg, Augustiner-Chorherrenstift 352
- Krems, Piaristenkirche 367
- Krems, Pfarrkirche St. Veit 380
- Lilienfeld, Zisterzienserstift 386
- Melk, Benediktinerstift 408
- St. Marein, Pfarrkirche hl. Maria 434
- St. Pölten, Dom- und Pfarrkirche Mariae Himmelfahrt 436
- Seitenstetten, Benediktinerstift 452
- Wiener Neustadt, Zisterzienserstift Neukloster 466
- Zwettl, Zisterzienserstift 477
- III. Sakralbauten in Oberösterreich 500
- Baumgartenberg, Pfarrkirche Mariae Himmelfahrt 500
- Kremsmünster, Benediktinerstift 512
- Lambach, Benediktinerstift 534
- Linz, Jesuitenkirche (Alter Dom) 551
- Linz, Karmelitenkloster 566
- Linz, Seminarkirche Hl. Kreuz 572
- St. Florian, Augustiner-Chorherrenstift 580
- Schlägl, Prämonstratenser-Chorherrenstift 607
- Schlierbach, Zisterzienserstift 621
- Waldhausen, Pfarrkirche Mariae Himmelfahrt 631
- Wilhering, Zisterzienserstift 638
- Teil 4 Zusammenfassung und Ausblick – Glossar – Verzeichnisse –
- Literatur
- Zusammenfassung und Ausblick 659
- Zum Aufbau des Buchs 659
- Historischer Abriss 660
- Entwicklungsgeschichte der Kirchenmöbel 661
- Zur Einrichtung verschiedener Räume in Kirchen und Klöstern 662
- Zur Hierarchie sakraler Einrichtungen 663
- Die Auftraggeber und ihr Einfluss auf die Kunstentwicklung 663
- Zum Verhältnis zwischen Auftraggebern, Architekten und Handwerkern 665
- Zu den Tischlern 665
- Stilistische Entwicklung der Möbel 666
- Regionale Besonderheiten 667
- Fazit und Ausblick 668
- Glossar 670
- Ortsindex 678
- Künstlerverzeichnis 682
- Abkürzungsverzeichnis 688
- Abbildungsnachweis 692
- Literaturverzeichnis 693