Seite - 484 - in Sakralmöbel aus Österreich - Von Tischlern und ihren Arbeiten im Zeitalter des Absolutismus, Band I: Östliche Landsteile
Bild der Seite - 484 -
Text der Seite - 484 -
484 | Sakralbauten in Niederösterreich
Friese und Binnenfelder unterteilen die Flächen des Möbels. Etliche Füllungen
zeigen stark bewegtes, in Schlaufen gelegtes und mit vegetabilen Formen durchsetztes
Bandlwerk, andere statisch erscheinende Rautenmuster, die an grobmaschiges Gitter-
werk gemahnen. Das erste Dorsalefeld der südlichen Sitzreihe präsentiert auf einem
polygonalen Sockel das Lamm Gottes im Strahlenkranz, darunter in einer Kartusche
das Monogramm IHS mit Flammenherz und Nägeln. Im fünften Feld dieser Sitz-
reihe befindet sich eine Darstellung des heiligen Benedikt von Nursia (um 480–547)
mit schwarzer Kukulle, zerbrochenem Kelch, Buch und Hirtenstab. Er begründete
das abendländische Mönchtum und verlieh ihm mit seiner regula eine feste Ordnung.
Das entsprechende Dorsalefeld der nördlichen Sitzreihe erinnert an den hl. Bernhard
(1090–1153) (Abb. 268), der mit seinen consuetudines das Regelwerk Benedikts an
die Satzungen des Zisterzienserordens anpasste. Außerdem fügten die Tischler hier
Bilder mit der Jungfrau Maria auf der Mondsichel und der Weltkugel sowie ihrem
Monogramm ein (Abb. 270). Weitere Intarsienarbeiten zieren den Gebälkfries der
Rückwand. Mit Bandlwerkmotiven und vegetabilen Ornamenten entsprechen sie der
Auszier eines Paramentenschranks, der weiter unten beschrieben wird. Offensichtlich
lagen den Arbeiten die gleichen Vorlagen zugrunde.
Vollrund geschnitzte Figuren auf dem Gebälk symbolisieren Engel und Heilige. Im
Norden sind Papst Alexander
III. (reg. 1159–1181) und der hl.
Bernhard zu erkennen,
im Süden der hl. Benedikt und Papst Eugen III. (reg. 1145–1153), dazwischen Engel
mit den arma Christi und der Tiara, mit Becher, Buch und Pedum. In der Literatur
wird vermutet, dass die Skulptur Alexanders, der kein Zisterzienser war, in diese Reihe
aufgenommen wurde, da er den hl. Bernhard kanonisierte.590 Dagegen gehörte Papst
Eugen als ein Schüler Bernhards dem Zisterzienserorden an.
Die Datierung des Gestühls ergibt sich aus der Tatsache, dass die Chororgel nach
1726 gebaut wurde. Ursprünglich stand sie auf dem Boden, musste 1728 jedoch wegen
großer Schäden, die auf die Bodenfeuchtigkeit zurückzuführen waren, am Chorpfeiler
angebracht werden.591 Die Fachliteratur geht zu Recht davon aus, dass das Chorge-
stühl ebenfalls in jenen Jahren entstand, wahrscheinlich unter der Federführung der
beiden Konversen Mathias Mark und Ladislaus Maleg. Es ersetzte ein altes Exemplar,
das vermutlich nicht nur unmodern, sondern eventuell wegen starker Klimaschäden
auch noch unbrauchbar geworden war.592
590 Kubes/Rössl, Zwettl (1979), 87–88.
591 ÖKT, Zwettl (1940), 123, 301, 330 ; Dehio, NÖ nördl. der Donau (1990), 1352. Christoph Lachewitzer
quittierte am 9. Juni 1728 den Erhalt der stattlichen Summe von 147 fl 30 xr für die Reparatur der
Chororgel und ihre Versetzung.
592 Das wurde als Grund zur Entfernung des alten Chorgestühls aus der Domkirche zu St. Pölten ange-
geben.Vgl. dazu das entsprechende Kapitel.
Sakralmöbel aus Österreich
Von Tischlern und ihren Arbeiten im Zeitalter des Absolutismus, Band I: Östliche Landsteile
- Titel
- Sakralmöbel aus Österreich
- Untertitel
- Von Tischlern und ihren Arbeiten im Zeitalter des Absolutismus
- Band
- I: Östliche Landsteile
- Autor
- Michael Bohr
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20512-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 730
- Schlagwörter
- Baroque, applied arts, church furnishings, Barock, Kunsthandwerk, Sakralmöbel
- Kategorie
- Kunst und Kultur
Inhaltsverzeichnis
- Teil 1 Vorbemerkungen
- Teil 2 Grundlegendes
- I. Klerus, Kirchen und Klöster – Tischlereien und Tischlerarbeiten 31
- Zur Barockisierung von Weltkirchen und Klöstern 31
- Tischlerwerkstätten in Wien 33
- Tischlerwerkstätten auf dem Land 36
- Zur Größe der Werkstätten 40
- Zur Zusammenarbeit von Tischlern mit andern Handwerkern 41
- Zur Beschaffung des benötigten Holzes 43
- Zur Qualität des Holzes und zum System der Vergütung von Tischlern 43
- Nachlassende Qualität der Tischlererzeugnisse im fortgeschrittenen 18. Jahrhundert 46
- Zu den verwendeten Materialien 48
- Zur Oberflächenveredelung und Restaurierung 51
- Exkurs : Technische Innovationen als Grundlage der Entwicklung neuer Gestaltungsformen 55
- II. Gestaltungsfragen, Stilformen und Ornamente 58
- III. Die Entwicklung des Kirchenmobiliars 81
- IV. Sakristeien 101
- Ihre Lage innerhalb des Raumgefüges 101
- Der Klosterplan von St. Gallen und frühe Sakristeimöbel 102
- Zur Funktion von Sakristeien, barocke Sakristeieinrichtungen und die Schriften von Carlo Borromeo und Jacob Müller 104
- Altäre und Scheinaltäre 104
- Lavabos 106
- Sakristeischränke und Ankleidekredenzen 107
- Zur Entwicklungsgeschichte der Sakristeischränke 110
- Ankleidetische und Tischkästen 111
- Truhen und Truhenbänke 113
- Beichtstühle 115
- Betpulte, Kniebänke und Bankpulte 116
- V. Mobiliar in Nebenräumen von Kirchen und Klöstern 118
- VI.Zur Hierarchie von Räumen und Möbeln 127
- I. Klerus, Kirchen und Klöster – Tischlereien und Tischlerarbeiten 31
- Teil 3 Katalog – Beiträge zu den Sakralanlagen – Tafeln
- Hinweise 133
- Hinweise zu Provenienzen, Datierungen und Materialien 133
- Hinweise zu den angegebenen Maßen 133
- Hinweise zu den zitierten Schriftquellen 134
- I. Sakralbauten in Wien 135
- II. Sakralbauten in Niederösterreich 247
- Altenburg, Benediktinerstift 247
- Ardagger, Pfarrkirche hl. Margarete 260
- Dürnstein, Pfarrkirche Mariä Himmelfahrt 264
- Geras, Prämonstratenser-Chorherrenstift 283
- Göttweig, Benediktinerstift 294
- Heiligenkreuz, Zisterzienserstift 315
- Herzogenburg, Augustiner-Chorherrenstift 335
- Horn, Piaristenkirche 347
- Klosterneuburg, Augustiner-Chorherrenstift 352
- Krems, Piaristenkirche 367
- Krems, Pfarrkirche St. Veit 380
- Lilienfeld, Zisterzienserstift 386
- Melk, Benediktinerstift 408
- St. Marein, Pfarrkirche hl. Maria 434
- St. Pölten, Dom- und Pfarrkirche Mariae Himmelfahrt 436
- Seitenstetten, Benediktinerstift 452
- Wiener Neustadt, Zisterzienserstift Neukloster 466
- Zwettl, Zisterzienserstift 477
- III. Sakralbauten in Oberösterreich 500
- Baumgartenberg, Pfarrkirche Mariae Himmelfahrt 500
- Kremsmünster, Benediktinerstift 512
- Lambach, Benediktinerstift 534
- Linz, Jesuitenkirche (Alter Dom) 551
- Linz, Karmelitenkloster 566
- Linz, Seminarkirche Hl. Kreuz 572
- St. Florian, Augustiner-Chorherrenstift 580
- Schlägl, Prämonstratenser-Chorherrenstift 607
- Schlierbach, Zisterzienserstift 621
- Waldhausen, Pfarrkirche Mariae Himmelfahrt 631
- Wilhering, Zisterzienserstift 638
- Teil 4 Zusammenfassung und Ausblick – Glossar – Verzeichnisse –
- Literatur
- Zusammenfassung und Ausblick 659
- Zum Aufbau des Buchs 659
- Historischer Abriss 660
- Entwicklungsgeschichte der Kirchenmöbel 661
- Zur Einrichtung verschiedener Räume in Kirchen und Klöstern 662
- Zur Hierarchie sakraler Einrichtungen 663
- Die Auftraggeber und ihr Einfluss auf die Kunstentwicklung 663
- Zum Verhältnis zwischen Auftraggebern, Architekten und Handwerkern 665
- Zu den Tischlern 665
- Stilistische Entwicklung der Möbel 666
- Regionale Besonderheiten 667
- Fazit und Ausblick 668
- Glossar 670
- Ortsindex 678
- Künstlerverzeichnis 682
- Abkürzungsverzeichnis 688
- Abbildungsnachweis 692
- Literaturverzeichnis 693