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Vor 1918
Aufklärung habsburgisch - Staatsbildung, Wissenskultur und Geschichtspolitik in Zentraleuropa 1750–1850
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611848 und die Krise der liberalen Völkerfreundschaft Zweitens führte das Zerbrechen des Landespatriotismus zur Du- plizierung der normativen Vergangenheit des jeweiligen Landes. Das habe ich an den Konflikten über patriotische Stoffe, etwa über die Ottokar-Bearbeitungen, aufgezeigt, in denen nun entweder Rudolph von Habsburg oder Ottokar Přemysl als protojosephinische Vorbildfi- gur dargestellt wurde.105 Dieselbe Verdoppelung findet sich, wie oben skizziert, in der Geschichtsschreibung, in der analoge, aus der Histo- riografie der Spätaufklärung entnommene Topoi der ursprünglichen, frühmittelalterlichen Freiheit (bäuerliche Besitzbefähigung, Absenz der Leibeigenschaft, Geschworenengerichtsbarkeit, Volksversamm- lungen) jetzt in einander ausschließende, slawische oder deutsche Ge- schichten eingebaut, und als Urform und Nachahmung nacheinander geschaltet wurden. Die in den 1850er Jahren, während des Neoabsolu- tismus konzipierte gesamtvaterländische Geschichte scheiterte so auch daran, dass die staatsaffinen Historiker die Grundlagen der erstrebens- werten monarchischen Ordnung historisch nicht mehr kohärent in- terpretieren konnten, weil sie diese aus rivalisierenden National- bzw. Stammesgeschichten (Slawen, Germanen) herleiteten.106 Damit war drittens das Fortschrittsmonopol des »aufgeklärten Ab- solutismus« gebrochen, weil eines seiner wichtigsten Motive, jenes der Verspätung der Monarchie, deren Entwicklungsrückstände die von Wien aus gesteuerten Reformen wettmachen sollten, gegen die Dy- nastie gekehrt wurde. Das geschah durch eine »protochronistische« Argumentationsweise,107 nämlich durch den Nachweis, dass die Er- rungenschaften des späten 18. Jahrhunderts bereits Jahrhunderte zu- Voltaire, sie kämmt sich die Haare […]«; Die Philosophie und das Cze- chenthum, in: G (1848), 165-167. 105 Vgl. Abschnitt 2 oben. 106 Das zeigt sich nach 1848 an den Versuchen, die Ursprünge von Grund- figuren monarchischer Ordnung historisch zu begründen. Austrosla- wistische und großösterreichisch-deutsche Konservative befürworteten diese Grundfiguren gleichermaßen, konnten sie aber in den 1850er Jahren aufgrund der postrevolutionären Schuldzuweisungsymmetrie eben nicht mehr einheitlich ableiten. Vgl. etwa Johann Ptaschnik, [Rez. v.] W. W. To- mek, Děje mocnářstwí rakauského, Praha 1852, in: ZföG 4 (1853), 655-661. Vgl. hier v. a. die Anmerkung der Redaktion, die anlässlich von Tomeks Kommentierung der Kolonisierung unter Ottokar II. Přemysl, 661, Anm. *, darauf hinweist, dass die »bloße Einführung des Königtums und seiner Consequenzen« bereits die Aufnahme eines germanischen Elements in die »Urgrundlagen« der altböhmisch-slawischen Verfassung belege. 107 Vgl. Maciej Janowski, Three Historians, in: CEU (2001 /2002), 199-232.
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Aufklärung habsburgisch Staatsbildung, Wissenskultur und Geschichtspolitik in Zentraleuropa 1750–1850
Titel
Aufklärung habsburgisch
Untertitel
Staatsbildung, Wissenskultur und Geschichtspolitik in Zentraleuropa 1750–1850
Autor
Franz Leander Fillafer
Verlag
Wallstein Verlag
Datum
2021
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC 4.0
ISBN
978-3-8353-3745-9
Abmessungen
14.0 x 22.2 cm
Seiten
628
Schlagwörter
Aufklärung, Österreich, Habsburger, 18. Jahrhundert, 19. Jahrhundert, Revolution, Geschichtsbild, Wissensgeschichte
Kategorien
Geschichte Vor 1918

Inhaltsverzeichnis

  1. Einleitung 11
  2. I. Von der Vaterlandsliebe zum Völkerfrühling, 1770-1848 23
    1. 1. Der Patriotismus des Joseph von Sonnenfels 24
    2. 2. Der Landespatriotismus: Vom mehrsprachigen Vaterland zu den rivalisierenden Vergangenheiten seiner Nationen 30
    3. 3. Revolutionsabwehr, Sprachnationalismus und dynastische Loyalität: Joseph von Hormayr als Historiker 39
    4. 4. Zwischenresümee 49
    5. 5. Das Weltbürgertum der Völkerfreundschaft 51
    6. 6. 1848 und die Krise der liberalen Völkerfreundschaft 57
    7. Ergebnisse 64
  3. II. Die katholische Aufklärung 67
    1. 1. Der Josephinismus als »große Erzählung« der österreichischen Geschichte 67
    2. 2. Die theresianischen Reformen 71
    3. 3. Zwischen Barock und Aufklärung: Gelehrsamkeit, Kunst und Lebenspraxis 76
    4. 4. Die katholischen Reformer und das landesfürstliche Kirchenregiment 83
    5. 5. Barockbewältigung: Scholastiksatire und Patriotismuskonkurrenz im maria-theresianischen Prag 96
    6. 6. Das Methodentableau der katholischen Aufklärung 107
    7. 7. Newtonaneignung im katholischen Milieu: Von der Gotteserkenntnis zur Weltstruktur 110
    8. Ergebnisse 122
  4. III. Die Erfindung der Allianz von Thron und Altar 125
    1. 1. Honigmond. Der antirevolutionäre Schulterschluss von Kirche und Erzhaus in den 1790er Jahren 125
    2. 2. Restaurative Geschichtspolitik und Sozialdiagnose 137
    3. 3. Von der Gemeinschaft der Rechtgläubigen zum überkonfessionellen Rechtsstaat: Kultusrecht und Staatshandeln im Vormärz 152
    4. 4. Die Selbstprovinzialisierung des restaurativen Katholizismus 160
    5. 5. Für Gott und Vaterland: Das Erbe der Aufklärung und die Rolle der Katholiken in der »nationalen Wiedergeburt« 163
    6. 6. Imperiale Integration durch konfessionelle Geopolitik: Von der barocken Rekatholisierung zum Austroslawismu Bartholomäus Kopitars 174
    7. 7. Wissenschaftspolitik und Theologie im Völkerfrühling: Die liberalen Katholiken zwischen Revolution und Konkordat 181
    8. Ergebnisse 192
  5. IV. Wissenskulturen des Vormärz 197
    1. 1. Kant im restaurativen Wissensregime 199
    2. 2. Bernard Bolzano und das Erbe der Leibniz-Wolff’schen Scholastik 209
    3. 3. Bolzanisten versus Herbartianer 219
    4. 4. Welches positive Wissen? Bibelhermeneutik und liberale Physik 223
    5. 5. Positivität und Restauration. Der wissensgeschichtliche und ästhetisch-politische Kontext 240
    6. 6. Eine Art Schadensabwicklung. Die postrevolutionäre Konstruktion der »österreichischen Philosophie« 248
    7. Ergebnisse 252
  6. V. Vom Merkantilregime zum Binnenmarkt: Die Monarchie als Wirtschaftsraum 255
    1. 1. Der Grunduntertan als Staatsbürger und Eigentümer: Die aufgeklärte Agrarpolitik und ihre Folgen 258
    2. 2. Die Patrimonialrechte in der Erwerbsgesellschaft 274
    3. 3. Sonnenfels’ Œuvre 278
    4. 4. Rivalisierende Aufklärungen: Merkantilismus und Vernunftrecht 284
    5. 5. Sonnenfels und die Nachwelt: Der Staat als bürgerlicher Verein 291
    6. 6. Die Liberalkatholiken als politische Ökonomen 303
    7. 7. Zwischenresümee: Aufklärungserbe und ökonomischer Liberalismus 309
    8. 8. Der Gesamtstaat als Wirtschaftsunion 310
    9. 9. Ungarn in der Donaumonarchie: Wirtschafts- und Verfassungspolitik von Joseph II. bis 1848 315
    10. Ergebnisse 331
  7. VI. Naturrechtspraxis und Empire-Genese. Kodifikation, Rechtsstaat, Wissenschaftsgeschichte 335
    1. 1. Sonnenfels versus Zeiller. Der Zielkonflikt zwischen Verfassungs- und Privatrechtskodifikation in den 1790er Jahren 339
    2. 2. Der Kantianismus in der Rechtswissenschaft. Franz von Zeiller und sein Erbe 354
    3. 3. Die Politik des Metapolitischen. Zeillers Gesetzgebungstechnik und das »natürliche Recht« 361
    4. 4. Das natürliche Recht und die Privatisierung der ständischen Herrschaftsteilhabe 373
    5. 5. Die Wissenschaftsgeschichte des Rechts und die Gesamtmonarchie: Ein Zwischenresümee 381
    6. 6. Naturrechtskodifikation und Gesetzesexegese: Die Auslegungspraxis des ABGB 383
    7. 7. Rechtsstaat und Gewaltenteilung im Vormärz 388
    8. 8. Gesellschaftsvertrag und Revolutionsprävention: Das natürliche öffentliche Recht als Basisepistem 401
    9. 9. Ursprung ist das Ziel. Patriotische Rechtshistorie und parlamentarische Repräsentation im Vormärz 407
    10. 10. Vertrag als Fiktion. Die Naturrechtskritik der Junghegelianer 418
    11. 11. Pandektenkur. Der Siegeszug der historisch- römischrechtlichen Schule nach 1848 423
    12. Ergebnisse 443
  8. VII. Aufklärungserbe und Revolutionsabwehr: Selbst- und Feindbilder der Restauration 455
    1. 1. Die Josephiner und die Revolution 455
    2. 2. Carl von Kübecks Lehrjahre. Eine Vignette 467
    3. 3. Josephiner versus Romantiker 471
    4. 4. Der innere Feind. Zur Metaphern- und Sozialgeschichte der Restauration 476
    5. 5. Opferkonkurrenz als Erinnerungskonkurrenz: Die Geschichtspolitik des Jahres 1848 und des Neoabsolutismus 489
    6. Ergebnisse 492
  9. VIII. Überblick 497
  10. IX. Was war Aufklärung? 513
    1. Das Gesamtbild 525
    2. Anhang 529
    3. Abbildungen 529
    4. Archivalien 530
    5. Siglen- und Abkürzungsverzeichnis 532
    6. Quellen und Literatur 539
    7. Personen- und Sachregister 620
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