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Aufklärung habsburgisch - Staatsbildung, Wissenskultur und Geschichtspolitik in Zentraleuropa 1750–1850
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117Newtonaneignung im katholischen Milieu Die Säkularisierung und Spezialisierung des Fächerspektrums bilde- ten zwei miteinander verflochtene Dimensionen des Aufklärungspro- zesses. Theologisch hatten die katholischen Aufklärer seit den 1750er Jahren nichts weniger als die Quadratur des Kreises versucht, die Ab- wehr des Deismus bei gleichzeitiger Verteidigung der natürlichen Re- ligion und Bewahrung des Übernatürlichen.148 Die Kernanliegen der katholischen Aufklärung, die Begründung der Unentbehrlichkeit der Offenbarung und der Existenz Gottes, wurden während der maria-the- resianischen Zeit von allgemeinen Grundfragen über die Möglichkeit von Erkenntnis schlechthin – sie betrafen ja die Gesetzmäßigkeiten des Universums ebenso wie die Befähigung des vernunftbegabten Men- schen, die Ordnung der Welt zu begreifen149 – zu binnentheologischen Spezialproblemen.150 beweisen zu können, sollte ein solches demütiges Geständniß irgendeinem menschlichen Geschöpf gefährlich sein können, sonderlich, wenn dagegen aus der Moralphilosophie hundert praktische Beweise hergeholet werden […]?«, Elemér Mályusz (Hg.), Sándor Lipót főherceg nádor iratai, 1790- 1795 [Schriften des Palatins Erzherzog Alexander Leopold, 1790-1795], Budapest 1926, 886; ebda., 884: »Einem Professor metaphysicis befehlen oder auch nur zumuten: Du sollst das Dasein Gottes aus der Metaphisic beweisen und seine ehrliche Anhandlassung, diese Lehre lieber ganz aus den metaphysischen Collegien wegzulassen, schnöde von der Hand zu weisen, das ist doch gewiss ein Streich aus dem sechsten oder siebenten, nicht aber aus dem 18.  Jahrhundert.« 148 Blum, Natürliche Theologie und Religionsphilosophie, 14-15. 149 Der göttliche Verstand war, mochte er noch so sehr über den menschlichen erhaben sein, Letzterem doch wesensgleich, er folgte den selben allgemei- nen Grundregeln, die Welt der Dinge, die aus dem höchsten geistigen Prin- zip resultierte, entsprach den Gesetzen unseres Begreifens, vgl. Christian Wolff, Philosophia prima, sive ontologia, methodo scientifica pertractata, qua omnis cognitionis humanae principia continentur, Francofurti; Lipsiae 1730, § 502; Gottfried W. Leibniz, Quid sit idea [1678?], in: ders., Philo- sophische Schriften, hg. v. Carl Immanuel Gerhardt, Bd. VII, Berlin 1890, 263-264. 150 Im Bemühen, die Unentbehrlichkeit der Offenbarung zu beweisen, ver- folgten die katholischen Aufklärer verschiedene Strategien: Vielfach wurde angenommen, dass die Offenbarung das der natürlichen Vernunft Zugängli- che umfasse, andernorts wurde behauptet, die Beschränktheit der Menschen durch den Sündenfall werde durch die Offenbarung überwunden, bezie- hungsweise, dass die allgemeine »natürliche« Uroffenbarung der speziellen christlichen Offenbarung zur Vollendung bedürfe. Ergänzend wurde ge- lehrt, dass die Offenbarung für das Ritual notwendig sei, indem sie nicht nur die  – aus Natur und Vernunft entspringenden oder ciceronianisch definier- ten  – eingeborenen Ideen bzw. die von ihnen herleitbaren Glaubenssätze kläre, sondern auch die gottgefälligen Kultformen festlege.
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Aufklärung habsburgisch Staatsbildung, Wissenskultur und Geschichtspolitik in Zentraleuropa 1750–1850
Titel
Aufklärung habsburgisch
Untertitel
Staatsbildung, Wissenskultur und Geschichtspolitik in Zentraleuropa 1750–1850
Autor
Franz Leander Fillafer
Verlag
Wallstein Verlag
Datum
2021
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC 4.0
ISBN
978-3-8353-3745-9
Abmessungen
14.0 x 22.2 cm
Seiten
628
Schlagwörter
Aufklärung, Österreich, Habsburger, 18. Jahrhundert, 19. Jahrhundert, Revolution, Geschichtsbild, Wissensgeschichte
Kategorien
Geschichte Vor 1918

Inhaltsverzeichnis

  1. Einleitung 11
  2. I. Von der Vaterlandsliebe zum Völkerfrühling, 1770-1848 23
    1. 1. Der Patriotismus des Joseph von Sonnenfels 24
    2. 2. Der Landespatriotismus: Vom mehrsprachigen Vaterland zu den rivalisierenden Vergangenheiten seiner Nationen 30
    3. 3. Revolutionsabwehr, Sprachnationalismus und dynastische Loyalität: Joseph von Hormayr als Historiker 39
    4. 4. Zwischenresümee 49
    5. 5. Das Weltbürgertum der Völkerfreundschaft 51
    6. 6. 1848 und die Krise der liberalen Völkerfreundschaft 57
    7. Ergebnisse 64
  3. II. Die katholische Aufklärung 67
    1. 1. Der Josephinismus als »große Erzählung« der österreichischen Geschichte 67
    2. 2. Die theresianischen Reformen 71
    3. 3. Zwischen Barock und Aufklärung: Gelehrsamkeit, Kunst und Lebenspraxis 76
    4. 4. Die katholischen Reformer und das landesfürstliche Kirchenregiment 83
    5. 5. Barockbewältigung: Scholastiksatire und Patriotismuskonkurrenz im maria-theresianischen Prag 96
    6. 6. Das Methodentableau der katholischen Aufklärung 107
    7. 7. Newtonaneignung im katholischen Milieu: Von der Gotteserkenntnis zur Weltstruktur 110
    8. Ergebnisse 122
  4. III. Die Erfindung der Allianz von Thron und Altar 125
    1. 1. Honigmond. Der antirevolutionäre Schulterschluss von Kirche und Erzhaus in den 1790er Jahren 125
    2. 2. Restaurative Geschichtspolitik und Sozialdiagnose 137
    3. 3. Von der Gemeinschaft der Rechtgläubigen zum überkonfessionellen Rechtsstaat: Kultusrecht und Staatshandeln im Vormärz 152
    4. 4. Die Selbstprovinzialisierung des restaurativen Katholizismus 160
    5. 5. Für Gott und Vaterland: Das Erbe der Aufklärung und die Rolle der Katholiken in der »nationalen Wiedergeburt« 163
    6. 6. Imperiale Integration durch konfessionelle Geopolitik: Von der barocken Rekatholisierung zum Austroslawismu Bartholomäus Kopitars 174
    7. 7. Wissenschaftspolitik und Theologie im Völkerfrühling: Die liberalen Katholiken zwischen Revolution und Konkordat 181
    8. Ergebnisse 192
  5. IV. Wissenskulturen des Vormärz 197
    1. 1. Kant im restaurativen Wissensregime 199
    2. 2. Bernard Bolzano und das Erbe der Leibniz-Wolff’schen Scholastik 209
    3. 3. Bolzanisten versus Herbartianer 219
    4. 4. Welches positive Wissen? Bibelhermeneutik und liberale Physik 223
    5. 5. Positivität und Restauration. Der wissensgeschichtliche und ästhetisch-politische Kontext 240
    6. 6. Eine Art Schadensabwicklung. Die postrevolutionäre Konstruktion der »österreichischen Philosophie« 248
    7. Ergebnisse 252
  6. V. Vom Merkantilregime zum Binnenmarkt: Die Monarchie als Wirtschaftsraum 255
    1. 1. Der Grunduntertan als Staatsbürger und Eigentümer: Die aufgeklärte Agrarpolitik und ihre Folgen 258
    2. 2. Die Patrimonialrechte in der Erwerbsgesellschaft 274
    3. 3. Sonnenfels’ Œuvre 278
    4. 4. Rivalisierende Aufklärungen: Merkantilismus und Vernunftrecht 284
    5. 5. Sonnenfels und die Nachwelt: Der Staat als bürgerlicher Verein 291
    6. 6. Die Liberalkatholiken als politische Ökonomen 303
    7. 7. Zwischenresümee: Aufklärungserbe und ökonomischer Liberalismus 309
    8. 8. Der Gesamtstaat als Wirtschaftsunion 310
    9. 9. Ungarn in der Donaumonarchie: Wirtschafts- und Verfassungspolitik von Joseph II. bis 1848 315
    10. Ergebnisse 331
  7. VI. Naturrechtspraxis und Empire-Genese. Kodifikation, Rechtsstaat, Wissenschaftsgeschichte 335
    1. 1. Sonnenfels versus Zeiller. Der Zielkonflikt zwischen Verfassungs- und Privatrechtskodifikation in den 1790er Jahren 339
    2. 2. Der Kantianismus in der Rechtswissenschaft. Franz von Zeiller und sein Erbe 354
    3. 3. Die Politik des Metapolitischen. Zeillers Gesetzgebungstechnik und das »natürliche Recht« 361
    4. 4. Das natürliche Recht und die Privatisierung der ständischen Herrschaftsteilhabe 373
    5. 5. Die Wissenschaftsgeschichte des Rechts und die Gesamtmonarchie: Ein Zwischenresümee 381
    6. 6. Naturrechtskodifikation und Gesetzesexegese: Die Auslegungspraxis des ABGB 383
    7. 7. Rechtsstaat und Gewaltenteilung im Vormärz 388
    8. 8. Gesellschaftsvertrag und Revolutionsprävention: Das natürliche öffentliche Recht als Basisepistem 401
    9. 9. Ursprung ist das Ziel. Patriotische Rechtshistorie und parlamentarische Repräsentation im Vormärz 407
    10. 10. Vertrag als Fiktion. Die Naturrechtskritik der Junghegelianer 418
    11. 11. Pandektenkur. Der Siegeszug der historisch- römischrechtlichen Schule nach 1848 423
    12. Ergebnisse 443
  8. VII. Aufklärungserbe und Revolutionsabwehr: Selbst- und Feindbilder der Restauration 455
    1. 1. Die Josephiner und die Revolution 455
    2. 2. Carl von Kübecks Lehrjahre. Eine Vignette 467
    3. 3. Josephiner versus Romantiker 471
    4. 4. Der innere Feind. Zur Metaphern- und Sozialgeschichte der Restauration 476
    5. 5. Opferkonkurrenz als Erinnerungskonkurrenz: Die Geschichtspolitik des Jahres 1848 und des Neoabsolutismus 489
    6. Ergebnisse 492
  9. VIII. Überblick 497
  10. IX. Was war Aufklärung? 513
    1. Das Gesamtbild 525
    2. Anhang 529
    3. Abbildungen 529
    4. Archivalien 530
    5. Siglen- und Abkürzungsverzeichnis 532
    6. Quellen und Literatur 539
    7. Personen- und Sachregister 620
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