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Aufklärung habsburgisch - Staatsbildung, Wissenskultur und Geschichtspolitik in Zentraleuropa 1750–1850
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212 Wissenskulturen des Vormärz Wie lässt sich Bolzano als Spätaufklärer verorten? Die katholischen Aufklärer lukrierten die Abwrackprämie für die Barockscholastik, der viele von ihnen ontologisch verpflichtet blieben. Bolzano, ein genialer Logiker, baute auf der realistischen Jesuitenscholastik auf, wenn er Sätze und Wahrheiten als außergeistige und außersprachliche Sachver- halte ansah, also auch postulierte, dass weder das göttliche noch das menschliche Denken diese Wahrheiten hervorbringe oder annehme.50 Bei Bolzano war die aus der wolff’schen Scholastik übernommene Harmonisierung (praedicatum inest subjecto), welche die Substanz als Eigenschaftsträger unter Inklusion aller virtuellen Zustände der Monade ansprach, bereits vielfältig modifiziert.51 Johann Heinrich Lambert und Kant regten Bolzano dazu an, mit seinen Gedanken über die Einfachheit der Begriffe und Anschauungen52 sowie mit sei- 50 In diesem Sinne setzte sich Bolzano mit Platons Euthyphron-Paradoxon auseinader: Gott erkennt einen Gegenstand, weil er an sich wahr ist, nicht deshalb, weil Gott ihn erkennt, ist er wahr, vgl. Jacob Schmutz, Der Einfluß der böhmischen Jesuitenphilosophie auf Bernard Bolzanos Wissenschafts- lehre, in: Petronilla Čemus, Richard Čemus (Hg.), Bohemia Jesuitica 1556- 2006, 2 Bde., Praha 2010, I, 603-615, 610. 51 Leibniz’ Begriff der Kraft, der vis primitiva, als Konstituens der Substanz beschreibt Ernst Cassirer nicht als »sachliche Konstanz eines Dinges«, son- dern als »die beharrende Identität eines übergeordneten Gesetzes«, Ernst Cassirer, Leibniz’ System in seinen wissenschaftlichen Grundlagen [1902], 3. Aufl., Hildesheim 1980, 300-301. Diese Deutung teilt Cassirer mit Bolzano, Bernard Bolzano, Verschiedenheit zwischen Leibnizens und meinen Ansich- ten, in: Eduard Winter, Leben und geistige Entwicklung des Sozialethikers und Mathematikers Bernard Bolzano, 1781-1848, Halle an der Saale 1949, Beilage A, 76-79, 77. Im Gegensatz zu Leibniz, der postulierte, dass die Mo- naden als Kraftzentren in völliger Übereinstimmung mit den körperlichen Vorgängen arbeiteten, kritisierte Bolzano die prästabilierte Harmonie und den influxus physicus, vgl. Sandra Lapointe, Bolzano’s Theoretical Philo- sophy, Houndsmills; Basingstoke 2011, 161, Anm. 4. Zu Bolzanos Kritik von Leibniz’ Verwechslung der Komponenten mentaler Adhärenz und der Gegenstandsmerkmale vgl. Stefania Centrone, Bolzano und Leibniz über Klarheit und Deutlichkeit, in: AGP 92 (2010), 256-289, 287. 52 »Nur darin weicht er sowohl von Lambert wie von Locke ab, daß er bei seiner ›Anschauung‹ das Hauptgewicht nicht sowohl auf den physischen Ursprung, als auf deren logische Beschaffenheit legt, ihren elementaren Cha- rakter ebenso, wie er es (mit Leibniz und Lambert) beim Begriffe thut, in die Einfachheit des Inhalts, dagegen den Unterschied derselben vom reinen Ver- nunftbegriff nicht (wie Lambert und Locke) in deren Ursprung von außen durch die Sinne, sondern darin sucht, daß der einfache Begriff den weitesten, die (gleichfalls einfache) Anschauung den engsten Umfang besitze, jener stets mehr als einen, diese schlechterdings nur einen einzigen Gegenstand umfasse […]«, Zimmermann, Philosophie und Philosophen in Oesterreich, 193.
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Aufklärung habsburgisch Staatsbildung, Wissenskultur und Geschichtspolitik in Zentraleuropa 1750–1850
Titel
Aufklärung habsburgisch
Untertitel
Staatsbildung, Wissenskultur und Geschichtspolitik in Zentraleuropa 1750–1850
Autor
Franz Leander Fillafer
Verlag
Wallstein Verlag
Datum
2021
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC 4.0
ISBN
978-3-8353-3745-9
Abmessungen
14.0 x 22.2 cm
Seiten
628
Schlagwörter
Aufklärung, Österreich, Habsburger, 18. Jahrhundert, 19. Jahrhundert, Revolution, Geschichtsbild, Wissensgeschichte
Kategorien
Geschichte Vor 1918

Inhaltsverzeichnis

  1. Einleitung 11
  2. I. Von der Vaterlandsliebe zum Völkerfrühling, 1770-1848 23
    1. 1. Der Patriotismus des Joseph von Sonnenfels 24
    2. 2. Der Landespatriotismus: Vom mehrsprachigen Vaterland zu den rivalisierenden Vergangenheiten seiner Nationen 30
    3. 3. Revolutionsabwehr, Sprachnationalismus und dynastische Loyalität: Joseph von Hormayr als Historiker 39
    4. 4. Zwischenresümee 49
    5. 5. Das Weltbürgertum der Völkerfreundschaft 51
    6. 6. 1848 und die Krise der liberalen Völkerfreundschaft 57
    7. Ergebnisse 64
  3. II. Die katholische Aufklärung 67
    1. 1. Der Josephinismus als »große Erzählung« der österreichischen Geschichte 67
    2. 2. Die theresianischen Reformen 71
    3. 3. Zwischen Barock und Aufklärung: Gelehrsamkeit, Kunst und Lebenspraxis 76
    4. 4. Die katholischen Reformer und das landesfürstliche Kirchenregiment 83
    5. 5. Barockbewältigung: Scholastiksatire und Patriotismuskonkurrenz im maria-theresianischen Prag 96
    6. 6. Das Methodentableau der katholischen Aufklärung 107
    7. 7. Newtonaneignung im katholischen Milieu: Von der Gotteserkenntnis zur Weltstruktur 110
    8. Ergebnisse 122
  4. III. Die Erfindung der Allianz von Thron und Altar 125
    1. 1. Honigmond. Der antirevolutionäre Schulterschluss von Kirche und Erzhaus in den 1790er Jahren 125
    2. 2. Restaurative Geschichtspolitik und Sozialdiagnose 137
    3. 3. Von der Gemeinschaft der Rechtgläubigen zum überkonfessionellen Rechtsstaat: Kultusrecht und Staatshandeln im Vormärz 152
    4. 4. Die Selbstprovinzialisierung des restaurativen Katholizismus 160
    5. 5. Für Gott und Vaterland: Das Erbe der Aufklärung und die Rolle der Katholiken in der »nationalen Wiedergeburt« 163
    6. 6. Imperiale Integration durch konfessionelle Geopolitik: Von der barocken Rekatholisierung zum Austroslawismu Bartholomäus Kopitars 174
    7. 7. Wissenschaftspolitik und Theologie im Völkerfrühling: Die liberalen Katholiken zwischen Revolution und Konkordat 181
    8. Ergebnisse 192
  5. IV. Wissenskulturen des Vormärz 197
    1. 1. Kant im restaurativen Wissensregime 199
    2. 2. Bernard Bolzano und das Erbe der Leibniz-Wolff’schen Scholastik 209
    3. 3. Bolzanisten versus Herbartianer 219
    4. 4. Welches positive Wissen? Bibelhermeneutik und liberale Physik 223
    5. 5. Positivität und Restauration. Der wissensgeschichtliche und ästhetisch-politische Kontext 240
    6. 6. Eine Art Schadensabwicklung. Die postrevolutionäre Konstruktion der »österreichischen Philosophie« 248
    7. Ergebnisse 252
  6. V. Vom Merkantilregime zum Binnenmarkt: Die Monarchie als Wirtschaftsraum 255
    1. 1. Der Grunduntertan als Staatsbürger und Eigentümer: Die aufgeklärte Agrarpolitik und ihre Folgen 258
    2. 2. Die Patrimonialrechte in der Erwerbsgesellschaft 274
    3. 3. Sonnenfels’ Œuvre 278
    4. 4. Rivalisierende Aufklärungen: Merkantilismus und Vernunftrecht 284
    5. 5. Sonnenfels und die Nachwelt: Der Staat als bürgerlicher Verein 291
    6. 6. Die Liberalkatholiken als politische Ökonomen 303
    7. 7. Zwischenresümee: Aufklärungserbe und ökonomischer Liberalismus 309
    8. 8. Der Gesamtstaat als Wirtschaftsunion 310
    9. 9. Ungarn in der Donaumonarchie: Wirtschafts- und Verfassungspolitik von Joseph II. bis 1848 315
    10. Ergebnisse 331
  7. VI. Naturrechtspraxis und Empire-Genese. Kodifikation, Rechtsstaat, Wissenschaftsgeschichte 335
    1. 1. Sonnenfels versus Zeiller. Der Zielkonflikt zwischen Verfassungs- und Privatrechtskodifikation in den 1790er Jahren 339
    2. 2. Der Kantianismus in der Rechtswissenschaft. Franz von Zeiller und sein Erbe 354
    3. 3. Die Politik des Metapolitischen. Zeillers Gesetzgebungstechnik und das »natürliche Recht« 361
    4. 4. Das natürliche Recht und die Privatisierung der ständischen Herrschaftsteilhabe 373
    5. 5. Die Wissenschaftsgeschichte des Rechts und die Gesamtmonarchie: Ein Zwischenresümee 381
    6. 6. Naturrechtskodifikation und Gesetzesexegese: Die Auslegungspraxis des ABGB 383
    7. 7. Rechtsstaat und Gewaltenteilung im Vormärz 388
    8. 8. Gesellschaftsvertrag und Revolutionsprävention: Das natürliche öffentliche Recht als Basisepistem 401
    9. 9. Ursprung ist das Ziel. Patriotische Rechtshistorie und parlamentarische Repräsentation im Vormärz 407
    10. 10. Vertrag als Fiktion. Die Naturrechtskritik der Junghegelianer 418
    11. 11. Pandektenkur. Der Siegeszug der historisch- römischrechtlichen Schule nach 1848 423
    12. Ergebnisse 443
  8. VII. Aufklärungserbe und Revolutionsabwehr: Selbst- und Feindbilder der Restauration 455
    1. 1. Die Josephiner und die Revolution 455
    2. 2. Carl von Kübecks Lehrjahre. Eine Vignette 467
    3. 3. Josephiner versus Romantiker 471
    4. 4. Der innere Feind. Zur Metaphern- und Sozialgeschichte der Restauration 476
    5. 5. Opferkonkurrenz als Erinnerungskonkurrenz: Die Geschichtspolitik des Jahres 1848 und des Neoabsolutismus 489
    6. Ergebnisse 492
  9. VIII. Überblick 497
  10. IX. Was war Aufklärung? 513
    1. Das Gesamtbild 525
    2. Anhang 529
    3. Abbildungen 529
    4. Archivalien 530
    5. Siglen- und Abkürzungsverzeichnis 532
    6. Quellen und Literatur 539
    7. Personen- und Sachregister 620
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