Web-Books
im Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Geschichte
Vor 1918
Aufklärung habsburgisch - Staatsbildung, Wissenskultur und Geschichtspolitik in Zentraleuropa 1750–1850
Seite - 222 -
  • Benutzer
  • Version
    • Vollversion
    • Textversion
  • Sprache
    • Deutsch
    • English - Englisch

Seite - 222 - in Aufklärung habsburgisch - Staatsbildung, Wissenskultur und Geschichtspolitik in Zentraleuropa 1750–1850

Bild der Seite - 222 -

Bild der Seite - 222 - in Aufklärung habsburgisch - Staatsbildung, Wissenskultur und Geschichtspolitik in Zentraleuropa 1750–1850

Text der Seite - 222 -

222 Wissenskulturen des Vormärz vom psychischen Ausdruck des Denkens ab, Bolzanos Gott erkennt die Wahrheit nicht durch einen persönlichen Akt des Denkens, viel- mehr ist sie seinem Wesen kraft seiner Substanz (quoad substantiam) zugänglich, existiert aber losgelöst von Gott.89 Exner verschob nun Bolzanos Akt-Potenz-Relation, in der Gott als exemplarkognitive Instanz fungiert, auf die Zeitachse: Er beschrieb die aufgrund ihrer Vorstellungsbestandteile »objektiven Wahrheiten« als Summe denk- möglicher, aber noch nicht aktualisierter Gedanken.90 Auch Bolzanos Ästhetik wurde im Herbart’schen Sinne nachgebessert,91 die Herbar- tianer gingen von objektiven Wertbestimmungen des Schönen aus, die 89 Ryschawy, Beziehungen Bernard Bolzanos, Bd. I, 87. 90 Vgl. Jan Sebestik, Bolzano, Exner, and the Foundations of Analytical Phi- losophy, in: Wolfgang Künne u. a. (Hg.), Bolzano and analytic philosophy, Amsterdam 1997, 33-60. »Sprech’ ich demnach von obi. Vstllgn, so setz’ ich nicht voraus, daß sie in einer gewissen Seele da seien, aber eben so wenig setz’ ich voraus, dz sie in keiner sich finden od. fanden, sondern von dem ganzen Verhältnis des Daseins sehe ich hinweg. Ja der Begriff einer Vstllgn, die nicht nur in keiner Seele war od. ist, sondern auch in keiner (menschl. od. göttl.) sein kann, ist ein gegenstandloser, widersprechender Begriff. Immerhin kann man sagen: Es gibt Vstllgn, die in keiner Seele waren, noch sind. Dies heißt nichts anders, als: die Seelen haben noch nicht alle Vstllgn wirklich gehabt, die sie unter gewissen Bedingungen haben könnten od. werden. — Ganz ana- log verhält es sich mit den obj. Wahrhtn. Sie sind Wahrhtn an sich betrachtet, abgesehn von ihren psycholog. Verhältnissen. Es gibt obj. Wahrhtn heisst also nichts, als: es gibt Sätze, denen, abgesehn von ihrem Dasein, wegen der Beschaffenheit der Vorstllgn an sich, aus denen sie bestehen, Ueberein- stimmung des Subjektes u. Prädikates, die formelle Wahrheit, od. auch zu- gleich materielle Wahrheit zukommt«, Franz S. Exner an Bernard Bolzano, 11. 11. 1834, Briefwechsel B. Bolzano’s mit F. Exner, 58-59. 91 Vgl. Robert Zimmermann, Geschichte der Ästhetik als philosophischer Wis- senschaft [1858], Hildesheim-New York 1973, 422, 802. Zimmermann lobt Herbart als Hauptvertreter der realistischen Richtung, vor allem aufgrund seiner Musikästhetik: Sie beweise, dass alle Schönheit nur in Formen besteht. Das Empfinden sei nicht an die Referenzakte, die sich auf den Gehalt des Kunstwerks beziehen, gebunden, sondern an die Formalbedingungen ihrer affektiven Konnotate beim Rezipienten, damit aber lässt sich die psycholo- gische Gesetzmäßigkeit objektiver Geschmacksprinzipien postulieren. Die Betrachtung des Schönen besteht also im impliziten Gebrauch von Begriffen für den Zusammenhang von Elementen eines Gegenstands. Zimmermann harmonisiert Bolzanos Position mit jener Herbarts, wenn er behauptet, des- sen Ästhetik hätte Herbarts Formalismus wesentlich entsprochen, vgl. Kurt Blaukopf, Von der Ästhetik zur »Zweigwissenschaft«. Robert Zimmermann als Vorläufer des Wiener Kreises, in: Martin Seiler, Friedrich Stadler (Hg.), Kunst, Kunsttheorie und Kunstforschung im wissenschaftlichen Diskurs. In memoriam Kurt Blaukopf, Wien 2000, 35-46.
zurück zum  Buch Aufklärung habsburgisch - Staatsbildung, Wissenskultur und Geschichtspolitik in Zentraleuropa 1750–1850"
Aufklärung habsburgisch Staatsbildung, Wissenskultur und Geschichtspolitik in Zentraleuropa 1750–1850
Titel
Aufklärung habsburgisch
Untertitel
Staatsbildung, Wissenskultur und Geschichtspolitik in Zentraleuropa 1750–1850
Autor
Franz Leander Fillafer
Verlag
Wallstein Verlag
Datum
2021
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC 4.0
ISBN
978-3-8353-3745-9
Abmessungen
14.0 x 22.2 cm
Seiten
628
Schlagwörter
Aufklärung, Österreich, Habsburger, 18. Jahrhundert, 19. Jahrhundert, Revolution, Geschichtsbild, Wissensgeschichte
Kategorien
Geschichte Vor 1918

Inhaltsverzeichnis

  1. Einleitung 11
  2. I. Von der Vaterlandsliebe zum Völkerfrühling, 1770-1848 23
    1. 1. Der Patriotismus des Joseph von Sonnenfels 24
    2. 2. Der Landespatriotismus: Vom mehrsprachigen Vaterland zu den rivalisierenden Vergangenheiten seiner Nationen 30
    3. 3. Revolutionsabwehr, Sprachnationalismus und dynastische Loyalität: Joseph von Hormayr als Historiker 39
    4. 4. Zwischenresümee 49
    5. 5. Das Weltbürgertum der Völkerfreundschaft 51
    6. 6. 1848 und die Krise der liberalen Völkerfreundschaft 57
    7. Ergebnisse 64
  3. II. Die katholische Aufklärung 67
    1. 1. Der Josephinismus als »große Erzählung« der österreichischen Geschichte 67
    2. 2. Die theresianischen Reformen 71
    3. 3. Zwischen Barock und Aufklärung: Gelehrsamkeit, Kunst und Lebenspraxis 76
    4. 4. Die katholischen Reformer und das landesfürstliche Kirchenregiment 83
    5. 5. Barockbewältigung: Scholastiksatire und Patriotismuskonkurrenz im maria-theresianischen Prag 96
    6. 6. Das Methodentableau der katholischen Aufklärung 107
    7. 7. Newtonaneignung im katholischen Milieu: Von der Gotteserkenntnis zur Weltstruktur 110
    8. Ergebnisse 122
  4. III. Die Erfindung der Allianz von Thron und Altar 125
    1. 1. Honigmond. Der antirevolutionäre Schulterschluss von Kirche und Erzhaus in den 1790er Jahren 125
    2. 2. Restaurative Geschichtspolitik und Sozialdiagnose 137
    3. 3. Von der Gemeinschaft der Rechtgläubigen zum überkonfessionellen Rechtsstaat: Kultusrecht und Staatshandeln im Vormärz 152
    4. 4. Die Selbstprovinzialisierung des restaurativen Katholizismus 160
    5. 5. Für Gott und Vaterland: Das Erbe der Aufklärung und die Rolle der Katholiken in der »nationalen Wiedergeburt« 163
    6. 6. Imperiale Integration durch konfessionelle Geopolitik: Von der barocken Rekatholisierung zum Austroslawismu Bartholomäus Kopitars 174
    7. 7. Wissenschaftspolitik und Theologie im Völkerfrühling: Die liberalen Katholiken zwischen Revolution und Konkordat 181
    8. Ergebnisse 192
  5. IV. Wissenskulturen des Vormärz 197
    1. 1. Kant im restaurativen Wissensregime 199
    2. 2. Bernard Bolzano und das Erbe der Leibniz-Wolff’schen Scholastik 209
    3. 3. Bolzanisten versus Herbartianer 219
    4. 4. Welches positive Wissen? Bibelhermeneutik und liberale Physik 223
    5. 5. Positivität und Restauration. Der wissensgeschichtliche und ästhetisch-politische Kontext 240
    6. 6. Eine Art Schadensabwicklung. Die postrevolutionäre Konstruktion der »österreichischen Philosophie« 248
    7. Ergebnisse 252
  6. V. Vom Merkantilregime zum Binnenmarkt: Die Monarchie als Wirtschaftsraum 255
    1. 1. Der Grunduntertan als Staatsbürger und Eigentümer: Die aufgeklärte Agrarpolitik und ihre Folgen 258
    2. 2. Die Patrimonialrechte in der Erwerbsgesellschaft 274
    3. 3. Sonnenfels’ Œuvre 278
    4. 4. Rivalisierende Aufklärungen: Merkantilismus und Vernunftrecht 284
    5. 5. Sonnenfels und die Nachwelt: Der Staat als bürgerlicher Verein 291
    6. 6. Die Liberalkatholiken als politische Ökonomen 303
    7. 7. Zwischenresümee: Aufklärungserbe und ökonomischer Liberalismus 309
    8. 8. Der Gesamtstaat als Wirtschaftsunion 310
    9. 9. Ungarn in der Donaumonarchie: Wirtschafts- und Verfassungspolitik von Joseph II. bis 1848 315
    10. Ergebnisse 331
  7. VI. Naturrechtspraxis und Empire-Genese. Kodifikation, Rechtsstaat, Wissenschaftsgeschichte 335
    1. 1. Sonnenfels versus Zeiller. Der Zielkonflikt zwischen Verfassungs- und Privatrechtskodifikation in den 1790er Jahren 339
    2. 2. Der Kantianismus in der Rechtswissenschaft. Franz von Zeiller und sein Erbe 354
    3. 3. Die Politik des Metapolitischen. Zeillers Gesetzgebungstechnik und das »natürliche Recht« 361
    4. 4. Das natürliche Recht und die Privatisierung der ständischen Herrschaftsteilhabe 373
    5. 5. Die Wissenschaftsgeschichte des Rechts und die Gesamtmonarchie: Ein Zwischenresümee 381
    6. 6. Naturrechtskodifikation und Gesetzesexegese: Die Auslegungspraxis des ABGB 383
    7. 7. Rechtsstaat und Gewaltenteilung im Vormärz 388
    8. 8. Gesellschaftsvertrag und Revolutionsprävention: Das natürliche öffentliche Recht als Basisepistem 401
    9. 9. Ursprung ist das Ziel. Patriotische Rechtshistorie und parlamentarische Repräsentation im Vormärz 407
    10. 10. Vertrag als Fiktion. Die Naturrechtskritik der Junghegelianer 418
    11. 11. Pandektenkur. Der Siegeszug der historisch- römischrechtlichen Schule nach 1848 423
    12. Ergebnisse 443
  8. VII. Aufklärungserbe und Revolutionsabwehr: Selbst- und Feindbilder der Restauration 455
    1. 1. Die Josephiner und die Revolution 455
    2. 2. Carl von Kübecks Lehrjahre. Eine Vignette 467
    3. 3. Josephiner versus Romantiker 471
    4. 4. Der innere Feind. Zur Metaphern- und Sozialgeschichte der Restauration 476
    5. 5. Opferkonkurrenz als Erinnerungskonkurrenz: Die Geschichtspolitik des Jahres 1848 und des Neoabsolutismus 489
    6. Ergebnisse 492
  9. VIII. Überblick 497
  10. IX. Was war Aufklärung? 513
    1. Das Gesamtbild 525
    2. Anhang 529
    3. Abbildungen 529
    4. Archivalien 530
    5. Siglen- und Abkürzungsverzeichnis 532
    6. Quellen und Literatur 539
    7. Personen- und Sachregister 620
Web-Books
Bibliothek
Datenschutz
Impressum
Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Aufklärung habsburgisch