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318 Die Monarchie als Wirtschaftsraum
bis in die 1840er Jahre mit dem Argument ab, dessen sich schon Maria
Theresia und Joseph II. bedient hatten: Dank der Steuerfreiheit konn-
ten die adeligen Landeigentümer in Ungarn viel billiger als ihre erblän-
dischen Konkurrenten produzieren. Abgesehen vom Billiglohnniveau
bestand aufgrund des adeligen Eigentumsprivilegs, der erwähnten Avi-
tizität, keine Freiheit des Liegenschaftsverkehrs, was die Investoren aus
der Westhälfte der Monarchie gravierend benachteiligte.216
nach dem jetzigen Zeitbedürfniß betrachtet, Pest 1808; Merkantilische Be-
merkungen und Vorstellungen in Bezug auf das Königreich Ungarn mit den
angränzenden österreichischen Staaten betrachtet, Preßburg 1802; Nikola
Škrlec Lomnički, Projectum Legum motivatum in Objecto Oeconomiae
Publicae et Commercii perferendarum, Posonii 1826; Status et ordines re-
late ad Exteras Oras plenam remotis quibusvis impedimentis, et abusibus
Commercii, adeoque exportationis productorum, et expulsionis Pecorum,
Pecudum libertatem, lege publica stabiliri [1802], in: Relatio Sub-Deputati-
onis Commercialis in objecto ineundi Commercialis Tractatus Hungariam
inter, et reliquas Hereditarias Suae Majestatis Sacratissimae Ditiones, Pes-
tini 1829, 14-15.
216 Für den Handel und Privatverkehr von und nach Ungarn war die Befrie-
digung einklagbarer Ansprüche ein gravierendes Problem. Ungarische Ge-
schäftsleute waren für die Warenausfuhr auf Wiener und Triestiner Zwi-
schenhändler angewiesen. Die Akzeptanz eines ungarischen Wechsels war
gemeinhin von einer Provisionsleistung durch den Aussteller abhängig, weil
er für die erbländischen Geschäftsleute per se ein Risiko darstellte. Die un-
garischen Tavernikalgerichte erklärten die erbländischen Wechselregresse
regelmäßig für nichtig, Abhilfe schaffen konnte hier nur die ausdrückliche
Unterwerfung des ungarischen Wechselausstellers unter ein erbländisches
Gericht, etwa unter das niederösterreichische Mercantil- und Wechselgericht,
wie es mit dem Gesetz XVII des ungarischen Landtags von 1792 möglich
geworden war. Vgl. Sándor Matlekovits, Magyarország törvényei és or-
szággyüléseinek müködése nemzetgazdasági tekintetben, különösen a 18-
ik század óta [Die ungarischen Gesetze und Maßnahmen des Landtags in
Bezug auf die Nationalökonomie, besonders seit dem 18.
Jahrhundert], Pest
1865, 95; Joseph Ellinger, Die Execution auf das unbewegliche Vermögen
nach ungarischem Rechte, zum Unterschiede von jener nach österreichi-
schem Rechte, in: ZföRg (1842) 2, 347-350. Das binnenimperiale Kredit-
wesen war geprägt von Privatanleihen. Ungarische Adelige verkauften über
erbländische Bankhäuser an erbländische Investoren Partialobligationen,
deren Zinsfuß deutlich höher war als jener der Staatsanleihen. Auch hier
war es für die erbländischen Titelinhaber schwierig, sich Recht zu verschaf-
fen. Wenn es zu einem Prozess kam, und ein erbländisches Gericht dem
Gläubiger Recht gab, wurde der Fall von der Hofkanzlei dem Komitat be-
kanntgemacht, in dem die Schuldverschreibung intabuliert war. Wenn das
Komitat nun aber einen Bevollmächtigten entsandte, um das hypothezierte
Gut zu pfänden, bekam dieser oftmals vom Gutsverwalter zu hören, dass
die Partialobligationen nicht den Namen des Gläubigers auswiesen, dass sie
Aufklärung habsburgisch
Staatsbildung, Wissenskultur und Geschichtspolitik in Zentraleuropa 1750–1850
- Titel
- Aufklärung habsburgisch
- Untertitel
- Staatsbildung, Wissenskultur und Geschichtspolitik in Zentraleuropa 1750–1850
- Autor
- Franz Leander Fillafer
- Verlag
- Wallstein Verlag
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 4.0
- ISBN
- 978-3-8353-3745-9
- Abmessungen
- 14.0 x 22.2 cm
- Seiten
- 628
- Schlagwörter
- Aufklärung, Österreich, Habsburger, 18. Jahrhundert, 19. Jahrhundert, Revolution, Geschichtsbild, Wissensgeschichte
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung 11
- I. Von der Vaterlandsliebe zum Völkerfrühling, 1770-1848 23
- 1. Der Patriotismus des Joseph von Sonnenfels 24
- 2. Der Landespatriotismus: Vom mehrsprachigen Vaterland zu den rivalisierenden Vergangenheiten seiner Nationen 30
- 3. Revolutionsabwehr, Sprachnationalismus und dynastische Loyalität: Joseph von Hormayr als Historiker 39
- 4. Zwischenresümee 49
- 5. Das Weltbürgertum der Völkerfreundschaft 51
- 6. 1848 und die Krise der liberalen Völkerfreundschaft 57
- Ergebnisse 64
- II. Die katholische Aufklärung 67
- 1. Der Josephinismus als »große Erzählung« der österreichischen Geschichte 67
- 2. Die theresianischen Reformen 71
- 3. Zwischen Barock und Aufklärung: Gelehrsamkeit, Kunst und Lebenspraxis 76
- 4. Die katholischen Reformer und das landesfürstliche Kirchenregiment 83
- 5. Barockbewältigung: Scholastiksatire und Patriotismuskonkurrenz im maria-theresianischen Prag 96
- 6. Das Methodentableau der katholischen Aufklärung 107
- 7. Newtonaneignung im katholischen Milieu: Von der Gotteserkenntnis zur Weltstruktur 110
- Ergebnisse 122
- III. Die Erfindung der Allianz von Thron und Altar 125
- 1. Honigmond. Der antirevolutionäre Schulterschluss von Kirche und Erzhaus in den 1790er Jahren 125
- 2. Restaurative Geschichtspolitik und Sozialdiagnose 137
- 3. Von der Gemeinschaft der Rechtgläubigen zum überkonfessionellen Rechtsstaat: Kultusrecht und Staatshandeln im Vormärz 152
- 4. Die Selbstprovinzialisierung des restaurativen Katholizismus 160
- 5. Für Gott und Vaterland: Das Erbe der Aufklärung und die Rolle der Katholiken in der »nationalen Wiedergeburt« 163
- 6. Imperiale Integration durch konfessionelle Geopolitik: Von der barocken Rekatholisierung zum Austroslawismu Bartholomäus Kopitars 174
- 7. Wissenschaftspolitik und Theologie im Völkerfrühling: Die liberalen Katholiken zwischen Revolution und Konkordat 181
- Ergebnisse 192
- IV. Wissenskulturen des Vormärz 197
- 1. Kant im restaurativen Wissensregime 199
- 2. Bernard Bolzano und das Erbe der Leibniz-Wolff’schen Scholastik 209
- 3. Bolzanisten versus Herbartianer 219
- 4. Welches positive Wissen? Bibelhermeneutik und liberale Physik 223
- 5. Positivität und Restauration. Der wissensgeschichtliche und ästhetisch-politische Kontext 240
- 6. Eine Art Schadensabwicklung. Die postrevolutionäre Konstruktion der »österreichischen Philosophie« 248
- Ergebnisse 252
- V. Vom Merkantilregime zum Binnenmarkt: Die Monarchie als Wirtschaftsraum 255
- 1. Der Grunduntertan als Staatsbürger und Eigentümer: Die aufgeklärte Agrarpolitik und ihre Folgen 258
- 2. Die Patrimonialrechte in der Erwerbsgesellschaft 274
- 3. Sonnenfels’ Œuvre 278
- 4. Rivalisierende Aufklärungen: Merkantilismus und Vernunftrecht 284
- 5. Sonnenfels und die Nachwelt: Der Staat als bürgerlicher Verein 291
- 6. Die Liberalkatholiken als politische Ökonomen 303
- 7. Zwischenresümee: Aufklärungserbe und ökonomischer Liberalismus 309
- 8. Der Gesamtstaat als Wirtschaftsunion 310
- 9. Ungarn in der Donaumonarchie: Wirtschafts- und Verfassungspolitik von Joseph II. bis 1848 315
- Ergebnisse 331
- VI. Naturrechtspraxis und Empire-Genese. Kodifikation, Rechtsstaat, Wissenschaftsgeschichte 335
- 1. Sonnenfels versus Zeiller. Der Zielkonflikt zwischen Verfassungs- und Privatrechtskodifikation in den 1790er Jahren 339
- 2. Der Kantianismus in der Rechtswissenschaft. Franz von Zeiller und sein Erbe 354
- 3. Die Politik des Metapolitischen. Zeillers Gesetzgebungstechnik und das »natürliche Recht« 361
- 4. Das natürliche Recht und die Privatisierung der ständischen Herrschaftsteilhabe 373
- 5. Die Wissenschaftsgeschichte des Rechts und die Gesamtmonarchie: Ein Zwischenresümee 381
- 6. Naturrechtskodifikation und Gesetzesexegese: Die Auslegungspraxis des ABGB 383
- 7. Rechtsstaat und Gewaltenteilung im Vormärz 388
- 8. Gesellschaftsvertrag und Revolutionsprävention: Das natürliche öffentliche Recht als Basisepistem 401
- 9. Ursprung ist das Ziel. Patriotische Rechtshistorie und parlamentarische Repräsentation im Vormärz 407
- 10. Vertrag als Fiktion. Die Naturrechtskritik der Junghegelianer 418
- 11. Pandektenkur. Der Siegeszug der historisch- römischrechtlichen Schule nach 1848 423
- Ergebnisse 443
- VII. Aufklärungserbe und Revolutionsabwehr: Selbst- und Feindbilder der Restauration 455
- 1. Die Josephiner und die Revolution 455
- 2. Carl von Kübecks Lehrjahre. Eine Vignette 467
- 3. Josephiner versus Romantiker 471
- 4. Der innere Feind. Zur Metaphern- und Sozialgeschichte der Restauration 476
- 5. Opferkonkurrenz als Erinnerungskonkurrenz: Die Geschichtspolitik des Jahres 1848 und des Neoabsolutismus 489
- Ergebnisse 492
- VIII. Überblick 497
- IX. Was war Aufklärung? 513