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323Ungarn
in der Donaumonarchie: Wirtschafts- und Verfassungspolitik
Die missglückte Kriegskostensanierung durch Geldschöpfung blähte
die Umlaufmenge der Währung enorm auf, zudem schwappten große
Mengen Papiergelds aus den verlorenen Territorien in das Rumpfgebiet
der Monarchie zurück.233 Währenddessen zögerte Kaiser Franz, den
Vorschlägen seines Hofkammerpräsidenten Joseph Graf O’Donnell
Folge zu leisten. O’Donnell wollte die Bancozettel einziehen und
drängte den Monarchen, zur Reduzierung der Papiergeldmenge das
Vermögen des Klerus als Sicherheit für die Währung und die ausge-
gebenen Staatsanleihen heranzuziehen.234 Eine Währungsabwertung
per Patent wollte Kaiser Franz zunächst tunlichst vermeiden. Zu eben
dieser Lösung griff schließlich O’Donnells Nachfolger als Hofkam-
merpräsident, der Graf Joseph Wallis. Wallis’ Abwertungspatent vom
Februar 1811 folgte der Sonnenfels’schen Quantitätstheorie,235 mit ihm
erreichte die selbstherrliche Veränderung von Werttiteln durch die Re-
gierung einen Höhepunkt: Die alte Währung musste zu einem Fünftel
ihres Nennwertes in neue Einlösungsscheine umgetauscht werden, für
ältere private Verbindlichkeiten wurde eine Abwertungsskala verhängt,
die massiv in die Schuldverhältnisse der Bürger untereinander eingriff.236
in einer schwach integrierten Monarchie, in: Jürgen Klosterhuuis, Wolf-
gang Neugebauer (Hg.), Krise, Reformen, und Finanzen. Preußen vor und
nach der Katastrophe von 1806, Berlin 2008, 267-314, 271.
233 Adolf Beer, Die Finanzen Österreichs im XIX. Jahrhundert. Nach archiva-
lischen Quellen, Prag 1877, 45-46.
234 Victor Hofmann von Wellenhof, Das Finanzsystem des Grafen O’Donnell,
Wien 1918; Christian Sapper, Josef Graf O’Donnell, Hofkammerpräsident
1808-1810, in: MÖSTA 33 (1980), 161-192, 185-186. O’Donnell: In der
»augenblicklichen Notlage müsse man auf den in ganz Europa anerkannten
Grundsatz, daß geistliches Eigentum Staatseigentum sei, zurückgreifen.
Selbst die Geistlichkeit kann nichts dagegen haben, denn wie sollte sie sich
erhalten, wenn der Staat fiele.«
235 Vgl. No. 929, Patent v. 20. Hornung 1811, in: Seiner Majestät des Kaisers
Franz Gesetze und Verfassungen im Justiz-Fache. Für die Deutschen Staaten
der Österreichischen Monarchie. Von dem Jahre 1804 bis 1811, Wien 1816,
254-262; Scala über den Curs der Banco-Zettel, nach welchem die Zahlungen
zufolge des Paragraph 13 und 14 des Patentes vom 20. Hornung 1811 zu leis-
ten sind, ebda., 263; Josef von Sonnenfels, Über die am achten September er-
lassenen zwei Patente. Ein Antwortschreiben über folgende Fragen: Welcher
Ursache ist die Verschlimmerung des Kurses zuzuschreiben? Wodurch kann
ihr Einhalt geschehen?, Wien 1810, 14, 16-18; Heinrich Joseph Watteroth,
Politische Vorlesungen über Papiergeld und Bankozettel, Wien 1811, 62.
236 Die Entwertung traf besonders Gläubiger, die sich nicht durch die Festle-
gung des Münzfußes abgesichert hatten, Stiftungs- und Waisenkassen sowie
Pensionsempfänger. Mitglieder des Hochadels verstanden es, ihr Vermögen
zu schützen, auch die großen Bankhäuser waren vorab über den Inhalt des
Aufklärung habsburgisch
Staatsbildung, Wissenskultur und Geschichtspolitik in Zentraleuropa 1750–1850
- Titel
- Aufklärung habsburgisch
- Untertitel
- Staatsbildung, Wissenskultur und Geschichtspolitik in Zentraleuropa 1750–1850
- Autor
- Franz Leander Fillafer
- Verlag
- Wallstein Verlag
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 4.0
- ISBN
- 978-3-8353-3745-9
- Abmessungen
- 14.0 x 22.2 cm
- Seiten
- 628
- Schlagwörter
- Aufklärung, Österreich, Habsburger, 18. Jahrhundert, 19. Jahrhundert, Revolution, Geschichtsbild, Wissensgeschichte
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung 11
- I. Von der Vaterlandsliebe zum Völkerfrühling, 1770-1848 23
- 1. Der Patriotismus des Joseph von Sonnenfels 24
- 2. Der Landespatriotismus: Vom mehrsprachigen Vaterland zu den rivalisierenden Vergangenheiten seiner Nationen 30
- 3. Revolutionsabwehr, Sprachnationalismus und dynastische Loyalität: Joseph von Hormayr als Historiker 39
- 4. Zwischenresümee 49
- 5. Das Weltbürgertum der Völkerfreundschaft 51
- 6. 1848 und die Krise der liberalen Völkerfreundschaft 57
- Ergebnisse 64
- II. Die katholische Aufklärung 67
- 1. Der Josephinismus als »große Erzählung« der österreichischen Geschichte 67
- 2. Die theresianischen Reformen 71
- 3. Zwischen Barock und Aufklärung: Gelehrsamkeit, Kunst und Lebenspraxis 76
- 4. Die katholischen Reformer und das landesfürstliche Kirchenregiment 83
- 5. Barockbewältigung: Scholastiksatire und Patriotismuskonkurrenz im maria-theresianischen Prag 96
- 6. Das Methodentableau der katholischen Aufklärung 107
- 7. Newtonaneignung im katholischen Milieu: Von der Gotteserkenntnis zur Weltstruktur 110
- Ergebnisse 122
- III. Die Erfindung der Allianz von Thron und Altar 125
- 1. Honigmond. Der antirevolutionäre Schulterschluss von Kirche und Erzhaus in den 1790er Jahren 125
- 2. Restaurative Geschichtspolitik und Sozialdiagnose 137
- 3. Von der Gemeinschaft der Rechtgläubigen zum überkonfessionellen Rechtsstaat: Kultusrecht und Staatshandeln im Vormärz 152
- 4. Die Selbstprovinzialisierung des restaurativen Katholizismus 160
- 5. Für Gott und Vaterland: Das Erbe der Aufklärung und die Rolle der Katholiken in der »nationalen Wiedergeburt« 163
- 6. Imperiale Integration durch konfessionelle Geopolitik: Von der barocken Rekatholisierung zum Austroslawismu Bartholomäus Kopitars 174
- 7. Wissenschaftspolitik und Theologie im Völkerfrühling: Die liberalen Katholiken zwischen Revolution und Konkordat 181
- Ergebnisse 192
- IV. Wissenskulturen des Vormärz 197
- 1. Kant im restaurativen Wissensregime 199
- 2. Bernard Bolzano und das Erbe der Leibniz-Wolff’schen Scholastik 209
- 3. Bolzanisten versus Herbartianer 219
- 4. Welches positive Wissen? Bibelhermeneutik und liberale Physik 223
- 5. Positivität und Restauration. Der wissensgeschichtliche und ästhetisch-politische Kontext 240
- 6. Eine Art Schadensabwicklung. Die postrevolutionäre Konstruktion der »österreichischen Philosophie« 248
- Ergebnisse 252
- V. Vom Merkantilregime zum Binnenmarkt: Die Monarchie als Wirtschaftsraum 255
- 1. Der Grunduntertan als Staatsbürger und Eigentümer: Die aufgeklärte Agrarpolitik und ihre Folgen 258
- 2. Die Patrimonialrechte in der Erwerbsgesellschaft 274
- 3. Sonnenfels’ Œuvre 278
- 4. Rivalisierende Aufklärungen: Merkantilismus und Vernunftrecht 284
- 5. Sonnenfels und die Nachwelt: Der Staat als bürgerlicher Verein 291
- 6. Die Liberalkatholiken als politische Ökonomen 303
- 7. Zwischenresümee: Aufklärungserbe und ökonomischer Liberalismus 309
- 8. Der Gesamtstaat als Wirtschaftsunion 310
- 9. Ungarn in der Donaumonarchie: Wirtschafts- und Verfassungspolitik von Joseph II. bis 1848 315
- Ergebnisse 331
- VI. Naturrechtspraxis und Empire-Genese. Kodifikation, Rechtsstaat, Wissenschaftsgeschichte 335
- 1. Sonnenfels versus Zeiller. Der Zielkonflikt zwischen Verfassungs- und Privatrechtskodifikation in den 1790er Jahren 339
- 2. Der Kantianismus in der Rechtswissenschaft. Franz von Zeiller und sein Erbe 354
- 3. Die Politik des Metapolitischen. Zeillers Gesetzgebungstechnik und das »natürliche Recht« 361
- 4. Das natürliche Recht und die Privatisierung der ständischen Herrschaftsteilhabe 373
- 5. Die Wissenschaftsgeschichte des Rechts und die Gesamtmonarchie: Ein Zwischenresümee 381
- 6. Naturrechtskodifikation und Gesetzesexegese: Die Auslegungspraxis des ABGB 383
- 7. Rechtsstaat und Gewaltenteilung im Vormärz 388
- 8. Gesellschaftsvertrag und Revolutionsprävention: Das natürliche öffentliche Recht als Basisepistem 401
- 9. Ursprung ist das Ziel. Patriotische Rechtshistorie und parlamentarische Repräsentation im Vormärz 407
- 10. Vertrag als Fiktion. Die Naturrechtskritik der Junghegelianer 418
- 11. Pandektenkur. Der Siegeszug der historisch- römischrechtlichen Schule nach 1848 423
- Ergebnisse 443
- VII. Aufklärungserbe und Revolutionsabwehr: Selbst- und Feindbilder der Restauration 455
- 1. Die Josephiner und die Revolution 455
- 2. Carl von Kübecks Lehrjahre. Eine Vignette 467
- 3. Josephiner versus Romantiker 471
- 4. Der innere Feind. Zur Metaphern- und Sozialgeschichte der Restauration 476
- 5. Opferkonkurrenz als Erinnerungskonkurrenz: Die Geschichtspolitik des Jahres 1848 und des Neoabsolutismus 489
- Ergebnisse 492
- VIII. Überblick 497
- IX. Was war Aufklärung? 513