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Aufklärung habsburgisch - Staatsbildung, Wissenskultur und Geschichtspolitik in Zentraleuropa 1750–1850
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483Zur Metaphern- und Sozialgeschichte der Restauration Das Imaginaire des Einnistens, der Infiltration und Unterminierung lässt sich an der Figur des inneren Feindes prägnant ablesen; es besitzt andere Katachresen-Mäander und Vertikaliterationen als die im be- hördlichen Schrifttum bemühte Metaphorik von Oben und Unten, die Wühler- und Drahtziehersemantik, die von Maulwürfen95, unterirdi- schen Stollen,96 Geysiren und Oberflächenwirbeln beherrscht wird.97 Mit dem Nachweis der Fremdbestimmtheit wird das Kernmerk- mal der Restauration, die Geschlossenheit des gegen Aufklärung und Revolution abgeschirmten Innenraums, in Frage gestellt. Das erklärt die spezifische Semantik, der Feind ist dem »System« eben nicht äu- ßerlich, nicht wesensfremd, er hat sich bereits fest im Inneren etabliert. Wer bediente sich nun der Figur des »inneren Feindes«? Zunächst die schalkhaften Beamten selbst, wenn sie literarische Kleinformen – Es- says, Feuilletons, Zeitbilder, Aperçus – schrieben, die eben nicht für den Dienstgebrauch bestimmt waren, sondern als Gegenwartsdiagno- sen in den Intelligenzblättern und Almanachen der Epoche erschienen. So lieferten die Staatsdiener in ihren Mußestunden die Kontrafaktur des Bildes, das sie in ihren offiziellen Schriftstücken zeichneten.98 Gala, […] nach Hof zu fahren, im Begriff ist, und dem ein schadenfroher Be- gleiter, einen langen Gliedermann von Pappe tückisch auf den Rücken klebt; und der nun vor der Majestät stehend, das Fratzenbild im hintern Spiegel erblickt […]«, Passy, Traumleben, Traumwelt, 180, zit. n.: Patrick André Székely, Das schriftstellerische Wirken Anton Passys zwischen Aufklärung und Romantik, Diplomarbeit Universität Wien 2010, 76. 95 Karlheinz Stierle, Der Maulwurf im Blickfeld, in: Link, Wülfing (Hg.), Be- wegung und Stillstand, 121-141. 96 Vgl. Johann Wolfgang Goethe an Johann Caspar Lavater, 22. 6. 1781, in: Wei- marer Ausgabe, 143 Bde., Weimar 1887-1919, V, Briefe 145-150, hier 147. 97 Als Gegenbegriff zur Wühlersemantik figurierte der positiv-historische »Rechtsboden«, dazu die Notiz der Wiener Kirchenzeitung aus dem Jahr 1851 über Leo Thun: »Wenn die Revolution vom alten Rechtsboden et- was fortgeschwemmt hat  – so hat das eben die Revolution gethan; wer aber conservativ sein will und auch noch das untergräbt, und in die Strömung hineinwirft, was die Revolution hat stehen lassen, der wirkt doch offenbar im Sinne der Revolution und in ihrer Knechtschaft; der soll sich nicht mehr einen Anhänger des conservativen Princips nennen«, Das Provisorium der Universitätsordnung in Wien, in: WK, 9. 8. 1851, 489; Der geschichtliche Rechtsboden, ebda., 19. 8. 1851, 514. Vgl. Willibald Steinmetz, »Sprechen ist eine Tat bei euch.« Die Wörter und das Handeln in der Revolution von 1848, in: Dieter Dowe, Hans-Gerhard Haupt (Hg.), Europa 1848. Revolution und Reform, Bonn 1998, 1089-1138, 1107, 1114, 1115. 98 Bitter ernst meinte es hingegen der antisemitische Priesterliterat und Vor- kämpfer des politischen Katholizismus Sebastian Brunner, als er Aufklä- rung und Bürokratie gleichsetzte und als Fremdkörper aus der katholisch-
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Aufklärung habsburgisch Staatsbildung, Wissenskultur und Geschichtspolitik in Zentraleuropa 1750–1850
Titel
Aufklärung habsburgisch
Untertitel
Staatsbildung, Wissenskultur und Geschichtspolitik in Zentraleuropa 1750–1850
Autor
Franz Leander Fillafer
Verlag
Wallstein Verlag
Datum
2021
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC 4.0
ISBN
978-3-8353-3745-9
Abmessungen
14.0 x 22.2 cm
Seiten
628
Schlagwörter
Aufklärung, Österreich, Habsburger, 18. Jahrhundert, 19. Jahrhundert, Revolution, Geschichtsbild, Wissensgeschichte
Kategorien
Geschichte Vor 1918

Inhaltsverzeichnis

  1. Einleitung 11
  2. I. Von der Vaterlandsliebe zum Völkerfrühling, 1770-1848 23
    1. 1. Der Patriotismus des Joseph von Sonnenfels 24
    2. 2. Der Landespatriotismus: Vom mehrsprachigen Vaterland zu den rivalisierenden Vergangenheiten seiner Nationen 30
    3. 3. Revolutionsabwehr, Sprachnationalismus und dynastische Loyalität: Joseph von Hormayr als Historiker 39
    4. 4. Zwischenresümee 49
    5. 5. Das Weltbürgertum der Völkerfreundschaft 51
    6. 6. 1848 und die Krise der liberalen Völkerfreundschaft 57
    7. Ergebnisse 64
  3. II. Die katholische Aufklärung 67
    1. 1. Der Josephinismus als »große Erzählung« der österreichischen Geschichte 67
    2. 2. Die theresianischen Reformen 71
    3. 3. Zwischen Barock und Aufklärung: Gelehrsamkeit, Kunst und Lebenspraxis 76
    4. 4. Die katholischen Reformer und das landesfürstliche Kirchenregiment 83
    5. 5. Barockbewältigung: Scholastiksatire und Patriotismuskonkurrenz im maria-theresianischen Prag 96
    6. 6. Das Methodentableau der katholischen Aufklärung 107
    7. 7. Newtonaneignung im katholischen Milieu: Von der Gotteserkenntnis zur Weltstruktur 110
    8. Ergebnisse 122
  4. III. Die Erfindung der Allianz von Thron und Altar 125
    1. 1. Honigmond. Der antirevolutionäre Schulterschluss von Kirche und Erzhaus in den 1790er Jahren 125
    2. 2. Restaurative Geschichtspolitik und Sozialdiagnose 137
    3. 3. Von der Gemeinschaft der Rechtgläubigen zum überkonfessionellen Rechtsstaat: Kultusrecht und Staatshandeln im Vormärz 152
    4. 4. Die Selbstprovinzialisierung des restaurativen Katholizismus 160
    5. 5. Für Gott und Vaterland: Das Erbe der Aufklärung und die Rolle der Katholiken in der »nationalen Wiedergeburt« 163
    6. 6. Imperiale Integration durch konfessionelle Geopolitik: Von der barocken Rekatholisierung zum Austroslawismu Bartholomäus Kopitars 174
    7. 7. Wissenschaftspolitik und Theologie im Völkerfrühling: Die liberalen Katholiken zwischen Revolution und Konkordat 181
    8. Ergebnisse 192
  5. IV. Wissenskulturen des Vormärz 197
    1. 1. Kant im restaurativen Wissensregime 199
    2. 2. Bernard Bolzano und das Erbe der Leibniz-Wolff’schen Scholastik 209
    3. 3. Bolzanisten versus Herbartianer 219
    4. 4. Welches positive Wissen? Bibelhermeneutik und liberale Physik 223
    5. 5. Positivität und Restauration. Der wissensgeschichtliche und ästhetisch-politische Kontext 240
    6. 6. Eine Art Schadensabwicklung. Die postrevolutionäre Konstruktion der »österreichischen Philosophie« 248
    7. Ergebnisse 252
  6. V. Vom Merkantilregime zum Binnenmarkt: Die Monarchie als Wirtschaftsraum 255
    1. 1. Der Grunduntertan als Staatsbürger und Eigentümer: Die aufgeklärte Agrarpolitik und ihre Folgen 258
    2. 2. Die Patrimonialrechte in der Erwerbsgesellschaft 274
    3. 3. Sonnenfels’ Œuvre 278
    4. 4. Rivalisierende Aufklärungen: Merkantilismus und Vernunftrecht 284
    5. 5. Sonnenfels und die Nachwelt: Der Staat als bürgerlicher Verein 291
    6. 6. Die Liberalkatholiken als politische Ökonomen 303
    7. 7. Zwischenresümee: Aufklärungserbe und ökonomischer Liberalismus 309
    8. 8. Der Gesamtstaat als Wirtschaftsunion 310
    9. 9. Ungarn in der Donaumonarchie: Wirtschafts- und Verfassungspolitik von Joseph II. bis 1848 315
    10. Ergebnisse 331
  7. VI. Naturrechtspraxis und Empire-Genese. Kodifikation, Rechtsstaat, Wissenschaftsgeschichte 335
    1. 1. Sonnenfels versus Zeiller. Der Zielkonflikt zwischen Verfassungs- und Privatrechtskodifikation in den 1790er Jahren 339
    2. 2. Der Kantianismus in der Rechtswissenschaft. Franz von Zeiller und sein Erbe 354
    3. 3. Die Politik des Metapolitischen. Zeillers Gesetzgebungstechnik und das »natürliche Recht« 361
    4. 4. Das natürliche Recht und die Privatisierung der ständischen Herrschaftsteilhabe 373
    5. 5. Die Wissenschaftsgeschichte des Rechts und die Gesamtmonarchie: Ein Zwischenresümee 381
    6. 6. Naturrechtskodifikation und Gesetzesexegese: Die Auslegungspraxis des ABGB 383
    7. 7. Rechtsstaat und Gewaltenteilung im Vormärz 388
    8. 8. Gesellschaftsvertrag und Revolutionsprävention: Das natürliche öffentliche Recht als Basisepistem 401
    9. 9. Ursprung ist das Ziel. Patriotische Rechtshistorie und parlamentarische Repräsentation im Vormärz 407
    10. 10. Vertrag als Fiktion. Die Naturrechtskritik der Junghegelianer 418
    11. 11. Pandektenkur. Der Siegeszug der historisch- römischrechtlichen Schule nach 1848 423
    12. Ergebnisse 443
  8. VII. Aufklärungserbe und Revolutionsabwehr: Selbst- und Feindbilder der Restauration 455
    1. 1. Die Josephiner und die Revolution 455
    2. 2. Carl von Kübecks Lehrjahre. Eine Vignette 467
    3. 3. Josephiner versus Romantiker 471
    4. 4. Der innere Feind. Zur Metaphern- und Sozialgeschichte der Restauration 476
    5. 5. Opferkonkurrenz als Erinnerungskonkurrenz: Die Geschichtspolitik des Jahres 1848 und des Neoabsolutismus 489
    6. Ergebnisse 492
  9. VIII. Überblick 497
  10. IX. Was war Aufklärung? 513
    1. Das Gesamtbild 525
    2. Anhang 529
    3. Abbildungen 529
    4. Archivalien 530
    5. Siglen- und Abkürzungsverzeichnis 532
    6. Quellen und Literatur 539
    7. Personen- und Sachregister 620
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