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42 Naturraum Alpen
ein Ort erhalten kann.88 Die Dauer der Sonnenstunden ist ein wichtiger Faktor
für die menschliche Besiedlung des Gebirges, da sie zusammen mit Hangneigung
und Qualität der Böden die Nutzbarkeit des Standortes für den Menschen be-
stimmt. Mittlerweile ist dank moderner Technologie für praktisch jeden Ort der
Alpen eruierbar, wie viel Sonnenschein dieser erhalten kann. So werden sofort
Vor- und Nachteile eines Siedlungsplatzes sichtbar. Als Beispiel folgt der Vergleich
der spätantiken Höhensiedlung am Lavanter Kirchbichl mit dem mittelalterlichen
Knotenpunkt Patriasdorf, in dessen Nähe sich mit Lienz der heutige Siedlungs-
schwerpunkt dieser Gegend befindet. Die beiden Orte sind etwa 9 km voneinander
entfernt, dazwischen liegt das durch einen Wildbach zerstörte antike Aguntum. In
Abbildung G am Ende des Buches wird sichtbar, dass der Lavanter Kirchbichl im
Winter deutlich weniger Sonnenstunden erhält. Der Vorteil des Platzes ist aller-
dings die Lage auf einem leicht zu befestigenden Hügel, der eine wichtige Route
über die Alpen überblickt. Als diese Höhenfestung zunehmend nicht mehr ge-
braucht wurde, war der mangelnde Sonnenschein sicher einer der Gründe, warum
sich das Zentrum des Tales Richtung Norden zu einem für die Bewirtschaftung
günstigeren Ort hin verlagerte.89
Für die Vegetation macht es einen Unterschied, ob ein Hang vormittags oder
nachmittags Sonne erhält. Die wärmeren Hangrichtungen wechseln mit dem Jah-
resverlauf : Von Jänner bis April werden auf südwestlichen Hängen die Tempera-
turmaxima gemessen, bis zum Juni wandern diese Richtung Südost, um sich dann
im Sommer und Herbst wieder Richtung Südwest zu bewegen. Generell sind Süd-
osthänge kühler und Südwesthänge wärmer. Diese Unterschiede erklären sich aus
der Bodenfeuchte : Die vormittägliche Sonnenwärme lässt die Feuchtigkeit ver-
dunsten, die westlich liegenden Hänge sind daher am Nachmittag, wenn sie den
Sonnenschein erhalten, schon trocken und können höhere Temperaturen erzielen.
Im Sommer ist dieser Effekt kaum vorhanden, da am Nachmittag die stärkste Be-
wölkung auftritt und dann eher die Osthänge bevorzugt werden.90
Ein weiterer wichtiger Faktor für pflanzliches, aber auch tierisches und
menschliches Leben im Gebirge ist die Strahlung. Durch verschiedene Einflüsse
erreicht sie unterschiedliche Intensität.91 So nimmt die UVB-Strahlung mit der
Höhe und im Winter zu. Sie beträgt auf 1.500 m Höhe etwa zwei Drittel mehr
und in 3.000 m Höhe das Doppelte der Werte auf 200 m. Im Winter steigern sich
88 Franz, Ökologie der Hochgebirge 65 ff.
89 Daten aus der Datenbank für geografische Dienste des Landes Tirol : http ://tiris.tirol.gv.at/web/
index.cfm.
90 Franz, Ökologie der Hochgebirge 79.
91 Daten aus Franz, Ökologie der Hochgebirge 65 ff.
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Die Alpen im Frühmittelalter
Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Die Alpen im Frühmittelalter
- Subtitle
- Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800
- Author
- Katharina Winckler
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2012
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78769-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 426
- Keywords
- Alps, Transformation of the Roman World, Early middle Ages, Culture, Economy, Power Structures
- Categories
- Geographie, Land und Leute Bergbücher
Table of contents
- 1: Einleitung 9
- 2 : Naturraum Alpen 22
- Begriffsdefinitionen 22
- Geologie 25
- Böden 27
- Wasser 28
- Naturkatastrophen 30
- Vegetationszonen 32
- Fauna 35
- Einstige Fauna und Flora der Alpen 36
- Das Klima in den Alpen : Gegenwart und Vergangenheit 38
- Das Gebirgsklima 39
- Lokale Faktoren 40
- Trockenes Klima der inneralpinen Täler 44
- Feuchtes Klima der Gebirgsrandlagen 46
- Zusatz : Klimatabelle ausgewählter Orte 48
- Das Klima des Frühmittelalters 49
- Globale Klimarekonstruktion 50
- Das frühmittelalterliche Klima in den Alpen 52
- Auswirkungen auf den Menschen 55
- Zusammenfassung 60
- 3 : Der Zugriff auf die Alpen und Blick von außen 62
- Die Alpen als Grenze 62
- Die Alpen als Mauern Italiens : Literarisches Bild und Realität 62
- Gotenkriege und Franken in den Alpen 72
- Karolinger und Ausblick 81
- Grenzen in den Alpen 83
- Konzept 83
- Grenzorganisation in den Alpen 87
- Bergwächter und militante Einheimische 87
- Befestigungen 90
- Slawisch-Awarische Grenzstrukturen Wahrnehmung der Alpen im Frühmittelalter : Furchtbares Gebirge, von den 95
- Römern bis Heinrich IV 100
- Zusammenfassung 110
- 4 : Über die Alpen : Kommunikation und Verkehrswege 114
- 5 : Menschen in den Alpen 172
- Christentum 172
- Entwicklung des Christentums in den Alpen 173
- Spätantikes und frühmittelalterliches Heidentum 182
- Patrozinien Die alpinen Kirchenprovinzen vom 6. bis zum 8. Jahrhundert : Fluktuation, 184
- Neuorientierung, Untergang 187
- Lokale christliche Topografie im Wandel 193
- Das Christentum in den nördlichen Voralpen –
- Neugründung oder Kontinuität ? 203
- Das Christentum in den Ostalpen – Gekappte Wurzeln ? 207
- Ausblick : Das Christentum im Alpenraum unter den Karolingern 217
- Klöster in den Alpen 219
- Westalpen 223
- Zentralalpen 224
- Alemannisches und bairisches Voralpenland 228
- Ostalpen 230
- Besiedlung 235
- Zentren 236
- „Stadt“ : Konzept und Begriffe 236
- Evolution der Städtischen Zentren im frühen Mittelalter 239
- Höhensiedlungen und Burgen 249
- Ländliche Siedlungen und Gutshöfe 254
- Wohnen im Frühmittelalter 259
- Siedlung : Lage und Versorgung 262
- Besiedlungsdichte 265
- Wirtschaft 268
- Alm- und Viehwirtschaft 271
- Ackerbau 279
- „Einöde“ : Sumpf, Wald, Hochgebirge 282
- Bevölkerung 284
- Migration 285
- Zusammenfassung 294
- 6 : Lokale Macht und Herrschaft in den Alpen 299
- 7 : Resümee 344
- 8 : Abbildungen 353
- 9 : Literaturverzeichnis 361