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Das Klima in den Alpen : Gegenwart und Vergangenheit 43
die Zahlen noch einmal, auf 1.500 m Höhe erhält der Mensch fast das Dreifache
und auf 2.500 m fast das Vierfache der Strahlung. Bei schönem Wetter ist der
Mensch im Hochgebirge also einer massiven und ungewohnten Strahlungsdosis
ausgesetzt. UV-Strahlung – besonders UVB – führt zu Sonnenbrand bis hin zu
DNA-Veränderungen. Die in dividuelle Empfindlichkeit für UV-Strahlung ist sehr
variabel und abhängig von Hauttyp, Dauer der Strahlung und genetischen De-
terminanten. Der „UV-Index“, also das generelle Risiko der UV-Belastung, wird
auch von Jahreszeit, Wetter und Ozonschicht stark beeinflusst.92 Die Strahlungs-
intensität nimmt mit der Steilheit und der Höhe des Hanges zu : Auf 1.000 m und
einer Neigung von 5° werden im Juni 0,46 cal/m2 (= Kalorien pro m2) gemessen,
in 3.000 m mit 0,84 cal/m2 fast das Doppelte. Schon eine Neigung von 35° erge-
ben auf 1.000 m 1,20 cal/m2 und auf 3.000 m schon 1,45 cal/m2.93 Rein physika-
lisch ist also ein 35° steiler Südhang auf 1.500 m Höhe im Juni wärmer als eine
flache, 500 m hohe Wiese im Tal. Dadurch wird zum Beispiel auch Weinbau in
Gebirgslagen möglich, wie in Südtirol oder im Wallis bei Visperterminen, nörd-
lich des Alpenhauptkammes und auf 1.100 m Höhe.94
Für die Schweizer Alpen gilt, dass sich die Vegetationsperiode pro 100 m um sie-
ben Tage auf der Nordseite der Alpen, auf der Südseite jedoch nur um sechs Tage
verkürzt. 95 Aber auch innerhalb eines Tales gibt es große Unterschiede zwischen
Nord- und Südausrichtung. Im Krakauer Hochtal im österreichischen Murtal liegt
die Schneedecke auf dem Nordhang durchschnittlich um 50 Tagen länger als auf
dem Südhang.96 Die bodenbedeckende Vegetation hat ebenfalls einen großen Ein-
fluss auf die Temperatur des Bodens, denn sie kann die Kälte abschirmen. Wird
diese Vegetation gerodet, wird der Boden frostanfälliger, auch auf den Südhängen,
die schon sehr früh von Menschen abgeholzt wurden.97
Die überwiegenden Vorteile der Südhänge haben die Gebirgsbewohner schon
seit langer Zeit gekannt und genutzt. So werden die entsprechenden Hang lagen im
Deutschen Schatt- und Sonnenseite genannt, auch in den romanischen Sprachen
finden sich entsprechende Ausdrücke : „l’endroit“ für die Südseite und „l’envers“
für die Nordseite.98 Zahlreiche Ortsnamen in den Alpen weisen ganz direkt auf
92 Dank für den Hinweis an Dr. Stefanie Neuhold, AKH Wien.
93 Gemessen wurde auf einer Fläche senkrecht zu Strahlungsrichtung. Franz, Ökologie der Hochge-
birge 65 ff.
94 Endlicher, Klimatologie 70.
95 Burga (Hg.), Vegetation und Klima der Schweiz 22.
96 http ://www.umwelt.steiermark.at und digitaler Atlas Steiermark : „Klimaregionen der Steiermark“.
97 Franz, Ökologie der Hochgebirge 119 ff.
98 Leguay (Hg.), Savoie 26.
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Die Alpen im Frühmittelalter
Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Die Alpen im Frühmittelalter
- Subtitle
- Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800
- Author
- Katharina Winckler
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2012
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78769-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 426
- Keywords
- Alps, Transformation of the Roman World, Early middle Ages, Culture, Economy, Power Structures
- Categories
- Geographie, Land und Leute Bergbücher
Table of contents
- 1: Einleitung 9
- 2 : Naturraum Alpen 22
- Begriffsdefinitionen 22
- Geologie 25
- Böden 27
- Wasser 28
- Naturkatastrophen 30
- Vegetationszonen 32
- Fauna 35
- Einstige Fauna und Flora der Alpen 36
- Das Klima in den Alpen : Gegenwart und Vergangenheit 38
- Das Gebirgsklima 39
- Lokale Faktoren 40
- Trockenes Klima der inneralpinen Täler 44
- Feuchtes Klima der Gebirgsrandlagen 46
- Zusatz : Klimatabelle ausgewählter Orte 48
- Das Klima des Frühmittelalters 49
- Globale Klimarekonstruktion 50
- Das frühmittelalterliche Klima in den Alpen 52
- Auswirkungen auf den Menschen 55
- Zusammenfassung 60
- 3 : Der Zugriff auf die Alpen und Blick von außen 62
- Die Alpen als Grenze 62
- Die Alpen als Mauern Italiens : Literarisches Bild und Realität 62
- Gotenkriege und Franken in den Alpen 72
- Karolinger und Ausblick 81
- Grenzen in den Alpen 83
- Konzept 83
- Grenzorganisation in den Alpen 87
- Bergwächter und militante Einheimische 87
- Befestigungen 90
- Slawisch-Awarische Grenzstrukturen Wahrnehmung der Alpen im Frühmittelalter : Furchtbares Gebirge, von den 95
- Römern bis Heinrich IV 100
- Zusammenfassung 110
- 4 : Über die Alpen : Kommunikation und Verkehrswege 114
- 5 : Menschen in den Alpen 172
- Christentum 172
- Entwicklung des Christentums in den Alpen 173
- Spätantikes und frühmittelalterliches Heidentum 182
- Patrozinien Die alpinen Kirchenprovinzen vom 6. bis zum 8. Jahrhundert : Fluktuation, 184
- Neuorientierung, Untergang 187
- Lokale christliche Topografie im Wandel 193
- Das Christentum in den nördlichen Voralpen –
- Neugründung oder Kontinuität ? 203
- Das Christentum in den Ostalpen – Gekappte Wurzeln ? 207
- Ausblick : Das Christentum im Alpenraum unter den Karolingern 217
- Klöster in den Alpen 219
- Westalpen 223
- Zentralalpen 224
- Alemannisches und bairisches Voralpenland 228
- Ostalpen 230
- Besiedlung 235
- Zentren 236
- „Stadt“ : Konzept und Begriffe 236
- Evolution der Städtischen Zentren im frühen Mittelalter 239
- Höhensiedlungen und Burgen 249
- Ländliche Siedlungen und Gutshöfe 254
- Wohnen im Frühmittelalter 259
- Siedlung : Lage und Versorgung 262
- Besiedlungsdichte 265
- Wirtschaft 268
- Alm- und Viehwirtschaft 271
- Ackerbau 279
- „Einöde“ : Sumpf, Wald, Hochgebirge 282
- Bevölkerung 284
- Migration 285
- Zusammenfassung 294
- 6 : Lokale Macht und Herrschaft in den Alpen 299
- 7 : Resümee 344
- 8 : Abbildungen 353
- 9 : Literaturverzeichnis 361