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58 Naturraum Alpen
sen der Bewohner.152 Im Gegensatz dazu zeigen Siedlungen der späten Bronzezeit
im Unterengadin gar keine Kontinuitätsbrüche, obwohl gerade für diese Zeit eine
Klimaverschlechterung konstruiert werden konnte. Die Wirtschaftsform der Be-
wohner war offensichtlich unempfindlich gegenüber kälterem Wetter.153 In den Al-
pen wird erst für den Ausgang der Karolingerzeit angenommen, dass gebietsweise
der Bevölkerungsdruck zu einer Ansiedlung in Marginalzonen geführt hat.154 Für
das Frühmittelalter gibt es keine Hinweise darauf, dass in den Alpen ein Bevölke-
rungsüberschuss herrschte, der die Besiedlung von ungünstigen Plätzen notwendig
gemacht hätte. Der Großteil der Bevölkerung lebte in der Spätantike und im frü-
hen Mittelalter in den Alpen in Gebieten, die einen Ernteausfall höchstens durch
Extremereignisse (Flut, Erdrutsch, Hagel etc.) zu erwarten hatten und ansonsten
von einem kühleren und feuchteren Wetter wenig berührt waren.
Die einzigen Gebirgsbewohner, die im Sommer einen Bedarf an wärmerem Wet-
ter hatten, waren die Viehhirten. Die Hochweiden oberhalb der Waldgrenze bei etwa
1.700–2.000 m (je nach Lage in den Alpen) sind sehr klimaabhängig und können
auch heute noch nur während der Sommermonate benutzt werden. Für einige Al-
men der Ostalpen liegen archäologische Untersuchungen vor, die zeigen könnten,
ob ein kälteres Klima zur Aufgabe der Bewirtschaftung der Hochflächen geführt
hatte. Auf der Hochebene unterhalb des Dachsteingletschers sind Begehungen für
die Römerzeit dokumentiert und auch Siedlungsplätze werden vermutet. Ab der
Völkerwanderungszeit verschwinden jedoch die Funde und erst ab dem 7. Jh. lassen
sich wieder Siedlungsplätze nachweisen.155 Anders sind die Ergebnisse in den slo-
wenischen Alpen. In den Kammniker/Steiner Alpen und Karawanken existierte in
römischer Zeit ein dichtes Almennetz. Alle diese Hütten sind noch bis in das 4.–6.
Jh. nachweisbar und der größere Teil war offenbar erst in der Spätantike intensiver
besiedelt. Ende des 6./Anfang des 7. Jh. wurden die zu den Almen gehörigen Siedlun-
gen auf geschützten Hügeln im Tal zerstört bzw. verlassen. Im gleichen Zeitraum gibt
es für die Almen im Hochgebirge keine datierbaren Funde mehr.156 In beiden Fällen
ist ein Zusammenhang mit dem Klima schwer zu beweisen. Gleichzeitig wurden
beide Regionen um 600 von slawischen Gruppen erobert. Dies war vermutlich die
Ursache des Verschwindens von archäologischen Spuren, etwa durch eine Änderung
des Siedelverhaltens. Statt festen Gebäuden könnten Zelte verwendet worden sein.157
152 LexMa „Schwaighof“ (P. Fried).
153 Primas, From fiction to facts 9.
154 Meyer, Rodung, Ackerbau und Viehwirtschaft 120.
155 Mandl, Dachstein 52.
156 Horvat, Archäologische Zeugnisse 124 ff.
157 Siehe dazu auch das Kapitel „Wohnen im Frühmittelalter“ ab S. 259.
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Die Alpen im Frühmittelalter
Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Die Alpen im Frühmittelalter
- Subtitle
- Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800
- Author
- Katharina Winckler
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2012
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78769-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 426
- Keywords
- Alps, Transformation of the Roman World, Early middle Ages, Culture, Economy, Power Structures
- Categories
- Geographie, Land und Leute Bergbücher
Table of contents
- 1: Einleitung 9
- 2 : Naturraum Alpen 22
- Begriffsdefinitionen 22
- Geologie 25
- Böden 27
- Wasser 28
- Naturkatastrophen 30
- Vegetationszonen 32
- Fauna 35
- Einstige Fauna und Flora der Alpen 36
- Das Klima in den Alpen : Gegenwart und Vergangenheit 38
- Das Gebirgsklima 39
- Lokale Faktoren 40
- Trockenes Klima der inneralpinen Täler 44
- Feuchtes Klima der Gebirgsrandlagen 46
- Zusatz : Klimatabelle ausgewählter Orte 48
- Das Klima des Frühmittelalters 49
- Globale Klimarekonstruktion 50
- Das frühmittelalterliche Klima in den Alpen 52
- Auswirkungen auf den Menschen 55
- Zusammenfassung 60
- 3 : Der Zugriff auf die Alpen und Blick von außen 62
- Die Alpen als Grenze 62
- Die Alpen als Mauern Italiens : Literarisches Bild und Realität 62
- Gotenkriege und Franken in den Alpen 72
- Karolinger und Ausblick 81
- Grenzen in den Alpen 83
- Konzept 83
- Grenzorganisation in den Alpen 87
- Bergwächter und militante Einheimische 87
- Befestigungen 90
- Slawisch-Awarische Grenzstrukturen Wahrnehmung der Alpen im Frühmittelalter : Furchtbares Gebirge, von den 95
- Römern bis Heinrich IV 100
- Zusammenfassung 110
- 4 : Über die Alpen : Kommunikation und Verkehrswege 114
- 5 : Menschen in den Alpen 172
- Christentum 172
- Entwicklung des Christentums in den Alpen 173
- Spätantikes und frühmittelalterliches Heidentum 182
- Patrozinien Die alpinen Kirchenprovinzen vom 6. bis zum 8. Jahrhundert : Fluktuation, 184
- Neuorientierung, Untergang 187
- Lokale christliche Topografie im Wandel 193
- Das Christentum in den nördlichen Voralpen –
- Neugründung oder Kontinuität ? 203
- Das Christentum in den Ostalpen – Gekappte Wurzeln ? 207
- Ausblick : Das Christentum im Alpenraum unter den Karolingern 217
- Klöster in den Alpen 219
- Westalpen 223
- Zentralalpen 224
- Alemannisches und bairisches Voralpenland 228
- Ostalpen 230
- Besiedlung 235
- Zentren 236
- „Stadt“ : Konzept und Begriffe 236
- Evolution der Städtischen Zentren im frühen Mittelalter 239
- Höhensiedlungen und Burgen 249
- Ländliche Siedlungen und Gutshöfe 254
- Wohnen im Frühmittelalter 259
- Siedlung : Lage und Versorgung 262
- Besiedlungsdichte 265
- Wirtschaft 268
- Alm- und Viehwirtschaft 271
- Ackerbau 279
- „Einöde“ : Sumpf, Wald, Hochgebirge 282
- Bevölkerung 284
- Migration 285
- Zusammenfassung 294
- 6 : Lokale Macht und Herrschaft in den Alpen 299
- 7 : Resümee 344
- 8 : Abbildungen 353
- 9 : Literaturverzeichnis 361