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Das Klima in den Alpen : Gegenwart und Vergangenheit 59
In den Ostalpen wurden ab dem 8. Jh. zahlreiche Klöster in sehr hohen Lagen
gegründet, die durchgehend bis in die heutige Zeit bewohnt waren :158 Disentis
(1.130 m, spätestens ab 720), Innichen (1.175 m, ab 769) und Müstair (1.237 m, Ende
8. Jh.) konnten offenbar auch in kälteren Jahren problemlos überleben. Weiters
sind gerade aus dieser Zeit zahlreiche Alpenquerungen bekannt, so zog 820 ein
Heer über die norischen Alpen gegen Liudewit159 und 866 waren die Penninischen
Alpen (i.e. das Gebirge um den Großen St. Bernhard) Ort von Auseinanderset-
zungen.160 837 ließ Lothar die alpinen Klausen befestigen,161 was darauf hinweist,
dass die Alpenpässe rege genutzt wurden. Zahlreiche Aktivitäten der Franken bzw.
Langobarden in den Westalpen fallen in die möglicherweise feuchtkalte Klimaperi-
ode Ende des 6. Jh.162 In den Quellen wurden längere Perioden schlechten Wetters
nicht erwähnt, abgesehen davon, dass man im Jahr 801 davor zurückschreckte, im
Oktober mit einem Elefanten über die Alpen zu ziehen,163 was jedoch angesichts
der Herkunft dieses Tieres aus einer viel wärmeren Klimazone nicht weiter ver-
wunderlich ist.
Die kältere Periode des frühen Mittelalters fiel also offenbar nicht weiter auf.
Für die Zeit der Merowinger kann der Archäologe M. Colardelle in der westalpi-
nen Dauphiné 1983 feststellen, dass es zwar kein Wachstum der Bevölkerung gab,
allerdings auch keinen Rückgang.164 Auch in der Schweiz haben zahlreiche Funde
gezeigt, dass die Besiedlung einiger Teile des Alpenraumes im frühen Mittelalter
relativ dicht gewesen sein muss.165 Angenommene siedlungsleere Räume dürften
daher vor allem auf Forschungslücken oder politischen Ereignissen beruhen. Da
in den meisten Gebieten kein Bevölkerungsrückgang erkennbar ist und auch sonst
Hinweise fehlen, wird man den Schluss ziehen dürfen, dass feuchtkalte Phasen
im frühen Mittelalter die Menschen weder vom Siedeln in den Alpen abhielten,
noch dass es zu einer nennenswerten Abwanderung aufgrund klimatischer Gründe
gekommen ist.
158 Mit kurzen Unterbrechungen nur wegen kriegerischer Ereignisse.
159 Annales Regni Francorum a. 820, zur Lokalisierung siehe Kapitel „Routen durch die Alpen“ ab
S. 136.
160 Regino von Prüm Chronicon a. 866.
161 Annales Bertiniani II a. 837.
162 Gregor von Tours Hist. IV 42.
163 Annales Regni Francorum a. 801.
164 Colardelle, Sépulture et traditions funéraires 382 : (Zur Merowingerzeit) „Si l’on ne peut pas identi-
fier de réelles poussées du peuplement, on ne peut pas non plus identifier des phases de récesion.“
Und : „On n’observe pas de grande désertion à l’époque mérovingienne.“
165 Meyer, Rodung, Ackerbau und Viehwirtschaft 119 ; Stadler-Planzer, Geschichte des Landes Uri 35.
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Die Alpen im Frühmittelalter
Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Die Alpen im Frühmittelalter
- Subtitle
- Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800
- Author
- Katharina Winckler
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2012
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78769-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 426
- Keywords
- Alps, Transformation of the Roman World, Early middle Ages, Culture, Economy, Power Structures
- Categories
- Geographie, Land und Leute Bergbücher
Table of contents
- 1: Einleitung 9
- 2 : Naturraum Alpen 22
- Begriffsdefinitionen 22
- Geologie 25
- Böden 27
- Wasser 28
- Naturkatastrophen 30
- Vegetationszonen 32
- Fauna 35
- Einstige Fauna und Flora der Alpen 36
- Das Klima in den Alpen : Gegenwart und Vergangenheit 38
- Das Gebirgsklima 39
- Lokale Faktoren 40
- Trockenes Klima der inneralpinen Täler 44
- Feuchtes Klima der Gebirgsrandlagen 46
- Zusatz : Klimatabelle ausgewählter Orte 48
- Das Klima des Frühmittelalters 49
- Globale Klimarekonstruktion 50
- Das frühmittelalterliche Klima in den Alpen 52
- Auswirkungen auf den Menschen 55
- Zusammenfassung 60
- 3 : Der Zugriff auf die Alpen und Blick von außen 62
- Die Alpen als Grenze 62
- Die Alpen als Mauern Italiens : Literarisches Bild und Realität 62
- Gotenkriege und Franken in den Alpen 72
- Karolinger und Ausblick 81
- Grenzen in den Alpen 83
- Konzept 83
- Grenzorganisation in den Alpen 87
- Bergwächter und militante Einheimische 87
- Befestigungen 90
- Slawisch-Awarische Grenzstrukturen Wahrnehmung der Alpen im Frühmittelalter : Furchtbares Gebirge, von den 95
- Römern bis Heinrich IV 100
- Zusammenfassung 110
- 4 : Über die Alpen : Kommunikation und Verkehrswege 114
- 5 : Menschen in den Alpen 172
- Christentum 172
- Entwicklung des Christentums in den Alpen 173
- Spätantikes und frühmittelalterliches Heidentum 182
- Patrozinien Die alpinen Kirchenprovinzen vom 6. bis zum 8. Jahrhundert : Fluktuation, 184
- Neuorientierung, Untergang 187
- Lokale christliche Topografie im Wandel 193
- Das Christentum in den nördlichen Voralpen –
- Neugründung oder Kontinuität ? 203
- Das Christentum in den Ostalpen – Gekappte Wurzeln ? 207
- Ausblick : Das Christentum im Alpenraum unter den Karolingern 217
- Klöster in den Alpen 219
- Westalpen 223
- Zentralalpen 224
- Alemannisches und bairisches Voralpenland 228
- Ostalpen 230
- Besiedlung 235
- Zentren 236
- „Stadt“ : Konzept und Begriffe 236
- Evolution der Städtischen Zentren im frühen Mittelalter 239
- Höhensiedlungen und Burgen 249
- Ländliche Siedlungen und Gutshöfe 254
- Wohnen im Frühmittelalter 259
- Siedlung : Lage und Versorgung 262
- Besiedlungsdichte 265
- Wirtschaft 268
- Alm- und Viehwirtschaft 271
- Ackerbau 279
- „Einöde“ : Sumpf, Wald, Hochgebirge 282
- Bevölkerung 284
- Migration 285
- Zusammenfassung 294
- 6 : Lokale Macht und Herrschaft in den Alpen 299
- 7 : Resümee 344
- 8 : Abbildungen 353
- 9 : Literaturverzeichnis 361