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64 Der Zugriff auf die Alpen und Blick von außen
der Poebene.7 Dazwischen befindet sich das bewaldete Hügelland der nördlichen
Voralpen, das den Eindruck eines langsamen Anstieges verstärkt und meistens die
Sicht auf das dahinterliegende Hochgebirge verdeckt. Nicht ganz überraschend
galt daher der Monviso bei den Römern als höchster Berg der Alpen8, obwohl er
fast 1.000 m niedriger ist als der vergleichsweise versteckte Mont Blanc.
Innerhalb des römischen Reiches bildeten die Alpen zunächst noch eine Art
barbarische Zone zwischen Gallia cisalpina, also der Poebene, und Gallia transal-
pina, dem Gebiet des heutigen Frankreichs und der Schweiz jenseits der Alpen.
Die Römer mieden es zunächst, im Gebirge allgemein und im Alpenraum speziell
zu kämpfen, die Kampfweise und Taktik des römischen Heeres bevorzugten die
Ebene. Kämpfe fanden daher zunächst vor den Alpen in der Poebene statt.9 Erst
die Expansion des Imperiums in der zweiten Hälfte des ersten Jahrhunderts vor
Christus machte eine Eingliederung der Alpen notwendig. Bis spätestens 15 v.
Chr. wurden die alpinen Täler teils gewaltsam, teils aus eigenem Antrieb anglie-
dert und als römische Provinzen organisiert.10 Die Grenzen lagen nun an Rhein
und Donau.
Damit war das Gebirge nun mehr Hindernis als Schutzwall, denn die Provinzen
jenseits der Alpen wurden mit Truppen und Waren versorgt, die erst mühsam über
das Gebirge gebracht werden mussten. Dies machte den Ausbau der großen Al-
penübergänge mit Straßen, Versorgungspunkten und an manchen Provinzgrenzen
Zollstationen notwendig.11 Die Territorien der Provinzen erstreckten sich auf die
Täler beiderseits des Alpenhauptkammes. In den Westalpen waren das die Pro-
vinzen Alpes Maritimae/Seealpen, Alpes Cottiae/Cottische Alpen mit dem Mont
Cenis und Montgenèvre, Alpes Graiae mit dem Kleinen St. Bernhard und Alpes
Poeninae mit dem Wallis und der dortigen Seite des Großen St. Bernhard.12 Die
Zentralalpen gehörten gesamt zur Provinz Rätien, die zusätzlich noch das Land
nördlich davon bis zur Donau umfasste. Auch Noricum ganz im Osten der Alpen
erstreckte sich bis zur Donau, die hier jedoch wesentlich näher zum Gebirge fließt.
7 Man kann von Bern aus die knapp über 4.000 m hohe Jungfrau und von Genf den Montblanc sehen,
allerdings befinden sich beide Städte etwa 2–300m höher als die Poebene und in beiden Fällen lässt
das sich dazwischen befindende Bergland diese Gipfel viel niedriger aussehen.
8 Plinius d. Ä. Nat. Hist. III 117 : „Padus, e gremio Vesuli montis celsissimum in cacumen Alpium elati
finibus Ligurum Bagiennorum visendo“.
9 Acolat, Montagne 31. Grund dafür war auch der ausgesprochen wilde Ruf der Gebirgsbewohner. Zu
diesem Topos siehe Kapitel über die Wahrnehmung der Alpen in Spätantike und frühen Mittelalter
ab S. 100.
10 Eine genaue Analyse findet sich bei Walser, Studien zur Alpengeschichte in antiker Zeit 23 ff.
11 Siehe Kapitel „Über die Alpen“ ab S. 114.
12 Jourdain-Annequin (Hg.), Atlas culturel 116 (G. Barruol) ; Leguay (Hg.), Savoie 186.
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Die Alpen im Frühmittelalter
Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Die Alpen im Frühmittelalter
- Subtitle
- Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800
- Author
- Katharina Winckler
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2012
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78769-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 426
- Keywords
- Alps, Transformation of the Roman World, Early middle Ages, Culture, Economy, Power Structures
- Categories
- Geographie, Land und Leute Bergbücher
Table of contents
- 1: Einleitung 9
- 2 : Naturraum Alpen 22
- Begriffsdefinitionen 22
- Geologie 25
- Böden 27
- Wasser 28
- Naturkatastrophen 30
- Vegetationszonen 32
- Fauna 35
- Einstige Fauna und Flora der Alpen 36
- Das Klima in den Alpen : Gegenwart und Vergangenheit 38
- Das Gebirgsklima 39
- Lokale Faktoren 40
- Trockenes Klima der inneralpinen Täler 44
- Feuchtes Klima der Gebirgsrandlagen 46
- Zusatz : Klimatabelle ausgewählter Orte 48
- Das Klima des Frühmittelalters 49
- Globale Klimarekonstruktion 50
- Das frühmittelalterliche Klima in den Alpen 52
- Auswirkungen auf den Menschen 55
- Zusammenfassung 60
- 3 : Der Zugriff auf die Alpen und Blick von außen 62
- Die Alpen als Grenze 62
- Die Alpen als Mauern Italiens : Literarisches Bild und Realität 62
- Gotenkriege und Franken in den Alpen 72
- Karolinger und Ausblick 81
- Grenzen in den Alpen 83
- Konzept 83
- Grenzorganisation in den Alpen 87
- Bergwächter und militante Einheimische 87
- Befestigungen 90
- Slawisch-Awarische Grenzstrukturen Wahrnehmung der Alpen im Frühmittelalter : Furchtbares Gebirge, von den 95
- Römern bis Heinrich IV 100
- Zusammenfassung 110
- 4 : Über die Alpen : Kommunikation und Verkehrswege 114
- 5 : Menschen in den Alpen 172
- Christentum 172
- Entwicklung des Christentums in den Alpen 173
- Spätantikes und frühmittelalterliches Heidentum 182
- Patrozinien Die alpinen Kirchenprovinzen vom 6. bis zum 8. Jahrhundert : Fluktuation, 184
- Neuorientierung, Untergang 187
- Lokale christliche Topografie im Wandel 193
- Das Christentum in den nördlichen Voralpen –
- Neugründung oder Kontinuität ? 203
- Das Christentum in den Ostalpen – Gekappte Wurzeln ? 207
- Ausblick : Das Christentum im Alpenraum unter den Karolingern 217
- Klöster in den Alpen 219
- Westalpen 223
- Zentralalpen 224
- Alemannisches und bairisches Voralpenland 228
- Ostalpen 230
- Besiedlung 235
- Zentren 236
- „Stadt“ : Konzept und Begriffe 236
- Evolution der Städtischen Zentren im frühen Mittelalter 239
- Höhensiedlungen und Burgen 249
- Ländliche Siedlungen und Gutshöfe 254
- Wohnen im Frühmittelalter 259
- Siedlung : Lage und Versorgung 262
- Besiedlungsdichte 265
- Wirtschaft 268
- Alm- und Viehwirtschaft 271
- Ackerbau 279
- „Einöde“ : Sumpf, Wald, Hochgebirge 282
- Bevölkerung 284
- Migration 285
- Zusammenfassung 294
- 6 : Lokale Macht und Herrschaft in den Alpen 299
- 7 : Resümee 344
- 8 : Abbildungen 353
- 9 : Literaturverzeichnis 361