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66 Der Zugriff auf die Alpen und Blick von außen
der Provinz Alpes Graiae et Poeninae, und dem Rheintal, Teil der Rätia I. Das Inn-,
Etsch- und Eisacktal gehörte vielleicht noch ganz zur Rätia II, das Pustertal zumin-
dest zeitweise zu Noricum. Antike Grenzverläufe sind im Einzelnen oft schwer
zu bestimmen, dies gilt auch für die Grenze zwischen Rätien und Noricum.16 Die
beiden Rätien waren ab diesem Zeitpunkt Teil der Diözese Italia Annonaria. Das
zwischen Donau und Karawanken gelegene Noricum war ursprünglich Teil des
römischen Verwaltungsbezirkes Illyrien gewesen. Diese Präfektur hatte aufgrund
der Teilung des römischen Imperiums eine wechselhafte Geschichte genommen.
Denn als sich Anfang des 4. Jh. die Teilung des römischen Reiches in eine Ost- und
Westhälfte abzeichnete, war noch keineswegs klar, wo sich die Grenze zwischen
diesen beiden Hälften befinden sollte. Illyrien wurde zunächst zur Osthälfte ge-
zählt und daher vielleicht die Kontrollpunkte entlang der Grenze bei Rätien und
Italien als Militärlinie ausgebaut. Erst ab 396 wurde die Verwaltungseinheit Illyrien
geteilt und damit die Zugehörigkeit Noricums zur Präfektur Italien fixiert.17
Noricum erstreckte sich im Osten entlang der Drau mit den Stadtbezirken von
Celeia/Celje und Poetovio/Ptuj noch ein gutes Stück über die Alpen hinaus. Unter
Diokletian wurde Noricum – wie Rätien – in zwei Teile geteilt, wobei Ufernori-
cum von der Donau bis zum Alpenhauptkamm entlang der Tauern reichte. Die
genaue Grenzziehung ist auch hier nicht mehr eindeutig zu rekonstruieren und
führte beispielsweise zur Annahme eines kaiserlichen fundus exceptus aufgrund der
Bergwerke im Mur- und vielleicht auch Ennstal.18 Auffällig ist jedenfalls das Fehlen
eines städtischen Zentrums. I. Heitmeier überlegt aus diesem Grund, dass auch das
Inntal so ein fundus exceptus gewesen sein könnte.19 All dies kann jedoch nur recht
hypothetisch gesagt werden, da genauere Hinweise gänzlich fehlen.
Ab dem Ende des 3. Jh. brachten die ersten barbarischen Plünderungszüge über
die Alpen20 den alten Topos der „Schutzmauern“ und „Sperrriegel“ Italiens wieder
in das Gedächtnis der Autoren. Anfang des 5. Jh., angesichts der Bedrohung durch
die das Reich durchziehenden plündernden Barbaren, pries Rutilius Namatianus
erneut die Götter, dass sie zum Schutze Roms ein doppeltes Sperrsystem – claustra
16 Wolfram, Mitteleuropa 468 ; Heitmeier, Inntal 148 f. und Fischer, Noricum 129 ziehen die Grenze
durch das Zillertal und die Grenze zwischen Binnen- und Ufernoricum am Alpenhauptkamm.
17 Weiler, Zur Frage der Grenzziehung 137 und 141 f.; Šašel, Wirtschaftliche und soziale Kräftelinien
544, The struggle between Magnentius and Constanttius II 721 f.; Gassner (Hg.), Am Rande des
Reiches 298.
18 Gleirscher, Karantanien 11 ; Alföldy, Patrimonium Regni Norici (re-)konstruierte diesen fundus excep-
tus.
19 Heitmeier, Inntal 152 f.
20 Einen Überblick bietet Pauli, Alpen 60 f.
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Die Alpen im Frühmittelalter
Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Die Alpen im Frühmittelalter
- Subtitle
- Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800
- Author
- Katharina Winckler
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2012
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78769-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 426
- Keywords
- Alps, Transformation of the Roman World, Early middle Ages, Culture, Economy, Power Structures
- Categories
- Geographie, Land und Leute Bergbücher
Table of contents
- 1: Einleitung 9
- 2 : Naturraum Alpen 22
- Begriffsdefinitionen 22
- Geologie 25
- Böden 27
- Wasser 28
- Naturkatastrophen 30
- Vegetationszonen 32
- Fauna 35
- Einstige Fauna und Flora der Alpen 36
- Das Klima in den Alpen : Gegenwart und Vergangenheit 38
- Das Gebirgsklima 39
- Lokale Faktoren 40
- Trockenes Klima der inneralpinen Täler 44
- Feuchtes Klima der Gebirgsrandlagen 46
- Zusatz : Klimatabelle ausgewählter Orte 48
- Das Klima des Frühmittelalters 49
- Globale Klimarekonstruktion 50
- Das frühmittelalterliche Klima in den Alpen 52
- Auswirkungen auf den Menschen 55
- Zusammenfassung 60
- 3 : Der Zugriff auf die Alpen und Blick von außen 62
- Die Alpen als Grenze 62
- Die Alpen als Mauern Italiens : Literarisches Bild und Realität 62
- Gotenkriege und Franken in den Alpen 72
- Karolinger und Ausblick 81
- Grenzen in den Alpen 83
- Konzept 83
- Grenzorganisation in den Alpen 87
- Bergwächter und militante Einheimische 87
- Befestigungen 90
- Slawisch-Awarische Grenzstrukturen Wahrnehmung der Alpen im Frühmittelalter : Furchtbares Gebirge, von den 95
- Römern bis Heinrich IV 100
- Zusammenfassung 110
- 4 : Über die Alpen : Kommunikation und Verkehrswege 114
- 5 : Menschen in den Alpen 172
- Christentum 172
- Entwicklung des Christentums in den Alpen 173
- Spätantikes und frühmittelalterliches Heidentum 182
- Patrozinien Die alpinen Kirchenprovinzen vom 6. bis zum 8. Jahrhundert : Fluktuation, 184
- Neuorientierung, Untergang 187
- Lokale christliche Topografie im Wandel 193
- Das Christentum in den nördlichen Voralpen –
- Neugründung oder Kontinuität ? 203
- Das Christentum in den Ostalpen – Gekappte Wurzeln ? 207
- Ausblick : Das Christentum im Alpenraum unter den Karolingern 217
- Klöster in den Alpen 219
- Westalpen 223
- Zentralalpen 224
- Alemannisches und bairisches Voralpenland 228
- Ostalpen 230
- Besiedlung 235
- Zentren 236
- „Stadt“ : Konzept und Begriffe 236
- Evolution der Städtischen Zentren im frühen Mittelalter 239
- Höhensiedlungen und Burgen 249
- Ländliche Siedlungen und Gutshöfe 254
- Wohnen im Frühmittelalter 259
- Siedlung : Lage und Versorgung 262
- Besiedlungsdichte 265
- Wirtschaft 268
- Alm- und Viehwirtschaft 271
- Ackerbau 279
- „Einöde“ : Sumpf, Wald, Hochgebirge 282
- Bevölkerung 284
- Migration 285
- Zusammenfassung 294
- 6 : Lokale Macht und Herrschaft in den Alpen 299
- 7 : Resümee 344
- 8 : Abbildungen 353
- 9 : Literaturverzeichnis 361