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Die Alpen als Grenze 69
Darüber hinaus gibt es neben vielen einzelnen lokalen Befestigungen an den Al-
penausgängen (s. u.) nur eine einzige größere systematische Anlage in den Alpen :
den heute auf slowenischem Gebiet gelegenen Pass Hrušica, römisch ad Pirum, am
südöstlichen Alpenrand.36 Geografisch ist der Übergangsraum zwischen Alpen und
Karst mit 883 m Höhe wohl die einfachste Möglichkeit, um, von Osten kommend,
das Gebirge nach Italien zu überschreiten. Diese Anlage war möglicherweise Teil
des oben genannten tractus Italiae circa Alpes.37 Ammianus Marcellinus erwähnt 378
den Pass als claustra alpium Iuliarum und „[…] verwendet dabei den Begriff claustra
zweifellos in militärtechnischem Sinn“.38 Die Beurteilung der Durchlässigkeit dieses
Passes ist allerdings unterschiedlich. Für Zosimus ist der Übergang des Hrušica we-
gen des Gebirges schwer zu überwinden,39 für den mit der Region vertrauten Paulus
Diaconus ist es ein breiter, ebener Durchgang.40 Die meisten Autoren, wie auch
Ammianus Marcellinus, gehen nicht genauer auf die Topografie des Passes ein.
Dank der Ausgrabungen ist die Lage der claustra gut erforscht. Das Verteidigungs-
system selbst bestand nicht aus einer durchgehenden Mauer, sondern aus einzel-
nen Abschnitten, die sich östlich von Istrien über das Hochland nach Norden
zogen.41 Die Befestigung wirkt daher im Gegensatz zu anderen Grenzbauten der
Römer seltsam halbherzig. Auch von der Typologie entspricht sie einer Mischung
aus Grenzkontrolle und Barriere, also zivilen und militärischen Elementen.42 Die
Anlage wird auf das Ende des 4. Jh. datiert, sie dürfte daher wegen der Bürger-
kriege in dieser Zeit ausgebaut worden sein.43 Claudian klagte Anfang des 5. Jh.
in De bello gothico, dass der Ausbau der Straße durch den Bürgerkrieg den Goten
überhaupt erst den Einzug nach Italien ermöglicht hätte. Der Grenzposten scheint
zu seiner Zeit nicht einmal mehr besetzt gewesen zu sein.44
36 Strabon bezeichnet den Pass als Ocra. Strabo IV 6.10 ; VII 5.2 ; Šašel, Strabo, Ocra and Aarchaeology
630 f.
37 Napoli, Recherches 56. Die Publikation der archäologischen Funde erfolgte vor allem durch J. Šašel
in „Claustra Alpium Iuliarum“ Ljubljana 1971.
38 Schneider, Fränkische Alpenpolitik 32 ; Ammianus Marcellinus XXXI 11, 3.
39 Zosimus V 5.
40 Paulus Diaconus, Hist. Lang. II 9.
41 Schneider, Fränkische Alpenpolitik 33 ; Napoli, Recherches 260. Abbildung nach Ciglenečki, Results
and Problems 298.
42 Napoli, Recherches 260 ff. bezeichnet den Hrušica als „[…] un compromis entre des barrières défen-
sives et des barrières de contrôle.“ Auch Mitte des 4. JH. wurde an der claustra alpium iuliarum ge-
kämpft : Šašel, The struggle between Magnentius and Constantius II 716 ff., bes. 724 zur Verstärkung
der Befestigungen durch Magnentius. Die genaue Grenze zwischen Italien und Illyricum ist nicht
immer deutlich zu erkennen, dürfte aber hinter Emona/Ljubljana gelegen sein. Šašel, Emona 578.
43 Napoli, Recherches 56 ff., Orosius VII 35.3.
44 Claudian De bello gothico Vers 300 : „[…] mirabile posset esse mihi, si fraude nova, vel calle reperto
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Die Alpen im Frühmittelalter
Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Die Alpen im Frühmittelalter
- Subtitle
- Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800
- Author
- Katharina Winckler
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2012
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78769-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 426
- Keywords
- Alps, Transformation of the Roman World, Early middle Ages, Culture, Economy, Power Structures
- Categories
- Geographie, Land und Leute Bergbücher
Table of contents
- 1: Einleitung 9
- 2 : Naturraum Alpen 22
- Begriffsdefinitionen 22
- Geologie 25
- Böden 27
- Wasser 28
- Naturkatastrophen 30
- Vegetationszonen 32
- Fauna 35
- Einstige Fauna und Flora der Alpen 36
- Das Klima in den Alpen : Gegenwart und Vergangenheit 38
- Das Gebirgsklima 39
- Lokale Faktoren 40
- Trockenes Klima der inneralpinen Täler 44
- Feuchtes Klima der Gebirgsrandlagen 46
- Zusatz : Klimatabelle ausgewählter Orte 48
- Das Klima des Frühmittelalters 49
- Globale Klimarekonstruktion 50
- Das frühmittelalterliche Klima in den Alpen 52
- Auswirkungen auf den Menschen 55
- Zusammenfassung 60
- 3 : Der Zugriff auf die Alpen und Blick von außen 62
- Die Alpen als Grenze 62
- Die Alpen als Mauern Italiens : Literarisches Bild und Realität 62
- Gotenkriege und Franken in den Alpen 72
- Karolinger und Ausblick 81
- Grenzen in den Alpen 83
- Konzept 83
- Grenzorganisation in den Alpen 87
- Bergwächter und militante Einheimische 87
- Befestigungen 90
- Slawisch-Awarische Grenzstrukturen Wahrnehmung der Alpen im Frühmittelalter : Furchtbares Gebirge, von den 95
- Römern bis Heinrich IV 100
- Zusammenfassung 110
- 4 : Über die Alpen : Kommunikation und Verkehrswege 114
- 5 : Menschen in den Alpen 172
- Christentum 172
- Entwicklung des Christentums in den Alpen 173
- Spätantikes und frühmittelalterliches Heidentum 182
- Patrozinien Die alpinen Kirchenprovinzen vom 6. bis zum 8. Jahrhundert : Fluktuation, 184
- Neuorientierung, Untergang 187
- Lokale christliche Topografie im Wandel 193
- Das Christentum in den nördlichen Voralpen –
- Neugründung oder Kontinuität ? 203
- Das Christentum in den Ostalpen – Gekappte Wurzeln ? 207
- Ausblick : Das Christentum im Alpenraum unter den Karolingern 217
- Klöster in den Alpen 219
- Westalpen 223
- Zentralalpen 224
- Alemannisches und bairisches Voralpenland 228
- Ostalpen 230
- Besiedlung 235
- Zentren 236
- „Stadt“ : Konzept und Begriffe 236
- Evolution der Städtischen Zentren im frühen Mittelalter 239
- Höhensiedlungen und Burgen 249
- Ländliche Siedlungen und Gutshöfe 254
- Wohnen im Frühmittelalter 259
- Siedlung : Lage und Versorgung 262
- Besiedlungsdichte 265
- Wirtschaft 268
- Alm- und Viehwirtschaft 271
- Ackerbau 279
- „Einöde“ : Sumpf, Wald, Hochgebirge 282
- Bevölkerung 284
- Migration 285
- Zusammenfassung 294
- 6 : Lokale Macht und Herrschaft in den Alpen 299
- 7 : Resümee 344
- 8 : Abbildungen 353
- 9 : Literaturverzeichnis 361